Berlin. Bei der Kanzlerkandidatur der Grünen hatte Parteichef Robert Habeck das Nachsehen. Die Entscheidung fiel dem Politiker nicht leicht.

Annalena Baerbock ist Kanzlerkandidatin der Grünen – und wird damit den Wahlkampf der Partei anführen. Die Entscheidung für die 40-jährige Spitzenpolitikerin bedeutete aber auch, dass der Co-Vorsitzende Robert Habeck keine Chance auf das Kanzleramt hat. Die gemeinsame Entscheidung für Baerbock und gegen ihn fiel dem Grünen-Chef nicht leicht – wie er jetzt in einem Interview mit der "Zeit" sagte.

Habeck räumte in dem Gespräch ein, der Tag der Nominierung sei für ihn "der schmerzhafteste Tag in meiner politischen Laufbahn" gewesen. Die Grünen hatten am vergangenen Montag bekannt gegeben, dass Annalena Baerbock Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf werden würde – die Entscheidung ist laut Habeck aber schon in der Woche vor Ostern gefallen.

Habeck: „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen“

Traurig sei er, sagte er der "Zeit" über das Ergebnis nicht, aber der Tag sei „bittersüß“ gewesen: Er sei einst in die Bundespolitik gegangen, um die Grünen genau dort hin zu bringen, wo sie jetzt stünden – im Kampf um das Kanzleramt. „Jetzt schaffen wir das, das ist der süße Anteil. Aber ich werde diesen Kampf nicht von der Spitze aus führen, wie ich es wollte. Das ist der bittere Teil“, so Habeck.

Er werde nun die "Entscheidung nach außen zu vertreten und daraus, obwohl sie für mich eine persönliche Niederlage ist, einen politischen Sieg zu machen“.

Dass ihn die Niederlage, wie er die Entscheidung gegen ihn nennt, tief trifft, wird in den Äußerungen des Parteivorsitzenden klar deutlich: „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen. Und das werde ich nach diesem Wahlkampf nicht.“ Dass die Grünen nun aber eine Chance auf das höchste Staatsamt hätten sei „größer als das, was man sich persönlich zutraut oder will“.

Bittersüßer Tag für Robert Habeck: Am Montag wurde Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin für die Bundestagwahl nominiert.
Bittersüßer Tag für Robert Habeck: Am Montag wurde Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin für die Bundestagwahl nominiert. © dpa | Kay Nietfeld

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Grünen-Chef Habeck wird zwar nicht Kanzler – will aber ein Ministeramt

Habeck stellt klar, dass er sich nicht zurückziehen wird – ganz im Gegenteil. Im "Zeit"-Interview meldet der Grünen-Politiker gleich schon einmal den Anspruch auf ein Ministeramt an: "Wenn wir es gut machen, werde ich Teil der Bundesregierung sein. Die Wirklichkeit zu gestalten ist für mich der Sinn von Politik. Das bedeutet für mich Verantwortung." Er wolle sich zudem "voll" im Wahlkampf einbringen und für "starkes Ergebnis kämpfen".

Zudem äußerte sich Habeck erstmals zu seiner neuen Rolle, die er schon am Montag andeutete. In den kommenden Monate werde er die Partei vor allem auch auf die zeit nach der Wahl und aufs Regieren vorbereiten. "Ich habe mehrfach Koalitionsverhandlungen geführt und erfolgreich abgeschlossen, ich weiß also, wie das geht." Zudem wolle er mit seiner Erfahrung "die grüne Programmatik auf Regierungstauglichkeit weiterentwickeln und abklopfen". Lesen Sie dazu: Grüne Wohlfühlrepublik: Das Wahlprogramm der Partei

Trotz Regierungserfahrung: Habeck beklagt Reduktion auf Äußerlichkeiten

Dass diese Expertise zuletzt in der Öffentlichkeit gar nicht mehr wahrgenommen wurde, sondern Habeck oft als Philosoph und Schöngeist dargestellt wurde, stört den Politiker. Der Grünen-Vorsitzende beklagt, dass seine Erfahrung als Minister in Schleswig-Holstein nach seinem Wechsel in die Bundespolitik keine Rolle mehr gespielt habe.

"Ich wurde auf einmal über Äußerlichkeiten beschrieben und nicht über meine Leistungsbilanz und Erfahrung. Das hat genervt und war irritierend. Bei Frauen würde man das sexistische Zuschreibungen nennen." Er habe versucht, dagegen anzuarbeiten, dies habe aber nur "mäßig gut" funktioniert.

Wie die Grünen ihre Führungsfrage, im Gegensatz zu CDU und CSU, ohne ausufernden Streit geklärt habe, wird wohl vorerst zwischen Habeck und Baerbock bleiben. Essenziell sei jedoch gewesen, dass er Baerbock unterstütze, erklärte der Grünen-Vorsitzende nach lange Denkpause im Interview: "Wenn eine schwierige Entscheidung getroffen ist, hängt es in der Tat wesentlich daran, ob derjenige, der es nicht geschafft hat, die Entscheidung mitträgt."

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(bml)