Berlin/Frankfurt. Die Ex-Grüne ist offenbar mit Corona infiziert, ihre Lesungen sind abgesagt. Jetzt startet die Publizistin einen ungewöhnlichen Aufruf.

Als sie schon mehrere Nächte mit Gliederschmerzen, Fieber und Husten durchlebt hatte, schreibt Jutta Ditfurth einen Eintrag bei Twitter. „Ich schaffs nicht ohne Eure Hilfe“, formuliert sie. „Erst wochenlang grippekrank, jetzt 3. Tag Covid19.“ Und: „Was soll ich noch sagen?“

Darunter postet Ditfurth, einst Grünen-Mitgründerin und Vorsitzende, heute Politikerin in ihrer eigenen linken Splitterpartei in Frankfurt und Publizistin, ihre Kontonummer.

Viele Künstler, freischaffende Autoren, Musiker, Buchautoren sind schwer getroffen von den Folgen der Pandemie. Vielerorts im Internet gibt es Spendenaufrufe für Künstler oder Klubs, die nun möglicherweise für Monate ihre Türen schließen mussten. Ditfurth ist die erste Prominente unter ihnen, die so direkt um Spenden bittet. Diese Prominenten sind mit dem Coronavirus infiziert.

Kein Einkommen, keine Notreserve, keine Aussicht, wie lange der Ausnahmezustand anhält. Jutta Ditfurth legt ihren digitalen Hut auf das Twitter-Pflaster.

Jutta Ditfurth: „Unser Gesundheitswesen ist kaputt gespart“

Alle ihre 15 Lesungen und Vorträge bis zum Sommer seien abgesagt worden, erklärt die Publizistin im Telefonat mit unserer Redaktion. Ausfallhonorar im Fall der Pandemie: Gebe es nicht. „Zudem wissen ja viele dieser Klubs, Buchhandlungen und Theater selbst nicht, wie es weitergehen soll“, sagt Ditfurth. Derzeit arbeite sie an einem neuen Sachbuch. „Ich muss Vorträge halten, um mein Schreiben zu finanzieren.“ Leicht gefallen sei ihr der Spendenaufruf nicht.

Politik, sagt Ditfurth, mache sie seit 40 Jahren ehrenamtlich. Obwohl schon 68 Jahre alt, arbeite sie weiter als Publizistin und Politikerin. Die Rente würde nicht zum Leben reichen, sagte sie im Interview mit „Spiegel Online“.

Die Aufwandsentschädigung von gut 1000 Euro für ihre Arbeit als Stadtverordnete in Frankfurt fließe in die Geschäftsstelle ihrer Partei. Weil ihre Partei nur zu zweit im Parlament sitze, bekäme sie nicht das Geld, das einer Fraktion mit mindestens drei Verordneten zustehe. Das seien allein 150.000 Euro, die ihrer politischen Arbeit entgehe.

