Hagen. Ein selbst ernannter „Führer Kommandozentrale“ erteilte Befehle im Flutgebiet. Der Reservistenverband hat den Ex-KSK-Oberst angezeigt.

In seinem „Befehl Nr. 1 zur Durchführung von Unterstützungsleistungen“ nannte er sich „Führer Kommandozentrale und Stabsgruppe“. M. E., ein pensionierter Oberst der Bundeswehr, kreuzte kurz nach dem Hochwasser im Flutgebiet im Raum Ahrweiler auf und bot mit ein paar Gleichgesinnten unaufgefordert seine Hilfe an.

Den „Befehl Nummer 1“ veröffentlichte er im Internet, versehen mit dem Wappen des „Sonnenstaatlandes“ und „im Original gezeichnet“ unter anderem von Vertretern der Querdenker-Bewegung.

Flutkatastrophe: Ex-Soldaten spielen sich wie Ordnungskräfte auf

Die Fluthelfer sollen sich wie Ordnungskräfte aufgespielt haben. Die Bevölkerung hatte Schwierigkeiten, die Truppe von der echten Bundeswehr zu unterscheiden. Zudem musste die Polizei sogar per Twitter vor ihr warnen, weil sie mit einem polizeiähnlichen Fahrzeug unterwegs war und per Lautsprecherdurchsage Falschinformationen verbreitete.

Ist E. ein Spinner? Oder ein gefährlicher Mann? Patrick Sensburg, Innenexperte der CDU im Bundestag und Präsident des Reservistenverbandes, ist sich da noch nicht ganz sicher. „E. suggeriert, er sei eine Einsatzkraft und habe Befehlsgewalt, und das geht nicht“, sagte der Politiker dieser Zeitung. Auch interessant: "Querdenker"-Demo in Berlin: Polizei entsetzt über Kinder beim Protest

Die Bundeswehr leistete in den Überflutungsgebieten wertvolle Hilfe. Offenbar mischten sich aber auch ehemalige Soldaten, die den Reichsbürgern nahe stehen, unter die Helfer.
Die Bundeswehr leistete in den Überflutungsgebieten wertvolle Hilfe. Offenbar mischten sich aber auch ehemalige Soldaten, die den Reichsbürgern nahe stehen, unter die Helfer. © AFP | Sascha Schuermann

Der frühere Oberst E. soll dem „Veteranen-Pool“ nahestehen

E. wird auch eine Nähe zum selbst ernannten „Veteranen-Pool“ nachgesagt, einer Gruppe von ehemaligen Mitgliedern der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der DDR. Auf ihrer Internetseite gibt die Organisation als Aufgabe an, sich bei Demonstrationen „friedlich in die erste Reihe zwischen Demonstranten und Polizei zu stellen“. Mehr zum Hochwasser: Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung?

Damit solle den Demonstranten ein „symbolischer Rückhalt“ gegeben und der Polizei gezeigt werden, „was es bedeutet, zu dem einmal abgelegten Eid auf die freiheitlich demokratische Grundordnung zu stehen und dass Veteranen bereit sind, sich schützend vor das Volk, den Souverän, zu stellen“.

CDU-Politiker Patrick Sensburg warnt vor „Durchgeknallten“

Für Sensburg ist die Nähe zu Reichsbürgern und Querdenkern offensichtlich. „Diese Gruppe lehnt staatliche Autoritäten ab“, sagt er. Wie viele Menschen sich dem „Veteranen-Pool“ angeschlossen haben, ist nicht bekannt. Sensburg rechnet mit ein paar Dutzend Unterstützern deutschlandweit. Lesen Sie auch: Querdenker sammeln Geld für Flut-Opfer – Paypal sperrt Konto

„Trotzdem müssen wir mit denen sehr sensibel umgehen“, sagt er. „Wer kann denn ausschließen, dass da nicht auch Waffenbesitzer dabei sind, die irgendwann einmal vor dem Bundestag oder dem Kanzleramt in Berlin auftauchen? Auch von Durchgeknallten können Gefahren ausgehen.“ Der Verfassungsschutz sei alarmiert.

Der Reservistenverband hat den Ex-KSK-Offizier angezeigt

E. selbst ordnet der CDU-Bundestagsabgeordnete dem „rechtskonservativen bis rechtsextremen Lager“ zu. Der ehemalige Offizier war bei der Bundeswehr alles andere als ein kleines Licht. Beim Kommando Spezialkräfte (KSK) war er Oberstleutnant. Nach seiner aktiven Zeit äußerte er den Satz: „Man sollte das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen. Dann könnt ihr mal sehen, was die können.“

Der Reservistenverband hat E. angezeigt. Vorwurf: Amtsanmaßung und Missbrauch von Titeln nach Paragraf 132 des Strafgesetzbuches. Und Mitglied soll der ehemalige Soldat auch nicht mehr sein: „Wir haben ein Ausschlussverfahren eingeleitet“, sagt Sensburg. Auch interessant: Volker Bruch auf Querdenker-Demo: Das sagt der Schauspieler

„Der Staat darf ein solches Verhalten nicht dulden“

Disziplinarrechtlich könne man ihm die Ruhestandsbezüge kürzen und das Tragen der Uniform untersagen. „Der Staat darf ein solches Verhalten nicht dulden“, sagt er. „Diese Menschen glauben offenbar, dass sie bald die staatliche Ordnung übernehmen können und fürchten deshalb keine Konsequenzen. Hier muss der Rechtsstaat unmissverständlich deutlich machen, dass so ein Verhalten, was an Selbstjustiz grenzt, nicht toleriert wird.“

Unterstützer bei der Truppe und beim Reservistenverband habe E. nicht, sagt Sensburg. „Ich glaube nicht, dass aktive Soldaten oder Reservisten hinter ihm stehen. Aber verirrte Geister können eben auch eine Gefahr darstellen.“ Auch interessant: Nena gegen Corona-Maßnahmen - Fans verlassen Konzert