Berlin. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will eine aktivere Sicherheitspolitik. Damit arbeitet sie vor allem auch an ihrem Image.

14 Jahre lang hielt Angela Merkel die Deutschen von vielen Brandherden fern. Irgendwann, nicht erst 2019, wurde die Kultur der Zurückhaltung in eine Unkultur des Heraushaltens umgedeutet. Nicht Merkel hatte sich verändert, aber der Blick auf sie.

Die Kanzlerin wirkt mit ihrer Außenpolitik wie aus der Zeit gefallen. Seit Jahren wird über eine Art Merkel-Biedermeier geklagt. Und nun ist der Choral am Ende ihrer Reise derart angeschwollen, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit einstimmt.

Ihre Rede vor der Bundeswehr-Universität in München ist ein Abgesang auf eine bestimmte Haltung: nämlich abwarten, ob andere handeln. Es ist nicht die Autorität von Außenminister Heiko Maas, die erschüttert wird. Da gibt es nichts zu erschüttern. Der SPD-Politiker ist nach Steinmeier, Westerwelle, Gabriel bereits Merkels vierter Außenminister. Abwarten und mitlaufen – das zielt auf die Kanzlerin. Die Ironie dabei ist: Merkel erging es am besten, wenn sie mitgelaufen ist, und handelte sich den größten Ärger ein, als sie voranging, zum Beispiel beim Atomausstieg und in der Flüchtlingspolitik.

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    Die Analyse der Verteidigungsministerin ist nicht falsch. Tatsächlich müssen die Europäer, allen voran Deutschland, mehr für die Verteidigung tun. Allein, es ist fast unmöglich, sich ausschließlich in der Sache mit AKK, wie sie genannt wird, auseinanderzusetzen. Immer muss man bedenken, dass sie CDU-Chefin ist und Kanzlerkandidatin werden will.

    Ämterehrgeiz verschafft ihr Gehör. Es geht nie allein um die Verteidigungspolitik, sondern immer auch um Machtfragen. AKK steht unter großem Profilierungsdruck, und in der CDU liegt es gerade im Trend, mehr Führung anzumahnen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble tut es, der Außenpolitiker Norbert Röttgen, erst recht Merkels ewiger Rivale Friedrich Merz. Jetzt bringen sich alle in Stellung, die sie beerben oder auch nur alte Rechnungen begleichen wollen.

    Würde Kramp-Karrenbauer tatsächlich in den Wahlkampf mit der Forderung nach mehr Militäreinsätzen ziehen, hätte sie es schwer. Die Position ist weder beim Volk noch in den Parteien mehrheitsfähig. Sie ist weder mit der SPD noch mit den Grünen oder der Linkspartei zu realisieren, allenfalls mit der FDP; und auch der Beweis müsste erst erbracht werden.

    Mehr (Kampf-)Einsätze sind auch schwer mit der Bundeswehr einzulösen. Wenn Kramp-Karrenbauer etwa davon redet, es sei an der Zeit, mehr Präsenz im indopazifischen Raum zu zeigen, sollte sie erst den deutsch-französischen Flugzeugträger bauen, den sie als CDU-Chefin ins Gespräch gebracht hat. Zu häufig fiel die Marine mit Schiffen auf, die nicht schwammen, und U-Booten, die nicht tauchen konnten.

    • Hintergrund: Nationaler Sicherheitsrat: Was die AKK-Offensive bedeutet

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    AKK muss sich Führungsanspruch mit guter Politik erarbeiten

    Sie sollte die Truppe auf Vordermann bringen und aus dem Erfolg ihren Führungsanspruch ableiten – nicht umgekehrt. In ihren ersten Amtsmonaten hat Kramp-Karrenbauer ein Gratisbahnticket für Soldaten und eine Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes im Irak durchgesetzt.

    Wenn man die Studenten in München in einem Jahr bitten würde, die Ankündigungen ihrer Ministerin einem Faktencheck zu unterziehen, wäre das Ergebnis ernüchternd. Ob es in einem Jahr eine Schutzzone in Syrien mit Beteiligung der Bundeswehr geben wird? Es wird schwer werden, am Irak-Einsatz festzuhalten, und in Afghanistan wird sich nach fast 20 Jahren die Sinnfrage stellen. Der Bundestag wird sich gegen jeden Versuch wehren, seine Mitspracherechte zu reduzieren. Und jeder Außenminister wird einen Nationalen Sicherheitsrat torpedieren, weil er sonst Bedeutung und Einfluss verliert.

    Was also ist reell an der Rede von AKK? Der Emanzipationsprozess von Merkel.