Berlin. Kriminelle prellen Ruheständler, die Rentenversicherung ist alarmiert. Die Opposition hält der Regierung mangelnde Aufklärung vor.

  • Seit Jahresanfang gibt es die Grundrente: Damit soll der Altersarmut bei Rentnern entgegengewirkt werden
  • Allerdings zeichnen sich einige Probleme ab, weil die Prüfung der Ansprüche langwierig ist
  • Viele Rentner sind verunsichert - das versuchen Trickbetrüger auszunutzen

Es ist ein Vorzeigeprojekt der großen Koalition. Zu Jahresbeginn wurde in Deutschland die Grundrente eingeführt. Damit erhalten langjährig Rentenversicherte mit geringem Verdienst in Zukunft einen monatlichen finanziellen Zuschlag auf ihre Altersbezüge – und zwar automatisch.

Das ist eigentlich ein bequemes Verfahren. Denn Rentner müssen nichts unternehmen, um die Grundrente zu beziehen. Die Behörden prüfen von sich aus, ob ein Anspruch besteht, berechnen die Aufschlagshöhe und organisieren die Auszahlung.

Einen Haken hat die Sache jedoch: Da die Prüfungen zeitaufwendig sind, fließt das Geld erst ab der zweiten Jahreshälfte. Denn bei knapp 26 Millionen Rentnern muss zunächst geklärt werden, ob ein Anspruch besteht. Sämtliche Grundrenten, die laut Gesetz bereits ab Januar fällig sind, werden rückwirkend überwiesen. Doch wie es aussieht, herrscht offenbar bei vielen Senioren Unsicherheit, was das Prozedere angelangt.

Grundrente: Kriminelle machen sich Unsicherheit von Senioren zunutze

Genau an dieser Stelle wittern Kriminelle eine Chance. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ist alarmiert und warnt eindringlich vor Betrugsversuchen. In mehreren Bundesländern wurden inzwischen entsprechende Fälle bekannt, darunter in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland.

Die Maschen der Trickbetrüger: Per Post verschicken sie gefälschte Frage- und Antragsbögen zur Grundrente. Hierin würden Senioren aufgefordert, „persönliche Angaben zu machen und sensible Daten wie die Bankverbindung mitzuteilen, um einen Grundrentenzuschlag zu erhalten“, sagte DRV-Sprecher Dirk von der Heide.

Trickbetrüger melden sich per Post und Telefon bei Senioren

Die Briefe sehen aus wie offizielle Schreiben. Mehrere Empfänger solcher Formulare wurden aber misstrauisch und informierten die Rentenversicherung, die seither auf ihren Portalen vor den Betrugsversuchen warnt. Daneben sind laut DRV auch Fälle bekannt, bei denen Trickbetrüger per Telefon versucht haben, bei Rentnern an sensible Daten zu kommen.

Und es geht noch dreister. So würden Senioren mitunter aufgefordert, rasch einen Geldbetrag auf ein bestimmtes Konto zu überweisen, weil ansonsten die Rente gekürzt oder gepfändet werde. Lesen Sie hier: Rente leidet unter Corona: Im Westen droht eine Nullrunde

Rente: Versicherung gibt Tipps zum Schutz vor Abzocke

Die Rentenversicherung hat sogar eigens eine Informationsbroschüre zum Umgang mit Trickbetrügern herausgebracht. Der wichtigste Rat: Senioren sollen bei mutmaßlichen Schreiben der DRV in jedem Fall prüfen, ob sich dort die persönliche Rentenversicherungsnummer findet, die auf jedem echten Formular stehe.

Da die DRV keine sensiblen Daten am Telefon abfrage, sollten Rentner solche Informationen keinesfalls an Anrufer herausgeben. Von der Heide betonte, Betroffenen werde empfohlen, im Verdachtsfall Anzeige bei der Polizei zu erstatten oder sich direkt an die Versicherung zu wenden und Angehörige ins Vertrauen zu ziehen.

Wer von der Grundrente profitiert

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    Genaue Zahlen oder Statistiken zu bundesweiten Betrugsfällen bei der Grundrente liegen der Behörde nicht vor. Jedoch seien seit Jahres­beginn vermehrt entsprechende Meldungen und Hinweise eingegangen. Auch die Polizeibehörden sind sensibilisiert.

    Strafanzeigen und Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Betrugsfällen beim Thema Grundrente sind aus betroffenen Bundesländern derzeit zwar nicht bekannt, wie Anfragen unserer Redaktion ergaben. Jedoch hat die Polizei die neue Masche der Trickbetrüger auf dem Schirm. Hintergrund: Die Grundrente kommt: Das ändert sich in 2021 bei der Rente

    FDP und Grüne: Regierung lässt Senioren im Stich

    In der Bundespolitik sorgen die Betrugsfälle inzwischen für Debatten. Nach Überzeugung der Opposition im Bundestag hat die zeitliche Versetzung zwischen Einführung der Grundrente zu Jahresbeginn und deren Auszahlung erst ab Sommer Raum für die kriminellen Umtriebe geschaffen. FDP und Grüne werfen der großen Koalition vor, Rentner im Vorfeld nicht ausreichend über das Prozedere informiert zu haben.

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    Katharina Willkomm, die in der FDP-Bundestagsfraktion für Verbraucherschutzpolitik zuständig ist, kritisierte: „Von der Bundesregierung hätte ich erwartet, dass sie die Aufklärung über das Verfahren zur Grundrente nicht der Rentenversicherung überlässt.“ Die Tatsache, dass es „keine Aufklärungskampagne gibt, zeigt einmal mehr, dass Union und SPD Politik nicht bis zum Ende denken“, sagte Willkomm unserer Redaktion.

    Die Grünen-Fachpolitikerin für Verbraucherschutz, Katja Keul, sieht die Betrugsversuche in einem größeren Zusammenhang. Es sei ein drängendes Problem, dass Ältere „zunehmend Opfer gezielter Ausspähungen und Betrügereien werden“, sagte Keul. Die Regierung müsse mehr zur Aufklärung von Senioren leisten. Dass die Einführung der Grundrente nun ebenfalls zu Fälschungen missbraucht wird, sei „furchtbar und muss strafrechtlich verfolgt werden“.

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