Berlin. Beim Thema Rente ziehen die Parteien mit einigen radikalen Ideen in den Bundestagswahlkampf. Es geht auch um die Doppelbesteuerung.

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind mit einigem Zeitverzug auch bei den Rentnern angekommen: Die Altersbezüge im Westen werden 2021 gar nicht erhöht, im Osten nur minimal um 0,72 Prozent. Es ist die erste Nullrunde seit der Finanzkrise 2010 - und sie fällt ausgerechnet ins Jahr der Bundestagswahl.

Die Rentenpolitik wird im Wahlkampf der Bundestagswahl erneut ein großes Thema werden. Allen Parteien ist klar: Der Handlungsbedarf bei der Alterssicherung ist groß. Und seit dem jüngsten Rentenurteil des Bundesfinanzhofs zur Doppelbesteuerung der Altersbezüge gibt es ein zusätzliches drängendes Thema, mit dem sich die Wahlkämpfer zu beschäftigen haben.

Rente: Was die Parteien in ihren Wahlprogrammen stehen haben

Olaf Scholz hat unmittelbar nach dem Richterspruch eine Reform der Einkommensteuer angekündigt. Dabei soll auch die Besteuerung der Rentenbeiträge in Angriff genommen werden. als Zeitrahmen nennt Scholz die nächste Legislatur nach der Bundestagswahl.

Auch sein politischer Wettbewerber, CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, hatte vor kurzem eine parteiübergreifende Rentenreform für die Zeit nach der Wahl angeregt. Er wolle einen großen gesellschaftlichen Konsens, „gerne auch mit einer Rentenkommission, in der alle beteiligt sind», sagte Laschet.

Vor der Abstimmung am 26. September dürfte es eine solche Verständigung jedoch nicht mehr geben. Bis zur Wahl kämpft jede Partei für sich und versucht, vor allem für die eigenen Ideen werben. In ihren Wahlprogrammen machen die Parteien etliche Vorschläge zur Rente.

In vielem unterscheiden sie sich stark voneinander. Es gibt aber auch viele ähnliche Ideen. Das betrifft vor allem die Alterssicherung von Abgeordneten, Beamten und Selbstständigen, den Renteneintritt sowie Vorschläge zur Vorsorge mit Aktien.

CDU: Längere Lebensarbeitszeit und Vorsorgepflicht für Selbstständige

Die Unionsparteien haben noch kein gemeinsames Wahlprogramm. Am 21. Juni wollen CDU und die Schwesterpartei CSU ihre gemeinsamen inhaltlichen Ziele für die Bundestagswahl vorstellen, auch zum Thema Rente. Laschet hat sich jüngst bereits für einen späteren Renteneintritt ausgesprochen.

«Wir haben immer gesagt, wir brauchen eine längere Lebensarbeitszeit, wenn wir alle älter werden“, sagt Laschet und betont: „Die Einführung der Rente mit 67 war eine richtige Entscheidung.“ Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales Union im Bundestag, Peter Weiß, sieht noch eine Reihe anderer wichtiger Punkte, die es in der Rentenpolitik zu regeln gilt.

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Weiß nennt etwa eine Pflicht zur Altersvorsorge auch für Selbstständige. Sie sind derzeit - anders als abhängig Beschäftigte - keine Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung, können aber freiwillig Beiträge zahlen. Viele bevorzugen dennoch eine private Vorsorge etwa mit Aktien oder Immobilien. Andere sorgen gar nicht vor und sind damit oft trotz jahrzehntelanger Arbeit von Armut im Rentenalter bedroht.

Andere Selbstständige vernachlässigen hingegen die Absicherung fürs Alter und laufen damit Gefahr, am Ende ihres Arbeitslebens auf Grundsicherung angewiesen zu sein. Überdies schlägt Weiß vor, die betriebliche Altersvorsorge zu reformieren und für Geringverdiener leichter zugänglich zu machen. Derzeit wird sie vor allem von Gutverdienern genutzt.

SPD: Beamte, Abgeordnete und Selbstständige sollen auch in gesetzliche Rente einzahlen

Die SPD nennt in ihrem Programm zur Bundestagswahl „eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ab“. Es steigt seit einigen Jahren schrittweise auf 67 Jahre an. Eine Absenkung wird im Programm jedoch nicht vorgeschlagen.

Den Anspruch für besonders langjährig Versicherte, vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen können, will die SPD beibehalten. Die Genossen wollen zudem den Kreis der Beitragszahler in die gesetzliche Rentenversicherung ausweiten. Demnach sollen etwa auch Selbstständige, Beamte und Abgeordnete einzahlen.

Es gehe darum, die Sonderversorgungssysteme „auf lange Sicht zu überwinden“. Über die gesetzliche Rentenversicherung soll es für Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sich über freiwillige Beiträge zusätzlich abzusichern.

Bei der derzeitigen privaten Riester-Rente will die SPD die Kosten senken. Zudem soll es eine neue Form der privaten Altersvorsorge geben, die nicht von Gewinn orientierten Versicherungskonzernen, sondern „von einer öffentlichen Institution angeboten wird“, wie es im Programm heißt.

