Berlin . Putin stoppen, darum geht es. Der Anfang der Gespräche zwischen Russen und Ukrainern war ernüchternd. Hat die Diplomatie eine Chance?

Nicht mal ein Minimalziel wurde bei den ersten Gesprächen zwischen ´Russland und der Ukraine auf Außenministerebene erreicht, nicht mal die Bildung eines humanitären Korridors für die Stadt Mariupol, die massiv unter Beschuss steht. Welchen Erfolgsaussichten hat die Diplomatie?

Es ist nicht die erste Gesprächsrunde. Aber es war eine neue Ebene: die politische Ebene. Der russische Außenminister Sergei Lawrow führt aus, was im Kreml beschlossen wird.

Über eine 24-stündige Waffenruhe sei zumindest gesprochen worden, aber „wir haben keinen Fortschritt in dieser Frage erzielt. Denn wie es scheint, werden diese Entscheidungen von anderen in Russland getroffen", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba.

Im Kreml laufen alle Fäden zusammen. Im Kern geht es allein darum, den Aggressor zum Einlenken zu bewegen. Niemand weiß, ob sich Russlands Präsident Wladimir Putin zum Schein – Zeitgewinn – auf Gespräche einlässt oder ob sich ein Sinneswandel andeutet.

Ein Kurswechsel wäre allerdings nicht unplausibel, denn:

  • Nach zwei Wochen Krieg ist ein Blitzsieg nicht mehr möglich.
  • Auch der zivile Widerstand in der Ukraine ist größer als erwartet.
  • Die Sanktionen treffen Russland zeigen Wirkung.
  • Russland ist weltweitgehend isoliert.

Putin verfolgt vorrangig ein Kriegsziel: Die Neutralisierung der Ukraine, politisch wie militärisch, sowie die Eroberung des Ostteils des Landes. Er will ein Landkorridor zur Krim schaffen. Da sind die Kämpfe am heftigsten.

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Putin: Verhandlungen oder Krieg?

Dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte er Anfang der Woche,er werde sich durchsetzen, "entweder durch Verhandlungen oder durch Krieg".

Macron lernte: Es gibt eine Gesprächsoption und damit eine Chance, dass die Diplomatie zum Zuge kommt. Dazu passt, dass Moskau zuletzt versicherte, nicht den Sturz der Regierung in Kiew anzustreben. Das ist deswegen so wichtig, weil Gesichtswahrung – "Off-ramp" in der Sprache der Unterhändler – eine Grundvoraussetzung für einen Erfolg ist.

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Umgekehrt beharrte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi nicht mehr auf einen Nato-Beitritt seines Landes. "Und ich bin auch bereit zu bestimmten Schritten“, sagte er der "Bild". Eine neutrale Ukraine würde den Sicherheitsbedürfnissen der Russen entsprechen. Mit bestimmten Schritten könnte die Anerkennung der Annektierung der Krim sein, vielleicht sogar der Abtritt des Donbass.

Wie bei Finnland 1939/40 wären Gebietsabtretungen und Neutralität der Preis der Unabhängigkeit. Das stünde auch einem Beitritt zur Europäischen Union (EU) nicht im Wege, auch Finnland und das ebenfalls neutrale Österreich gehören zur EU.

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Verhandlungen: Achtungserfolg für Türkei

Ein Achtungserfolg sind die Verhandlungen schon mal für den Gastgeber, für die Türkei. Aber womöglich ist sie nicht die ideale Vermittlerin.

Alternativ käme China in Frage. Immer wieder fällt auch der Name Sauli Niinistö. Der finnische Präsident kennt Putin gut und persönlich, er hat mit ihm sogar schon Eishockey gespielt. Finnland ist ein Nachbar und anders als die Türkei kein Nato-Partner. Niinistö kündigte an, am Freitag mit Putin reden zu telefonieren.

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Vertrauensbildung ist der erste Schritt

Es ist möglich, dass Putin nur Zeit gewinnen will, beispielsweise mit einem Waffenstillstand. Dann kann er seine Truppen auffrischen, den Nachschub verbessern, die nächste Angriffswelle vorbereiten.

Auch der Ukraine käme ein Zeitgewinn gelegen. Es könnten Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung geschaffen werden. Gleichzeitig würden ihre Militärs die Stellungen ausbauen und ihre Waffenarsenale auffüllen; die Lieferungen aus dem Westen halten an.

Bei ernstgemeinten Verhandlungen steht Vertrauensbildung obenauf. Das schaffen Unterhändler mit Anfangserfolgen im Detailfragen: Hilfskorridore, Gefangenenaustausch, die Sicherheit der ukrainischen Atomkraftwerke. Wenn das glückt, geht man die nächsten Schritte an. Es ist ein langer Prozess, der Wochen andauern kann. Und in dieser Zeit wird der Krieg womöglich und mit unverminderter Härte weitergehen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.