Coronavirus- Diese Promis sind mit dem Virus infiziert

Schlagersängerin Marianne Rosenberg (65, „Er gehört zu mir“) hat nach eigenen Angaben eine Covid-19-Erkrankung überstanden. Ende März habe sie erste Symptome bemerkt: „Ich hatte Fieber und Erkältungssymptome und wurde positiv getestet. Das Ergebnis waren zwei Wochen häusliche Quarantäne, die ich noch um eine Woche verlängert habe.“ Mittlerweile geht es ihr wieder gut. „So lange die Wohnung nicht verlassen zu können und permanent über das Virus nachzudenken, war wirklich eine fast bedrohliche Erfahrung“, sagte Rosenberg weiter.
Schlagersängerin Marianne Rosenberg (65, „Er gehört zu mir“) hat nach eigenen Angaben eine Covid-19-Erkrankung überstanden. Ende März habe sie erste Symptome bemerkt: „Ich hatte Fieber und Erkältungssymptome und wurde positiv getestet. Das Ergebnis waren zwei Wochen häusliche Quarantäne, die ich noch um eine Woche verlängert habe.“ Mittlerweile geht es ihr wieder gut. „So lange die Wohnung nicht verlassen zu können und permanent über das Virus nachzudenken, war wirklich eine fast bedrohliche Erfahrung“, sagte Rosenberg weiter. © dpa | Jens Kalaene
Die britische Sängerin Marianne Faithfull (73, „Broken English“) wurde wegen ihrer Coronavirus-Infektion 22 Tage lang in einem Krankenhaus behandelt. Faithfull dankte dem staatlichen Gesundheitssystem NHS, das ihr „ohne Zweifel das Leben gerettet“ habe. In den vergangenen Jahren litt sie wiederholt unter gesundheitlichen Problemen.
Die britische Sängerin Marianne Faithfull (73, „Broken English“) wurde wegen ihrer Coronavirus-Infektion 22 Tage lang in einem Krankenhaus behandelt. Faithfull dankte dem staatlichen Gesundheitssystem NHS, das ihr „ohne Zweifel das Leben gerettet“ habe. In den vergangenen Jahren litt sie wiederholt unter gesundheitlichen Problemen. © AFP | Guillaume Souvant
Auch US-Sängerin Pink war positiv auf das Coronavirus getestet worden. Zuvor hatten sie und ihr dreijähriger Sohn Symptome gezeigt. Inzwischen seien alle wieder gesund, teilte die 40-Jährige auf Instagram mit.
Auch US-Sängerin Pink war positiv auf das Coronavirus getestet worden. Zuvor hatten sie und ihr dreijähriger Sohn Symptome gezeigt. Inzwischen seien alle wieder gesund, teilte die 40-Jährige auf Instagram mit. © Getty Images | Jeff Spicer
Der US-Film- und Theaterschauspieler Mark Blum ist mit 69 Jahren an den Folgen von Covid-19 gestorben. Die Infektion hatte zu Komplikationen geführt. Blum wurde mit Filmen wie „Desperately Seeking Susan“ und „Crocodile Dundee“ bekannt.
Der US-Film- und Theaterschauspieler Mark Blum ist mit 69 Jahren an den Folgen von Covid-19 gestorben. Die Infektion hatte zu Komplikationen geführt. Blum wurde mit Filmen wie „Desperately Seeking Susan“ und „Crocodile Dundee“ bekannt. © dpa | Henry McGee
Die Publizistin und Ex-Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth hat sich ebenfalls angesteckt.
Die Publizistin und Ex-Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth hat sich ebenfalls angesteckt. © imago/Horst Galuschka | Horst Galuschka
Auch Boris Johnson zählt zu den Coronavirus-Infizierten. Der britische Premierminister musste auf der Intensivstation eines Londoner Krankenhauses behandelt werden.
Auch Boris Johnson zählt zu den Coronavirus-Infizierten. Der britische Premierminister musste auf der Intensivstation eines Londoner Krankenhauses behandelt werden. © AFP | -
Der britische Prinz Charles war positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden. Das teilte der Palast am 25. März mit. Der 71-Jährige habe nur milde Symptome gezeigt. Er sei wieder gesund, hieß es.
Der britische Prinz Charles war positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden. Das teilte der Palast am 25. März mit. Der 71-Jährige habe nur milde Symptome gezeigt. Er sei wieder gesund, hieß es. © dpa | Andrew Matthews
Der wegen Sexualverbrechen verurteilte Ex-Filmmogul Harvey Weinstein hat sich ebenfalls mit dem Coronavirus infiziert. Der 68-Jährige hat sich vermutlich im Gefängnis bei Mitinsassen angesteckt.
Der wegen Sexualverbrechen verurteilte Ex-Filmmogul Harvey Weinstein hat sich ebenfalls mit dem Coronavirus infiziert. Der 68-Jährige hat sich vermutlich im Gefängnis bei Mitinsassen angesteckt. © AFP | Johannes Eisele
Fürst Albert II. von Monaco war positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getestet worden. Der Gesundheitszustand des 62-Jährigen gebe aber keinen Grund zur Sorge, teilte der Fürstenpalast mit. Mittlerweile ist die Quarantäne des Fürsten und seiner Familie beendet.
Fürst Albert II. von Monaco war positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getestet worden. Der Gesundheitszustand des 62-Jährigen gebe aber keinen Grund zur Sorge, teilte der Fürstenpalast mit. Mittlerweile ist die Quarantäne des Fürsten und seiner Familie beendet. © dpa | Gao Jing
Der spanische Opernsänger Plácido Domingo machte seine Infektion mit dem Coronavirus am 23. März auf Facebook öffentlich. Der 79-Jährige habe Symptome wie Fieber und Husten gehabt und wurde in einem Krankenhaus in Mexiko behandelt. Er wurde aber wieder entlassen – es gehe ihm besser, berichtet das Magazin „Rolling Stone“.
Der spanische Opernsänger Plácido Domingo machte seine Infektion mit dem Coronavirus am 23. März auf Facebook öffentlich. Der 79-Jährige habe Symptome wie Fieber und Husten gehabt und wurde in einem Krankenhaus in Mexiko behandelt. Er wurde aber wieder entlassen – es gehe ihm besser, berichtet das Magazin „Rolling Stone“. © Getty Images | Carlos Alvarez
Schauspieler Idris Elba, der potenzielle nächste James Bond, ist mit dem Coronavirus infiziert. Seine Frau, Model Sabrina Dhowre, ließ sich nicht testen. Ihr geht es gut.
Schauspieler Idris Elba, der potenzielle nächste James Bond, ist mit dem Coronavirus infiziert. Seine Frau, Model Sabrina Dhowre, ließ sich nicht testen. Ihr geht es gut. © Getty Images | Jeff Spicer
Auch „Game of Thrones“-Schauspieler Kristofer Hivju hat sich infiziert und berichtet auf Instagram über leichte Symptome wie bei einer Erkältung. Auf dem Foto ist er zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Gry Molvaer Hivju, zu sehen.
Auch „Game of Thrones“-Schauspieler Kristofer Hivju hat sich infiziert und berichtet auf Instagram über leichte Symptome wie bei einer Erkältung. Auf dem Foto ist er zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Gry Molvaer Hivju, zu sehen. © imago images/Starface
Auch James-Bond-Schauspielerin Olga Kurylenko wurde positiv getestet – ist aber wieder genesen.
Auch James-Bond-Schauspielerin Olga Kurylenko wurde positiv getestet – ist aber wieder genesen. © imago images/MediaPunch
Ebenfalls infiziert: die Frau des kanadischen Premierministers Justin Trudeau, Sophie Grégoire Trudeau. Sie hat das Virus mittlerweile überwunden.
Ebenfalls infiziert: die Frau des kanadischen Premierministers Justin Trudeau, Sophie Grégoire Trudeau. Sie hat das Virus mittlerweile überwunden. © AFP | GEOFF ROBINS
Grünen-Chef Cem Özdemir war infiziert, wie er über Instagram mitteilte. Er ist wieder genesen.
Grünen-Chef Cem Özdemir war infiziert, wie er über Instagram mitteilte. Er ist wieder genesen. © dpa | Marijan Murat
Auch Oliver Pocher und seine Frau Amira hatten sich angesteckt. Beide waren in Quarantäne – dürfen das Haus inzwischen aber wieder verlassen.
Auch Oliver Pocher und seine Frau Amira hatten sich angesteckt. Beide waren in Quarantäne – dürfen das Haus inzwischen aber wieder verlassen. © dpa | Rolf Vennenbernd
Zuvor war ebenfalls der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff positiv getestet worden.
Zuvor war ebenfalls der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff positiv getestet worden. © imago images/Horst Galuschka
Und auch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat sich mit dem Virus angesteckt. Mittlerweile hat er die Infektion überstanden.
Und auch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat sich mit dem Virus angesteckt. Mittlerweile hat er die Infektion überstanden. © Getty Images | Maja Hitij
Gezwungenermaßen zu Hause musste auch Fernsehmoderator Johannes B. Kerner bleiben. Er hatte sich infiziert und ist inzwischen wieder geheilt.
Gezwungenermaßen zu Hause musste auch Fernsehmoderator Johannes B. Kerner bleiben. Er hatte sich infiziert und ist inzwischen wieder geheilt. © dpa | Uli Deck
Auch der Fußballer und Hannover-96-Profi Jannes Horn hat sich angesteckt – und sich wieder von der Infektion erholt.
Auch der Fußballer und Hannover-96-Profi Jannes Horn hat sich angesteckt – und sich wieder von der Infektion erholt. © imago images/Joachim Sielski
Hollywood-Star Tom Hanks und seine Frau Rita Wilson wurden positiv getestet. Beiden geht es inzwischen wieder besser.
Hollywood-Star Tom Hanks und seine Frau Rita Wilson wurden positiv getestet. Beiden geht es inzwischen wieder besser. © AFP | ROBYN BECK
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Ditfurth hat Geschmackssinn verloren: Typisches Symptom für Covid-19-Erkrankung

