Berlin. Im Pazifik ist ein neues Verteidigungsbündnis entstanden. Es hat Frankreich einen Rüstungsdeal gekostet. Die Grande Nation schäumt.

Geknirscht hat es zwischen Paris und Washington schon öfter. Das Verhältnis zwischen der einzigen EU-Atommacht Frankreich und der militärischen Supermacht USA war immer wieder von Spannungen geprägt. Doch so schief wie derzeit hing der Haussegen unter den Nato-Verbündeten noch nie.

Auslöser der neuesten Verstimmung war ein am Mittwoch verkündetes Sicherheitsbündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien. Die drei Länder wollen der militärischen Expansion Chinas im Indopazifik Paroli bieten. Die Eindämmung der Volksrepublik gehört zu den außenpolitischen Top-Prioritäten von US-Präsident Joe Biden.

Australien entschloss sich zu einem spektakulären Schritt: Es ließ einen 56 Milliarden Euro schweren Deal mit Frankreich über die Lieferung von zwölf dieselbetriebenen U-Booten platzen. Stattdessen will Canberra Atom-U-Boote aus den USA beschaffen und mit Hilfe amerikanischer und britischer Nuklear-Technologie eigene U-Boote bauen.

U-Boot-Deal erzürnt Frankreich

Paris schäumte. Zum ersten Mal in der Geschichte der US-französischen Beziehungen berief Frankreich seinen Botschafter aus Washington zu Beratungen zurück. Unter Allianzpartnern gilt ein solcher Schritt als äußerst ungewöhnlich. Im Westen greift man in der Regel zu solchen Mitteln, um gegen das Vorgehen autoritärer Regime zu protestieren. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian warf den Vereinigten Staaten und Australien "Lüge" und "Doppelzüngigkeit" vor.

Biden habe eine "brutale" Entscheidung nach dem Motto seines Vorgängers "Amerika zuerst" getroffen. Le Drian ging jedoch noch weiter: Der U-Boot-Streit belaste auch die Nato. "Man muss auch die Stärke der Allianz mit den Vereinigten Staaten hinterfragen", betonte der Franzose. Die Nato müsse bei der Neubewertung ihrer Strategie auf ihrem Gipfeltreffen im kommenden Jahr die jüngsten Vorgänge berücksichtigen. Le Drian ist in diesem Kurs der Verbal-Torpedos die Stimme seines Herrn, Präsident Emmanuel Macron. Mehr zum Thema: Cyberattacke auf Nato-Länder – Was das für Deutschland heißt

Frankreichs Ruf steht auf dem Spiel

Frankreich fühlt sich aus mehreren Gründen schwer getroffen. Zum einen ist es ein Schlag gegen das Selbstbewusstsein der Grande Nation. Die einzig verbliebene Nuklearmacht in der EU ist eines von fünf permanenten Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat und betrachtet sich daher als weltpolitischer Spieler. Die offenbar kurzfristig erfolgte Information durch die Australier, den vor fünf Jahren vereinbarten U-Boot-Deal zu kippen, wurde als schroffe Zurückweisung und Demütigung empfunden.

Zweitens fürchtet Frankreich eine Beschädigung seiner Reputation als einer der größten Rüstungsexporteure. Drittens sieht sich Paris wegen seiner Überseegebiete wie Neukaledonien und Französisch-Polynesien als Großmacht im Pazifik.

Macron übt nicht zum ersten Mal scharfe Kritik an Amerika und der westlichen Militärallianz. In einem aufsehenerregenden Interview mit der britischen Zeitschrift "Economist" polterte Macron im November 2019: "Was wir derzeit erleben, ist der Hirntod der Nato." Macron bezog sich dabei auf die Geschehnisse in Syrien: Dort hätten die Nato-Staaten USA und Türkei ohne jede Absprache mit ihren Partnern gehandelt.

Die Türkei zeige ein "unkoordiniertes, aggressives" Vorgehen, wetterte der Präsident. Mit Blick auf Trump, dem er einen überhasteten Rückzug aus Syrien ankreidete, giftete Macron: "Wir finden uns das erste Mal mit einem amerikanischen Präsidenten wieder, der unsere Idee des europäischen Projekts nicht teilt."

Washington bemüht sich um Schadensbegrenzung

Auch unter Biden hätten die USA den Hang zu unabgestimmtem Verhalten, monieren die Franzosen. Der überstürzte Abzug aus Afghanistan unterstreiche dies ebenso wie die U-Boot-Volte. Für Paris heißt dies: Mehr Autonomie bei der Verteidigung der EU. "Wenn die Europäer nicht merken, dass sie sich zusammentun und gemeinsam ihre Interessen verteidigen müssen, wenn sie Teil der Geschichte bleiben wollen, dann wird ihr Schicksal ein ganz anderes sein. Wir können nicht in die schädliche Richtung gehen", so Le Drian.

In Washington versuchte man derweil, die Wogen zu glätten. Außenamtssprecher Ned Price betonte, Frankreich sei "unser ältester Partner". Doch mit warmen Worten wird man sich im Elysée nicht zufrieden geben. Macrons Sprecher Gabriel Attal kündigte zwar "in den allernächsten Tagen ein Telefonat" zwischen dem französischen und dem amerikanischen Staatschef an. "Wir wollen Erklärungen" zu dem, "was einem großen Vertrauensbruch gleichkommt", forderte Attal. Nach einer schnellen Beilegung des Konflikts klingt das nicht.