Berlin. Früher Alleinverdiener, heute gehen Väter in Elternzeit und übernehmen Teile der Hausarbeit und Erziehung. Eine Revolution der Vaterrolle?

Väter unterscheiden sich heute bereits stark von ihren eigenen. Die meisten haben eine viel engere Bindung zu den Kindern und die Beziehung ist immer mehr durch Gemeinschaft geprägt: Der aktuelle Väterreport des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt, dass sich 69 Prozent der Väter mit Kindern unter sechs Jahren mehr als ihre eigenen Väter an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen.

Das wird auch von ihnen erwartet, denn auch das Vaterbild in der Gesellschaft hat sich geändert: Mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung erwarten von einem Vater, dass er mit seinen Kindern möglichst viel Zeit verbringt. Nur knapp ein Drittel gab an, dass diese Erwartung auch zum Rollenbild des eigenen Vaters gehörte.

Väter: Grundsätzlich ein „großes Interesse“ am Kontakt mit ihren Kindern

„Wir wissen aus der Forschung, dass Kinder vielfältig von aktiven Vätern profitieren“, sagt Bestseller-Autorin Nicola Schmidt, die in ihrem Elternprojekt Väterkurse anbietet. „Väter haben grundsätzlich ein großes Interesse am Kontakt mit ihren Kindern“, berichtet Klaus Althoff, Leiter der Kurse, aus seinem Alltag, „es gibt allerdings eine große Performanz-Schere, die wir schließen müssen.“

Das beginnt schon mit der Geburt. In ihrem Buch „Vater werden“ zeigt das Autorenpaar Schmidt-Althoff, wie schon kurz nach der Geburt die Rollenverteilung von Eltern so organisiert werden kann, dass Väter sich von Anfang an mehr einbringen können. In den Kursen lernen es diejenigen, die etwa durch lange Arbeitszeiten viel Zeit von ihren Kindern getrennt sind. Lesen Sie auch:Corona-Hilfen: Wie es für Familien nun weitergehen soll

Corona-Pandemie hat Rollenwandel beschleunigt

Dank Homeoffice und flexibler Arbeitszeitmodelle sowie kurzfristiger und kreativer Vereinbarkeitspolitik von Unternehmen konnte ein Teil der Väter während Corona erstmals ein partnerschaftliches Familienmodell im Alltag ausprobieren.

Zwar haben Mütter nach wie vor den größten Anteil der Care-Arbeit übernommen. Allerdings ist der Sorgeanteil der Väter innerhalb des Jahres deutlich gestiegen: 2019 übernahmen Väter durchschnittlich nur 2,8 Stunden der täglichen Sorgearbeit, Mütter hingegen 6,7 Stunden. Im Frühling 2020 kletterte die Zahl bei den Vätern auf 5,3 Stunden und auf 9,6 Stunden bei den Müttern.

Mehr als die Hälfte will Teil der Kinderbetreuung übernehmen

„Die gemeinsame Zeit stellt Väter auch vor Herausforderungen“, stellt Schmidt in den Kursen des Projektes fest, „denn um ein Kleinkind zu beruhigen, müssen Väter gefühlskompetent werden. Aus Studien wissen wir aber, dass Eltern schon mit Söhnen weniger über Gefühle sprechen als mit Töchtern – und Väter daher oft Probleme haben, die Gefühle ihrer Kinder zu erkennen, zu benennen und zu regulieren, also zum Beispiel ein wütendes Kleinkind zu beruhigen.“

Der Väterreport spiegelt die deutsche Wirklichkeit wider: 55 Prozent der Väter versichern, dass sie etwa die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen möchten. Wunsch und Wirklichkeit stimmen aber noch längst nicht überein: nur 17 Prozent der Eltern übernehmen etwa gleiche Anteile. Dennoch sieht Vaterkurs-Leiter Althoff, der ursprünglich aus dem Führungskräfte-Coaching kommt, gute Anzeichen dafür, dass sich das ändern könnte: „Familienfreundliche Maßnahmen haben laut Väterreport in mehr als jedem zweiten Unternehmen mittlerweile einen höheren Stellenwert als vor Covid-19.“ Auch interessant: Höhe des Elterngeldes – Wie viel bekommen Eltern?

Moderne Väter wollen sich genauso um Kinder und Erziehung kümmern wie Mütter. Kurse und Netzwerke können helfen.
Moderne Väter wollen sich genauso um Kinder und Erziehung kümmern wie Mütter. Kurse und Netzwerke können helfen. © iStock | istock

Experten empfehlen Austausch über Väternetzwerke

Dass der Austausch unter Vätern zunimmt, ist Althoff ein Herzensanliegen: „Männern tut der Kontakt zu anderen Männern gut. Das gilt ganz besonders für Väter und werdende Väter“, schildert Althoff die Erfahrungen aus den Väterkursen.

Die überwiegende Zahl junger Männer ist noch in einer Familie mit „klassischem“ väterlichen Rollenmodell aufgewachsen: einem Vater als Alleinverdiener, der sich höchstens abends und am Wochenende um die Kinder kümmert. Das gerade erschienene Buch „Vater werden“ von Nicola Schmidt und Klaus Althoff ist nur eines von vielen Zeichen, dass sich das ändert. Hier wird detailliert erklärt, warum Familie auch Team-Building ist und kluges Projektmanagement braucht – Vokabeln, die Führungskräfte-Coach Althoff aus der Unternehmenswelt in die Familienwelt übersetzt hat.

„Jede Generation geht einen Schritt in der Veränderung“

Laut der Trendstudie „Zukunft Vereinbarkeit“ des Väternetzwerks „Conpadres“ und des Marktforschungsinstituts Forsa sind die „neuen Väter“ auf einem guten Weg: 37 Prozent der Männer in Deutschland nehmen sich den eigenen Freundes- und Bekanntenkreis zum Vorbild zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Um diesen Wert noch zu steigern, rät Althoff: „Schaffen Sie sich Ihr eigenes Väter-Netzwerk – aus Freunden, Verwandten, anderen Vätern aus Kita und Nachbarschaft. Treffen Sie sich regelmäßig und sprechen Sie über Kinder und Familie. Sie werden überrascht sein, wie viel Wertschätzung und hilfreiche Perspektiven Sie bekommen.“

Dabei sei es besonders wichtig, sich mit Männern zu umgeben, die positiv und wertschätzend mit Ihnen und den anderen Männern umgehen: „Jede Generation geht einen Schritt in der Veränderung“, fasst Nicola Schmidt aus ihrer Sicht die neue Bewegung zusammen, „und wir sind längst auf einem neuen Weg – Vater für Vater.“