Brüssel. Die neue EU-Kommissionspräsidentin stellt ihr Team zusammen. Hält sie ihr Versprechen, jeden zweiten Posten mit einer Frau zu besetzen?

Es war eine kleine Revolution, die Ursula von der Leyen bei ihrer Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin ankündigte. Als erste Frau in dem Spitzenjob in der EU-Geschichte wollte von der Leyen konsequenterweise dafür sorgen, dass in ihrem Team der 26 Kommissare künftig genauso viele Frauen wie Männer vertreten sind. „Wir wollen unseren gerechten Anteil“, erklärte die CDU-Politikerin vor fünf Wochen selbstbewusst. Schließlich machten Frauen die Hälfte der Bevölkerung aus.

Es wäre ein symbolträchtiger Fortschritt in der Brüsseler EU-Zentrale, in der seit 1958 insgesamt nur ein Fünftel der Kommissarsposten an Frauen vergeben wurde. Aktuell liegt die Quote bei einem Drittel.

Doch jetzt zeigt sich: Die Einlösung des Versprechens ist schwerer als gedacht – ob die künftige Präsidentin tatsächlich eine paritätisch besetzte Kommission vorstellen kann oder gleich mit einem Misserfolg startet, ist noch nicht sicher.

Durchschnittsalter in der EU-Kommission steigt an

Was bereits klar ist: Von der Leyen startet in ihrer neuen Aufgabe am 1. November mit einer ziemlich bunt gemischten Truppe. An Bord ist mit dem erst 28-jährigen litauischen Wirtschaftsminister Virginijus Sinkevicius (Grüne) der jüngste EU-Kommissar aller Zeiten, mit dem 72-jährigen spanischen Außenminister Josep Borrell von den Sozialdemokraten als designiertem EU-Außenbeauftragten aber auch einer der bislang ältesten Kommissare.

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Insgesamt dürfte das Durchschnittsalter in der Kommission – im Vergleich zum Start 2014 – von 53 auf rund 55 Jahre steigen. Von der Leyen wird ein erfahrenes Team zur Seite stehen: Gleich acht der 26 künftigen Kommissare gehören schon der amtierenden Juncker-Kommission an. Und: Fast alle Neuzugänge haben in ihren Ländern Regierungserfahrung gesammelt.

Betreut Timmermans künftig die Klimapolitik?

Dennoch fällt auf, dass die Mitgliedsländer diesmal wenig die Neigung haben, neue politische Schwergewichte nach Brüssel zu entsenden. Neben von der Leyen werden deshalb zwei bereits etablierte Kommissionsmitglieder die Bühne beherrschen. Beide haben pikanterweise selbst um das Präsidentenamt gekämpft: der Niederländer Frans Timmermans, der sein Amt als Erster Vizepräsident der Kommission behalten wird, und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aus Dänemark, die ebenfalls eine herausgehobene Position erhalten wird.

Es wird spekuliert, dass Timmermans künftig die Klimapolitik betreut, die von der Leyen zu einem Markenzeichen der Kommission machen will. Vestager könnte einen Teil der Wirtschaftsthemen verantworten. Von der Leyen hüllt sich darüber noch in Schweigen.

Von ihrem Team hängt der Erfolg von der Leyens ab

Die Besetzungsliste wird in Brüssel bislang unter Verschluss gehalten – die Namen sind nur bekannt, weil sie in den Mitgliedsländern durchsickern oder von den dortigen Regierungen bekannt gegeben werden. Denn die Kommissare werden von den nationalen Regierungen nominiert. Von der Leyen kann aber einzelne Kandidaten zurückweisen, offenbar ist das diskret und frühzeitig in einigen Fällen auch geschehen.

Denn es geht um viel: Vom Aufbau eines schlagkräftigen Teams hängt der

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ab. Sie hat die Richtlinienkompetenz im sogenannten Kollegium, sie entscheidet über Ressortverteilung und –zuschnitt.

Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen

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    Nicht alle Länder haben Männer und Frauen nominiert

    Am Montag endet die Nominierungsfrist. Bislang haben 23 Staaten gemeldet, Frankreich, Italien und Belgien standen am Freitag noch aus. Großbritannien will wegen des geplanten Brexits keinen Kommissar mehr benennen. Für von der Leyen ist vor allem die Frauenfrage ein erster Test, wie gut die Kooperation mit den EU-Mitgliedstaaten ist.

    „Wir sind optimistisch“, heißt es in ihrem Umfeld. Ihrer Aufforderung, die Regierungen mögen wegen des 50:50-Zieles bitte jeweils einen Mann und eine Frau nominieren, sind am Ende aber nur Portugal und Rumänien gefolgt.

    Parlamentsabstimmung wird zum Autoritätstest

    Dennoch spricht alles dafür, dass von der Leyen ihr Ziel erreicht: Unter den Nominierungen von bislang 23 Staaten sind elf Frauen, vor allem die kleineren Staaten sind der Bitte nachgekommen. Offenbar wollen auch Belgien und Frankreich Frauen entsenden, damit wäre die Parität unter den 26 Kommissaren gesichert.

    In Frankreich ist die Macron-Vertraute und Ex-Verteidigungsministerin Sylvie Goulard im Gespräch. Am kommenden Dienstag will von der Leyen formelle Gespräche mit den Anwärtern beginnen. In den ersten Septemberwochen wird sie das Team vorstellen.

    Anhörung im Parlament ab Mitte September

    Doch es gibt

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    Das EU-Parlament hört ab Mitte September alle Kommissare an. Bei einzelnen Kandidaten könnten die Abgeordneten – wie bei den letzten Malen - mehrheitlich den Daumen senken, dann wären Nachnominierungen fällig. Am ehesten droht das wohl bei den Vorschlägen der rechten Regierungen in Polen und Ungarn und bei dem der sozialdemokratischen Regierung in Rumänien.

    • Kommentar:

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    Am 22. Oktober stimmt das Parlament über das gesamte Kollegium ab. Für von der Leyen wird das ein wichtiger Autoritätstest. Nachdem sie selbst nur mit knapper Mehrheit vom Parlament gewählt wurde, wäre es nicht ihr Ende, aber misslich, wenn ihr Kollegium im ersten Anlauf durchfiele. Dass die Präsidentin die erste Kommission präsentiert, die gleich viele Frauen wie Männer hat, könnte sich da im Parlament als entscheidender Trumpf erweisen.