Kairo. Am Mittwoch starten 32 Mannschaften beim Turnier in Ägypten. Es gibt gesundheitliche Bedenken, Corona-Chaos - und wirtschaftliche Nöte.

Sie gilt als Prestigeprojekt von Hassan Moustafa, Präsident des Handball-Weltverbands IHF. Doch unmittelbar vor dem Start der WM in seiner Heimat Ägypten muss der 76-Jährige die ersten Absagen hinnehmen: Nach etlichen Corona-Infektionen in den Teams gaben die USA und Tschechien bekannt, nicht anzutreten. Auch Brasilien und der deutsche Vorrundengegner Kap Verde sind betroffen. Medienberichten zufolge machten sich die Kap Verder am Mittwoch von Portugal aus auf den Weg nach Nordafrika, jedoch fehlten dabei demnach sechs Spieler sowie vier Teambetreuer, darunter auch Cheftrainer Jose Tomas.

Dabei hatte Dagur Sigurdsson in den vergangenen Tagen noch viel Gutes zu berichten. Sigurdsson, der Deutschland 2016 als Bundestrainer zum Europameistertitel und Olympiabronze geführt hatte, weilt bereits seit knapp zwei Wochen in Ägypten. Seit 2017 bereitet der Isländer das japanische Handball-Nationalteam auf die Olympischen Spiele in Tokio vor, die WM in Ägypten dient als Generalprobe. Sigurdssons Team absolvierte am Nil Testspiele und besichtigte die weltberühmten Pyramiden. „Seit wir angekommen sind, war alles großartig“, sagt Sigurdsson. „Wir freuen uns auf ein gutes Turnier.“

Es sind Worte, die Hassan Moustafa gerne vernimmt. Noch im vergangenen Sommer hatte er trotz aller Ungewissheit in Coronazeiten angekündigt, dass eines „der besten Turniere bevorsteht, das je organisiert wurde“. Es sind große Worte, aber dafür ist Moustafa bekannt, er hat unzählige davon gesprochen. Im November hatte er sein 20-Jähriges als Weltverbandspräsident gefeiert und seinen Ruf gefestigt: Hassan Moustafa, der ewige Pharao.

Die eiserne Herrschaft des Pharaos

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Pharao – diesen Spitznamen trägt Moustafa nicht nur wegen seiner ägyptischen Herkunft, sondern auch wegen seiner eisernen Herrschaft über den Weltverband. Gestürzt wurde er nie, Gegenkandidaten bei Wiederwahlen gab es kaum. Und dass sein Name in der Vergangenheit häufig mit Begriffen wie Korruption, Spielmanipulation und nachlässiger Anti-Dopingpolitik in Verbindung gebracht wurde, konnte den Sportfunktionär auch nicht stoppen. Die WM in seinem Heimatland zum Ende seiner fünften Amtsperiode – sie ist auch ein Geschenk an sich selbst, sie ist Moustafas persönlicher Triumph.

Denn diese WM ist für den Handball ein Turnier von enormer wirtschaftlicher Wichtigkeit, TV- und Sponsorenverträge müssen erfüllt werden. Sie hat zugleich Signalwirkung für den Sport und seine derzeit zum Stillstand verdammten Amateurteams: Handball lebt. Die WM, im Januar stets die große Bühne der Männer mit dem harzverklebten Ball, wird trotz widriger Bedingungen ausgetragen und weltweit im TV übertragen, in Deutschland bei ARD, ZDF und Eurosport. Deutschland wird seine Vorrundenspiele ab Freitag (18 Uhr) wenige Kilometer von Kairo entfernt in Gizeh absolvieren. Der Auftaktgegner ist Uruguay.

Gelebt wird in einer sogenannten Blase. Die Mannschaften befinden sich isoliert in ihren Hotels, wenn sie nicht Trainingseinheiten oder Spiele absolvieren. An diesem Mittwoch beginnt die WM mit der Partie Ägypten gegen Chile (18 Uhr/ARD). Kurz zuvor entschieden die Organisatoren auch auf Druck zahlreicher teilnehmender Mannschaften, dass keine Zuschauer zugelassen werden und die angedachte Auslastung der Hallen von bis zu 20 Prozent vom Tisch ist.

Die ersten Teams sagen nach Coronafällen ab

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Doch die Ungewissheit bleibt. Daran ändert auch das Hygienekonzept nichts. Am Dienstag meldeten die USA, dass 18 Spieler und Trainer Robert Hedin sich mit Corona infiziert haben. Am späten Abend verkündete das Team, nicht anzutreten, die Schweiz rückt nach. Tschechien beklagte am Dienstag zehn Erkrankte und gab ebenfalls bekannt, nicht nach Ägypten zu reisen. Nordmazedonien wird nachrücken. Auch in dem Team von Brasilien, das sich in Portugal vorbereitet hatte und am Mittwoch anreist, wurden sieben Coronafälle bekannt, darunter zwei Spieler. Ebenfalls betroffen ist der deutsche Vorrundengegner Kap Verde. Dort soll es mehrere positive Fälle geben.

In der deutschen Mannschaft hatten unter anderem die Abwehrchefs Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek schon vorab ihren WM-Verzicht erklärt. Bundestrainer Alfred Gislason geht nun ohne großen Druck ins Turnier, der Deutsche Handballbund gab angesichts der Personallage nicht wie sonst das Halbfinale als Ziel aus. Zahlreiche Bundesliga-Klub-Funktionäre sehen das Turnier ohnehin kritisch: Sie fürchten im Anschluss eine neue Corona-Welle, die den nationalen Spielbetrieb zum Erliegen bringen wird.

Die Stars der Weltmeisterschaft

Das bedeutet jedoch nicht, dass Moustafas Heim-WM ohne große Stars auskommen muss. Der Däne Mikkel Hansen und Domagoj Duvnjak (Kroatien) sind dabei, auch der norwegische Spielmacher Sander Sagosen. Nicht antreten kann Frankreichs Superstar Nikola Karabatic (Kreuzbandriss). Mit diesen Namen sind auch die Favoritenrollen verbunden: Olympiasieger Dänemark, Vize-Weltmeister Norwegen und WM-Rekordsieger Frankreich.

Der Modus: Erstmals 32 Mannschaften

Wer Weltmeister werden will, hat am Ende der knapp drei Wochen neun Spiele absolviert. Erstmals nehmen 32 Mannschaften statt bisher 24 teil, die Vorrunde wird in acht Vierergruppen gespielt. Die ersten drei Mannschaften jeder Vorrundengruppe ziehen in die Hauptrunde ein, die beiden bestplatzierten Mannschaften der insgesamt vier Hauptrundengruppen erreichen das Viertelfinale. Das Endspiel wird am 31. Januar ausgetragen. In Kairo, einige Kilometer von den Pyramiden entfernt. Vielleicht mit Deutschland, höchstwahrscheinlich ohne Sigurdssons Japaner. Aber bestimmt mit einem zufrieden lächelnden Weltverbandspräsidenten Hassan Moustafa.