Berlin. „Nahles-Rente“: Erster Abschluss nach 22 Monaten. Verdi und Versicherungskonzern Talanx einigen sich auf neue Altersvorsorge.

Fast zwei Jahre lang galt die „Nahles-Rente“ als Ladenhüter. Als erste Gewerkschaft hat sich nun Verdi mit dem Versicherungskonzern Talanx auf ein neues Modell zur betrieblichen Altersvorsorge nach dieser Idee verständigt. Es wäre das erste Sozialpartnermodell in Deutschland nach dem neuen Gesetz.

Die wichtigsten Unterschiede zur bisherigen klassischen Betriebsrente: Die Nahles-Rente sieht keinen garantierten Zins mehr bei der Auszahlung der Renten vor. Der Arbeitgeber wird aus dieser Haftung genommen. Noch ist der Vertrag nicht unterschrieben, da technische Details geregelt werden müssen. Die Vereinbarung soll aber bis zum 1. Januar 2020 abgeschlossen werden, teilten die Sozialpartner am Donnerstag mit.

Unter der damaligen Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hatte die große Koalition 2017 das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) verabschiedet. Dieses trat zum 1. Januar 2018 in Kraft. Die Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen die Bedingungen für die Versicherungen selbst regeln – sie aushandeln, steuern und kontrollieren.

Bei der „Nahles-Rente“ wird ein Rendite von 3,8 Prozent erwartet

Aktuell besitzen laut Statista rund 17,4 Millionen Personen in Deutschland eine Betriebsrente. Die meisten sind oder waren in tarifgebundenen Unternehmen beschäftigt. Ziel der neuen Rente ist es, auch kleinere und mittlere Unternehmen dazu zu bewegen, ihren Beschäftigten Betriebsrenten anzubieten. Sie ist eine Ergänzung zur gesetzlichen Rente.

Um die Arbeitgeber in der aktuellen Niedrigzinsphase zu entlasten, müssen diese in dem neuen Modell nicht mehr dafür haften, falls sie die Renditeversprechen für die Rentenzahlungen nicht einhalten können. Hohe Renditen sind derzeit mit sicheren Anlageformen kaum noch zu erzielen. Trotzdem hielten die Gewerkschaften an der Zinsgarantie fest – nach 22 Monaten schien der Nahles-Rente das Aus zu drohen.

Talanx und Verdi beschreiten als Erste den neuen Weg. Basis des Sozialpartnermodells ist ein Haustarifvertrag, sagt Fabian von Löbbecke, Talanx-Vorstand für betriebliche Altersversorgung, der zugleich mitverantwortlich ist für die Deutsche Betriebsrente. Die Grundsätze stehen, Details sind noch zu erarbeiten. Von dem neuen Altersvorsorgemodell können zunächst die 12.000 Talanx-Mitarbeiter profitieren. Wenn sie wollen – der Abschluss ist freiwillig.

Bieten bald auch andere Gesellschaften die „Nahles-Rente“ an?

Allerdings könnte der Abschluss für andere Unternehmen eine Pilotfunktion haben. So könnte ihn Verdi als Blaupause für andere Unternehmen nutzen. Ganz konkret will auch die Zurich Versicherungsgruppe nach Unternehmensangaben demnächst Verhandlungen mit Verdi dazu aufnehmen.

„Wir haben bei diesem neuen Modell keine Garantieverpflichtungen mehr als Anbieter“, erläutert von Löbbecke. „Wir dürfen keine Rentenhöhe garantieren. Die Rente kann in beide Richtungen schwanken – sie kann fallen oder steigen.“ Dies biete auch Vorteile. „Nur dadurch haben wir die Chance, eine offensivere Kapitalanlage zu betreiben. Wir können risikoreicher investieren“, meint von Löbbecke. Der Talanx-Vorstand geht davon aus, „dass man mit diesem Modell 50 Prozent mehr Rente erzielen kann als in einem klassischen Modell.“

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    In der Regel zahlt der Arbeitgeber bei Betriebsrenten den gleichen Beitrag ein wie der Arbeitnehmer. „Wir erwarten derzeit bei unserem Modell eine Rendite von 3,8 Prozent, da wir je zur Hälfte in Aktien und Rentenpapiere investieren können“, sagte von Löbbecke. Talanx geht die Rente finanzstark an: „Wir haben 100 Millionen Euro als Startkapital in die Deutsche Betriebsrente hineingegeben – je 50 Millionen Euro von Talanx und 50 Millionen von Zurich.“

    Für die Arbeitnehmer könne das neue Modell „ein sinnvoller Baustein für finanzielle Sicherheit im Alter sein“, meint Martina Grundler, Berufsfachgruppenleiterin Versicherungen bei Verdi. „Dass Talanx als erster Arbeitgeber in Deutschland dieses neue Vorsorgeinstrument nun gemeinsam mit uns einzuführen plant, ist gerade für Beschäftigte mit geringen Einkommen ein wichtiger Schritt bei der Absicherung gegen die Altersarmut und kann als Muster für andere Unternehmen dienen.“

    Die Linken hatten in dieser Woche eine sofortige Rentenerhöhung für den Osten gefordert. Laut einem bericht verzichtet die Hälfte Bedürftiger Senioren auf Grundsicherung. Beim Thema Grundrente fand die Große Koalition erneut keinen Kompromiss. Rund 80 Prozent der Deutschen haben Angst vor Altersarmut. (mis)