Die Corona-Krise verfolgt Ditfurth nun als Politikerin – und als Patientin. Sie hat einst Medizinsoziologie studiert, in Krankenhäusern geforscht. Heute sagt sie: „Wir haben längst ein kaputt gespartes Gesundheitswesen.“ Es gebe zu wenige Pflegekräfte im Krankenhaus, zu „miese“ Bezahlung, „zu viele Überstunden“. Dass Pflegekräften in Zeiten der Pandemie in vielen Städten beklatscht würden für ihren Einsatz in der Krise, sei „ja ganz nett“, sagt die linke Politikerin. „Aber wer steht im Arbeitskampf auf ihrer Seite?“

Auch Ditfurth berichtet, dass sie nicht auf den Corona-Virus getestet worden sei. „In Frankfurt bekommt keine Covid19-Erkrankte einen Test, wenn sie nicht aus einem Risikogebiet wie Südtirol kommt.“ Ditfurth habe nun die Symptome mit ihrem Arzt besprochen. Weil sie gerade erst eine schwere Grippe gehabt hatte, sei nun eine Infektion mit Corona „ziemlich sicher“. Zudem habe sie noch den Geschmackssinn verloren, ein typisches Symptom einer Infektion mit dem Coronavirus. Dennoch würde sie sich gerne testen lassen. Hintergrund: Was Sie über den Corona-Test wissen müssen.

