Berlin. Der SPD-Vorsitzende hat Sympathie dafür gezeigt, die Parteimitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen.

Olaf Scholz, ein Kanzlerkandidat am Gängelband seiner Partei – diesen Eindruck erweckte die Union im Wahlkampf. Unsere Redaktion fragte beim SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans nach.

Die SPD gewinnt die Wahl, aber Armin Laschet wird Kanzler – wie wollen Sie verhindern, dass es so kommt?

Norbert Walter-Borjans: Die Wähler haben zwei unmissverständliche Botschaften gesetzt: Sie wollen Armin Laschet nicht als Kanzler. Und sie wollen einen Aufbruch in sozialer Verantwortung. Ich setze darauf, dass sich die Parteien mit Zugewinnen in dieser Wahl – SPD, Grüne und FDP – ihrer Verantwortung für eine Regierung des Fortschritts bewusst sind. Wir nehmen den Wählerwillen ernst und werben für eine Regierungsmehrheit unter der Führung von Olaf Scholz.

Norbert Walter-Borjans, SPD-Vorsitzender.
Norbert Walter-Borjans, SPD-Vorsitzender. © imago images | Rüdiger Wölk

Lässt die SPD ihrem Kanzlerkandidaten bei möglichen Koalitionsverhandlungen freie Hand?

Walter-Borjans: Wir reden mit anderen auf der Grundlage eines Programms, das nicht die SPD dem Kanzlerkandidaten aufgestülpt hat, sondern das Olaf Scholz und die Partei gemeinsam erarbeitet haben. Ich habe den Vorschlag, Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten zu machen, zusammen mit Saskia Esken in dem Bewusstsein gemacht, dass ein Kanzler nach dem Grundgesetz die Richtlinien der Politik bestimmt. Das ist eine große Gestaltungsmacht. Die Erzählung, Olaf Scholz werde nach der Wahl von der Partei an der Leine geführt, ist völlig realitätsfern.

Vor vier Jahren hat die SPD-Basis über den Koalitionsvertrag abgestimmt. Wollen Sie das wiederholen?

Walter-Borjans: Saskia Esken und ich sind von den Mitgliedern an die Spitze der SPD gewählt worden. Wir haben ein gutes Gespür dafür, was die Mitgliedschaft mittragen kann und was nicht.

Macht das eine Mitgliederbefragung überflüssig?

Walter-Borjans: Eine Mitgliederbefragung ist eine Option. Über die Form der Beteiligung werden wir auf der Strecke entscheiden. Es darf der Mitgliedschaft jedenfalls nicht zugemutet werden, dass sie wichtige Entscheidungen der Spitze schlucken muss und nicht mitreden darf.