Paris/Berlin. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin spricht nach dem Attentat von Nizza von einem „Krieg gegen die islamistische Ideologie“.

Auch am Tag danach sitzt der Schock in Frankreich tief. Das brutale Attentat am Donnerstag in Nizza, bei dem ein Islamist drei Menschen in einer Kirche abgestochen hatte, hat alte Wunden aufgerissen. In der Politik wird die Sprache schärfer, der Ruf nach Konsequenzen lauter. Innenminister Gérald Darmanin malt eine neue Front auf.

Das Land befinde sich „im Krieg gegen die islamistische Ideologie“, die „eine Form des Faschismus im 21. Jahrhundert“ sei. Der Bürgermeister von Nizza, dessen Stadt bereits im Juli 2016 Opfer eines Terroranschlags mit 86 Toten wurde, fordert harte Konsequenzen aus der neuesten Attacke. Christian Estrosi macht sich für schärfere Flüchtlingskontrollen und eine landesweite Nutzung der elektronischen Gesichtserkennung stark. „Wir können den Krieg gegen diesen Feind nicht mit den Gesetzen des Friedens gewinnen“, sagt er.

Regierung sieht die Gefahr durch islamistische Attentäter von innen

Die französische Regierung sieht allerdings die Terrorgefahr vor allem von innen. Mehr als 90 Prozent der islamistischen Attentäter, die im Land Anschläge verübt hätten, seien französische Staatsbürger, heißt es. Ihre Radikalisierung finde fast ausschließlich in den Gefängnissen oder in den sozialen Brennpunkten der Vorstädte („banlieues“) statt, unterstreichen Sicherheitskreise. Innenminister Darmanin warnt: Das Risiko weiterer islamistischer Attacken sei „erheblich“.

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Nach Schätzungen leben in Frankreich zwischen fünf und sieben Millionen Muslime. Die meisten respektieren die Gesetze der Republik, die auf einer Trennung von Kirche und Staat beruhen. Das Problem besteht jedoch in der wachsenden Zahl der Muslime, die sich über die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen im Satiremagazin „Charlie Hebdo“ empören und gewaltbereit sind.

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Großes „Verständnis“ für Empörung über die Mohammed-Karikaturen

Laut einer im September veröffentlichten Umfrage des Ifop-Instituts hatten 83 Prozent der befragten Muslime „Verständnis“ für die in Ländern islamischen Glaubens geäußerte Empörung über die Mohammed-Karikaturen. Ein Viertel der muslimischen Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren erklärten, dass sie das Attentat auf „Charlie Hebdo“ nicht verurteilen könnten. 29 Prozent gaben an, dass in ihren Augen die Gebote des Korans wichtiger seien als die Gesetze der Republik.

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Der islamistische Terror hat bereits zu einem doppelten Riss in der französischen Bevölkerung geführt. Zum einem verstärkt er das Misstrauen vieler Franzosen gegenüber den Muslimen. Diese stammen in ihrer großen Mehrheit von nord- oder schwarzafrikanischen Immi­granten aus den ehemaligen Kolonien ab und fühlen sich häufig als Bürger zweiter Klasse. Zudem treiben die Gewaltbereitschaft und der Terror die Polarisierung zwischen gemäßigten und radikalen Moslems voran. Neuerdings bekommen „republiktreue“ Imame im Pariser Vororts Drancy Morddrohungen. Sie müssen unter Polizeischutz gestellt werden.

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