Berlin. Der Impf-Vorsprung anderer Länder ist mitunter groß. Die schleppende Immunisierung kann für die Bundesregierung gefährlich werden.
Deutschland erlebt in diesen grauen Januartagen ein Gemeinschaftserlebnis der unangenehmen Art. Es geht um die Impftermine. Und als hätten wir nicht schon genug Lebenszeit eingesperrt verbracht, hängen jetzt Millionen in telefonischen Warteschleifen fest, um für sich selbst oder betagte Angehörige den begehrten Impftermin zu ergattern.
Obwohl die Infrastruktur schon lange steht, heißt es meist: „Leider haben wir aktuell keinen Impfstoff. Bitte versuchen Sie es morgen noch einmal.“ Lesen sie auch: Tote nach Corona-Impfung? Das ist dran an Impfstoff-Mythen
Beschaffung und Verteilung: Der Ton ist grob geworden
Der Frust ist groß, und man muss natürlich genau trennen: zwischen den nicht beeinflussbaren Gegebenheiten einer modernen Impfstoffproduktion – und Fehlern bei der Bestellung, Beschaffung und Verteilung.
Der Ton ist bei diesem Thema grob geworden, sogar innerhalb der Regierungskoalition. In der Union wittert man Verrat durch den Koalitionspartner. Es wäre besser, man hielte den Ball flacher.
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Manch Corona-Krisenmanager mit selbstgerechter Pose
In dieser Frage, bei der es um Leben und Tod geht, muss Kritik erlaubt sein. Von der Opposition, vom kleineren Regierungspartner und natürlich vom Bürger, der manch selbstgerechte Pose der Corona-Krisenmanager einfach satt hat.
Man wird nach der Pandemie mögliche Versäumnisse und Fehlleistungen systematisch aufarbeiten müssen. Am besten in einem Experten-Ausschuss, der Zugang zu allen Informationen bekommt. Dabei geht es nicht darum, dem politischen Gegner möglichst viel zu schaden.
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Aus Fehlern lernen – die nächste Pandemie kommt
Der Bürger muss erwarten können, dass die Akteure bestmöglich aus Fehlern lernen – denn die nächste Pandemie kommt bestimmt. Es geht um über 50.000 Tote, entgangene Freiheitsrechte und einen Milliardenschaden für die Wirtschaft. Verglichen damit hat sich die Politik schon mit Banalitäten in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen beharkt.
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Zu den Fehlern, die es dann zu besprechen gibt, sollte einer nicht dazugehören: dass man sich von den Monopolisten bei der Impfstofflieferung alles hat bieten lassen. Es gibt irritierende Nachrichten von Herstellern wie Astrazeneca, die lapidar ihre Zusagen bei der Lieferung nicht einhalten.
Oder über Abrechnungsmodalitäten bei Biontech. Weil man statt fünf sechs Impfdosen aus den Fläschchen gewinnen kann, sollten 20 Prozent mehr Impfstoff verfügbar sein – das ist ein Gesetz der Logik. Davon will man bei Biontech jetzt offenbar nichts mehr wissen. Das irritiert viele zu Recht.
Engmaschig kontrollieren und eingreifen
Ein starker Staat muss die Impfstoffproduktion engmaschig kontrollieren und eingreifen, wenn es zu unnötigen Engpässen kommt. Dabei müssen die Regeln der Marktwirtschaft nicht außer Kraft gesetzt werden. Man kann für Dienstleistung und Ware entsprechend zahlen. Lesen Sie hier: Corona: Jens Spahn will keine Sonderrechte für Geimpfte
Es darf aber niemandem in der Regierung egal sein, dass andere Länder verglichen mit Deutschland einen eindrucksvollen Vorsprung haben.
Politische Eitelkeit und falschen Ehrgeiz vermeiden
Das Wichtigste aber ist: Im Krisenmanagement rund um die Impfungen dürfen sich die Verantwortlichen jetzt keine Fehler mehr erlauben. Es müssen die klügsten Köpfe hinzugezogen werden. Niemand darf mit politischer Eitelkeit oder falschem Ehrgeiz auf der wichtigsten Wegstrecke gegen die Pandemie im Weg stehen. Sonst sterben unnötig Menschen.
Und auch politisch wäre es lebensgefährlich. Schließlich ist jetzt schon klar: Wer in der Pandemiebekämpfung die Bürger nicht überzeugt, kann die Bundestagswahl im kommenden Herbst vergessen. Das Virus aus China hat nicht nur unser Leben auf den Kopf gestellt. Es wird am 26. September auch über die Macht in Deutschland entscheiden.