Grüne: Bürgerfonds statt Riester-Rente und flexibler Wechsel in den Ruhestand

Auch die Grünen wollen Selbstständige, die nicht anderweitig abgesichert sind, sowie Abgeordnete als Beitragszahler in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen. Die Grundrente wollen die Grünen zu einer „Garantie-Rente“ weiterentwickeln. Zur Höhe der Leistung macht die Partei keine Angaben.

Die Grünen halten in ihrem Wahlprogramm ebenfalls an der Rente mit 67 fest, wollen aber die Entscheidung über den Zeitpunkt des Renteneintritts stärker den Versicherten überlassen. Die Partei schlägt zudem eine kapitalgedeckte private Altersvorsorge als Nachfolgemodell zur Riester-Rente vor.

Ein öffentlich verwalteter Bürgerfonds soll mit breit gestreutem Risiko in Aktien investiert. Dadurch profitierten die Menschen „am Wertezuwachs der Wirtschaft“. Der Fonds soll politisch unabhängig verwaltet und sein Kapital nachhaltig angelegt werden. Jeder Bürger, der nicht widerspricht, soll einzahlen. Der Fonds soll auch als betriebliche Altersvorsorge angeboten werden.

Bundesfinanzhof fällt wegweisendes Urteil gegen Doppelbesteuerung von Renten

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    FDP: Einstieg in kapitalgedeckte Aktienrente und neue Maßnahmen gegen Doppelbesteuerung

    Die Liberalen wollen eine gesetzliche Aktienrente einführen. Von den 18,6 Prozent, die derzeit jeweils hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern als Beitrag an die Rentenversicherung gezahlt werden, sollen nach Vorstellung der FDP insgesamt zwei Prozent in einen unabhängig verwalteten, vollständig aktienbasierten Fonds fließen.

    Auch bei der betrieblichen Altersvorsorge soll es laut FDP-Wahlprogramm eine Aktienquote geben dürfen. Zudem sollen Pensionskassen und Versorgungswerke stärker am Kapitalmarkt Renditen erwirtschaften können. Das starre Renteneintrittsalter will die FDP abschaffen. Wer sich früher zur Ruhe setzen möchte und dafür Abschläge in Kauf nimmt, soll diese Möglichkeit haben.

    Im Gegensatz zu anderen Parteien will die FDP Selbstständigen nicht zur gesetzliche Rentenversicherung verpflichten, sondern ihnen „maximale Wahlfreiheit“ bei der Altersvorsorge geben. Um Doppelbesteuerung zu verhindern, soll die Beweislast umgekehrt werden: Nicht Rentner, sondern Finanzämter müssen belegen, dass es zu keiner Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte kommt.

    AfD: 20.000 Euro Beitragserstattung pro Kind und weiterhin Pensionen für Beamte

    Die tritt in ihrem Wahlprogramm ebenfalls für ein flexibles Renteneintrittsalter ein. Wer früher oder mit deutlich über 67 Jahren in Rente gehen will, soll dies tun dürfen. Ausschlag gebend für die Höhe der Bezüge sollen die Beitragsjahre sein.

    Auch die AfD will Politikerpensionen abschaffen und sie in die gesetzliche Rentenversicherung mit aufnehmen. Für Beamte bei Bundeswehr, Zoll, Polizei, Finanzverwaltung und Justiz soll das Pensionssystem jedoch erhalten bleiben.

    Eltern sollen nach dem Willen der AfD pro Kind Rentenbeiträge in Höhe von 20.000 Euro vom Staat erstattet bekommen, ohne dass sich der Rentenanspruch im Alter verringert. Die AfD will jungen Leuten auf diese Weise die Entscheidung für ein oder mehrere Kinder erleichtern sowie „Leistungsdruck aus den Familien nehmen und damit die Trennungsquote verringern“.

    Linke: Rente mit 67 abschaffen und Riester-Subventionen streichen

    Der Programmentwurf der Linken sieht ebenfalls vor, dass Abgeordnete sowie Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das Renteneintrittsalter soll auf 65 sinken. Wer mindestens 40 Jahre gearbeitet hat, soll bereits mit 60 ohne Abschläge in Rente gehen können.

    Eine Finanzierung der Rente über Aktien schließt die Linke aus. Wem im Alter ein Nettoeinkommen von unter 1200 Euro hat, soll eine steuerfinanzierte „Solidarische Mindestrente“ in dieser Höhe erhalten. Wer eine Riester-Rente hat, soll die Möglichkeit haben, sie in die gesetzliche Rente zu überführen.

    Die staatlichen Subventionen für die Riester-Rente sollen gestrichen und das Geld zur Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet werden. Betriebliche Altersvorsorge will die Linke überwiegend von den Arbeitgebern finanziert lassen.

    Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und der Pflege sollen bei der Rente höher bewerten werden. Zudem soll der Staat für anerkannte ehrenamtliche Tätigkeiten Rentenbeiträge einzahlen.

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