Moskau. Der russische Oppositionspolitiker Andrej Piwowarow ist im rollenden Flugzeug festgenommen worden. Er wollte nach Polen ausreisen.

  • In Russland haben Polizisten ein Flugzeug der polnischen Airline Lot auf dem Weg zur Rollbahn gestoppt
  • Sie nahmen daraufhin den russischen Oppositionspolitiker Andrej Piwowarow an Bord der Maschine fest
  • Der Fall erinnert an die Festnahme des belarussischen Bloggers Roman Protassewitsch, der vor zwei Wochen in einer Ryanair-Maschine festgenommen wurde

Vor den in wenigen Monaten stattfindenden Parlamentswahlen in Russland demonstrieren die Behörden weiter Härte gegen russische Oppositionelle. Nach eigenen Aussagen ist der prominente russische Oppositionspolitiker Andrej Piwowarow bei der Ausreise nach Polen an Bord eines Flugzeugs festgenommen worden.

Polizisten hätten die bereits rollende Maschine am Montagabend in St. Petersburg gestoppt, schrieb Piwowarow in seinem Telegram-Kanal. Die zuständige Ermittlungsbehörde erklärte am Dienstag, dem 39-Jährigen werde die Beteiligung an einer in Russland „unerwünschten Organisation“ vorgeworfen. Ihm drohen damit bis zu sechs Jahre Freiheitsentzug.

Der Fall erinnert an die Festnahme des belarussischen Bloggers Roman Protassewitsch. Die Regierung von Belarus hatte eine Maschine der Fluggesellschaft Ryanair zu einer Notlandung in Minsk gezwungen – mithilfe eines Kampfjets der belarussischen Luftwaffe. Der wohl vorgeschobene Grund: Eine Bombe an Bord des Linienflugs 4978 auf dem Weg von Athen (Griechenland) nach Vilnius (Litauen).

Ein Sprengsatz wurde nach der Landung in Belarus' Hauptstadt nicht gefunden – dafür aber Protassewitsch. Er wurde umgehend festgenommen. Der Oppositionelle war von Machthaber Alexander Lukaschenko international gesucht worden.

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    Der russische Oppositionspolitiker Piwowarow hatte bis vor kurzem die kremlkritische Organisation „Offenes Russland“ geleitet. Vor wenigen Tagen wurde die von dem im Ausland lebenden Kremlgegner Michail Chodorkowski unterstützte Gruppe in Russland zur „unerwünschten Organisation“ erklärt und damit faktisch verboten. Unter dem staatlichen Druck hatte Piwowarow daraufhin die Auflösung bekannt gegeben.

    Dass er nun trotzdem festgenommen wurde, bezeichnete er als „völlige Gesetzlosigkeit“. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer „Hexenjagd“ gegen „Offenes Russland“ und forderte die sofortige Freilassung Piwowarows.

    Piwowarow solidarisierte sich auf FB mit einer Oppositionspolitikerin

    Der Politiker sollte am Dienstag in die Stadt Krasnodar etwa 1200 Kilometer südlich von Moskau gebracht werden, meldete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf Sicherheitskräfte. Piwowarows Anwältin erklärte die Verlegung mit mehreren Facebook-Beiträgen, die ihr Mandant vor rund einem Jahr von Krasnodar aus veröffentlicht habe. In einem von ihnen habe er sich etwa mit einer von der russischen Justiz verfolgten Oppositionspolitikerin solidarisiert.

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      Am Dienstag berichtete außerdem der Moskauer Oppositionelle Dmitri Gudkow von einer Durchsuchung seiner Datscha. Auch die Wohnung eines Mitarbeiters sei betroffen, schrieb er auf Telegram. Der Druck auf die russische Opposition hat im Vorfeld der Parlamentswahlen im September stark zugenommen. Auch gegen die Organisationen des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny gehen die Behörden vor, nachdem diese jahrelang geduldet worden waren.

      (msb/dpa/afp)