Ditfurth bekomme viele „liebenswürdige Schreiben“ auf ihren Spendenaufruf

Die Reaktion auf ihren Spendenaufruf sei überwiegend positiv, sagt Ditfurth. Sie bekomme Zuspruch, „viele liebenswürdige Schreiben“ – und Spenden. Auch von Menschen, die ihre politische Haltung nicht teilen: „Ein paar tausend Euro kommen sicherlich zusammen.“

Die Bundesregierung will in der Krise Solo-Selbstständigen mit Milliarden helfen. Bis zu 9000 Euro für drei Monate können auch Freiberufler und Künstler beantragen. Geld, das auch Ditfurth helfen kann.

Vor allem das Netz ist in der Corona-Pandemie zu einem Ort der Solidarität geworden. Zu einem Treffpunkt in Zeiten von Kontaktverboten. Zu einer Chance für Künstler und Autoren, trotz Verdienstausfall noch an Geld zu kommen.

Künstler geben Konzerte per Live-Video aus ihrem Wohnzimmer. Gegen Spende. Viele rufen online dazu auf, Tickets für Veranstaltungen nicht zurückzugeben – und so die Künstler oder Buchautoren zu unterstützen. In einer Online-Petition ruft ein Sänger zur Hilfe für Freischaffende auf. Fast 300.000 unterzeichneten schon.

Extreme Rechte forcieren die Häme gegen Ditfurth im Netz

Die Publizistin Ditfurth hat auch eine andere Seite kennengelernt. Sie erlebt eine Welle von Hetze und Häme. Unter dem Spendenaufruf bei Twitter sammeln sich Hunderte Kommentare, die ihr „schäbigen Charakter“ vorwerfen. Die ihr raten, bei der Ernte zu helfen, weil jetzt Erntehelfer gesucht würden. Das sind noch die freundlichen Angebote.

Viele nehmen ihr die Not nicht ab. Jutta Ditfurth sagt: Zu glauben, sie sei reich, nur weil sie bekannt sei – das sei ein Irrtum.

Wer die Hetze gegen Ditfurth verstehen will, muss in ihre Biografie schauen. Sie reist seit vielen Jahren durch das Land und hält Vorträge zu Antisemitismus, zu rechten Verschwörungstheoretikern, zu Rassismus. Schon zu ihrer Zeit bei den Grünen gehörte sie zum Linksaußen-Flügel, ist bei den Protesten in Brokdorf und gegen die Startbahn-West dabei. Heute trägt ihre Partei, ÖkoLinX-Antirassistische Liste, Antirassismus schon im Namen.

Drohungen gegen Ditfurth: Kot im Briefkasten, Feuer im Hauseingang

Und als Publizistin und Politikerin teilt Ditfurth auch aus – gegen Rechtsradikale, gegen die AfD, aber auch gegen Antisemiten im linken Spektrum. Auch provokant. Kurz vor dem starken Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland hatte sie auf Twitter noch kokettiert, mit ihrer Grippe „niesend“ durch die Reihen der AfD-Abgeordneten zu laufen. Ein Scherz, wie sie später hervorhebt. Das sei offensichtlich.

Ihre Positionen und ihre Biografie machen sie zum Feindbild für Rechte. Ihren Spendenaufruf nutzen Akteure wie der Rechtsextremist Martin Sellner und der neurechte Publizist Götz Kubitschek nun, um gegen sie anzugehen. Sie greifen die Stimmung im Netz gegen Ditfurth auf und forcieren sie.

„Dass gegen mich gehetzt wird oder ich bedroht werde, ist nicht neu für mich“, sagt Ditfurth. Schon in den 80er-Jahren hätten ihr Neonazis Kot in den Briefkasten geworfen, zweimal im Hauseingang des Mehrfamilienhauses, wo sie lebt, Feuer gelegt. „Ich habe damals gelernt, diese Angriffe nicht persönlich zu nehmen, sondern politisch“, sagt sie heute.