Carbis Bay. Nie wieder Pandemie mit der 100-Tage-Regel – das ist das Versprechen der reichen Industriestaaten. An China gibt es eine harte Ansage.

Gastgeber Boris Johnson liebt große Worte in eigener Sache. Stolz kündigt der britische Premier das "allererste Strand-Barbecue in der Geschichte der G7-Gipfel" an, als er den Staats- und Regierungschefs zum Ausklang des zweiten Tages am Lagerfeuer gegrillte Krabben, Moorland-Lendenbraten und Hummer servieren lässt. Mit noch viel größerer Begeisterung feiert Johnson die Erklärung, die der Gipfel zuvor auf seinen Vorschlag beschlossen hat: "Dies ist ein stolzer und historischer Moment für uns alle."

Ganz abwegig ist das nicht, denn dieses Versprechen an die Welt ist wirklich groß: "Die führenden Demokratien verpflichten sich, dass es nie wieder eine globale Pandemie geben wird", so fasst Johnson die Festlegung zusammen. Die Verwüstungen, die die Corona-Krise verursacht habe, dürften sich "nie wiederholen".

Die "Gesundheitserklärung von Carbis Bay", benannt nach dem malerischen Tagungsort im südenglischen Cornwall, ist in ihren Zielen kaum zu übertreffen. Zentraler Baustein der Nie-Wieder-Strategie: Bei künftigen Ausbrüchen sollen Impfstoff, Medikamente und Tests in weniger als hundert Tagen zur Verfügung stehen – also entwickelt und zugelassen sein.

Die Regierungen wollen dafür sorgen, dass gefährliche Virusvarianten schneller erkannt werden, vor allem durch einen Ausbau der Genomsequenzierung. Dafür soll auch ein globales Beobachtungs-Netzwerk aufgebaut werden.

G7 wollen WHO schlagkräftiger machen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die zu Beginn der Pandemie allzu zögerlich agierte, wollen die reichen Industriestaaten schlagkräftiger machen. Johnson hat den Plan von einer internationalen Expertengruppe vorbereiten lassen, die für künftige Virus-Ausbrüche eine "100-Tage-Mission" empfahl: Die ersten hundert Tage nach der Entdeckung einer Epidemie sind demnach entscheidend, um eine globale Ausbreitung zu verhindern.

WHO-Chef Tedros Ghebreyesus, der an der Sitzung teilnimmt, begrüßte die Erklärung: "Die Welt braucht ein stärkeres globales Überwachungssystem, um neue Epidemien und das Risiko von Pandemien zu entdecken", sagt er.

Das große Nie-Wieder-Versprechen ist eingebettet in ganzes Paket weiterer Corona-Maßnahmen: Die sieben Industriestaaten spenden eine Milliarde Impfdosen an ärmere Länder, um dort wenigstens die am stärksten gefährdeten Menschen zu schützen. Und sie versprechen, für den globalen Wirtschaftsaufschwung an – schuldenfinanzierten – Ausgabeprogrammen festzuhalten; ein Kurs, den die USA und die Europäer ohnehin eingeschlagen haben. Die Impfstoffspende hat Johnson als Ziel schon vorab verkündet, doch das erste Echo ist eher verhalten.

Milliardenschwere Kampfansage an Chinas neue Seidenstraße

Hilfsorganisationen begrüßen zwar die Zusage, machen aber klar, dass sie eine Milliarde Einheiten für zu wenig halten – benötigt würden bis zu zehn Milliarden Impfstoffdosen. Die Hilfsorganisation Oxfam bemängelt außerdem, wenn die Spenden größtenteils erst 2022 geliefert würden, sei dies deutlich zu spät. US-Präsident Joe Biden, der 500 Millionen Impfdosen zugesagt hat, lobt die Spendenaktion indes als historisch.

Doch ist da längst klar, dass Bidens zentrales Gipfelthema gar nicht Corona, sondern China ist: Der US-Präsident will gleich bei seiner ersten Auslandsreise die westlichen Industriestaaten auf seinen scharfen Anti-China-Kurs einschwören. Es ist wohl kein Zufall, dass Biden gleich am Mittag Kanzlerin Angela Merkel zum ersten bilateralen Gespräch auf der Hotelterrasse trifft. Merkel hat bisher Bedenken gegen allzu konfrontative Töne gegenüber Peking.

Eine Kampfansage wird schon am Sonnabend beschlossen. Der Westen setzt dem umstrittenen chinesischen Seidenstraßen-Projekt eine eigene Infrastruktur-Initiative entgegen: Mehrere hundert Milliarden Euro an staatlichen und privaten Geldern sollen von den G7-Staaten mobilisiert werden, um Investitionen in ärmeren Ländern zu fördern – als freundliche Alternative zur Strategie Pekings, in Dutzenden Ländern Eisenbahnen, Häfen und Straßen zu bauen und so den chinesischen Einfluss zu vergrößern.