Berlin. Hartz-IV-Sanktionen sind teilweise verfassungswidrig. Das SPD-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans geht einen Schritt weiter.

In der großen Koalition zeichnet sich nach der Grundrenten-Einigung womöglich ein neuer Konflikt um die Hartz-IV-Sanktionen ab. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellen die SPD-Vorsitzkandidaten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans die Sanktionspraxis grundsätzlich infrage.

Sie setzten „auf ein System, das auf respektvolle Beratung, auf Anreize und Unterstützung setzt“, sagte Esken unserer Redaktion. Dies müsse ein staatliches Regelwerk sein, „was die Menschen dazu motiviert und befähigt, ihr Leben selbstbestimmt und souverän zu gestalten“.

Ein „umfassendes Sanktionsregime“ sei nicht der richtige Weg. Zuvor hatte bereits Juso-Chef Kevin Kühnert angekündigt, auf dem SPD-Parteitag Anfang Dezember einen Antrag für eine vollständige Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen stellen zu wollen.

Hartz IV: Ex-SPD-Parteichefin Nahles plädierte für Abschaffung

Beim Koalitionspartner CDU und CSU kommen diese Überlegungen gar nicht gut an. Aus Fraktionskreisen heißt es, die Beglückung der SPD müsse ein Ende haben. Neue rote Linien, die über den Koalitionsvertrag hinausgingen, würden nicht mehr akzeptiert.

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In der SPD-Führung gibt es Bestrebungen, Kühnert bis zum Parteitag von seinem Konfrontationskurs abzubringen. Der populäre Jungsozialist und Gegner der großen Koalition habe schließlich das noch unter Parteichefin Andrea Nahles in der SPD beschlossene Sozialstaatskonzept mitverhandelt und mitgetragen. Nahles hatte seinerzeit betont, die SPD wolle Hartz IV hinter sich lassen.

Arbeitsagenturchef setzt Hartz-IV-Sanktionen aus

Saskia Esken (r.) und Norbert Walter-Borjans kandidieren zusammen für den SPD-Vorsitz.
Saskia Esken (r.) und Norbert Walter-Borjans kandidieren zusammen für den SPD-Vorsitz. © dpa | Michael Kappeler

So soll das Arbeitslosengeld länger gezahlt, eine Kindergrundsicherung eingeführt sowie der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde angehoben werden. Die Konkurrenten von Esken und Walter-Borjans um den SPD-Vorsitz, Vizekanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz, stehen zu dem gefundenen Hartz-Kompromiss und lehnen die weitergehenden Forderungen von Kühnert ab.

Eine neue Lage könnte sich ergeben haben, weil die Bundesagentur für Arbeit das Urteil des Verfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen nun auch bei unter 25-Jährigen umsetzt. „Wir verschicken zurzeit keine Sanktionsbescheide“, hatte Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur, unserer Redaktion gesagt.

Hartz-IV-Sanktionen: Gesetzliche Neuregelung kommt 2020

Bei Arbeitslosen, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert wären, würden die Sanktionen dem Karlsruher Urteil entsprechend auf 30 Prozent reduziert. Die Entschärfung der Sanktionen gelte vorläufig auch für junge Arbeitslose: „Wir haben den Jobcentern mitgeteilt, dass diese Sanktionspraxis zunächst auch für unter 25-Jährige gilt“.

Scheele kündigte eine rechtlich verbindliche Übergangslösung bis Ende November an. Im nächsten Jahr werde eine gesetzliche Neuregelung der Sanktionspraxis folgen. (tb/gau)