Wien. Deutschlands Handballer wollen in der EM-Hauptrunde durchstarten. Dazu bedarf es einer Steigerung in allen Mannschaftsteilen. Bundestrainer Prokop ist vor dem Spiel gegen Weißrussland zuversichtlich.

Die tiefen Augenringe bei Christian Prokop lassen auf wenig Schlaf des Bundestrainers vor dem Start der deutschen Handballer in die EM-Hauptrunde schließen.

In der Partie gegen Weißrussland am Donnerstag (20.30 Uhr/ARD) steht der WM-Vierte bereits unter maximalem Druck - eine weitere Niederlage nach dem Vorrunden-Flop gegen Spanien würde bereits das Ende aller Halbfinalträume bedeuten.

"Die Mannschaft geht damit sehr gut um. Sie konzentriert sich nur auf diese Herausforderung und will sie meistern", sagte Prokop zum Duell mit den Weißrussen. "Jetzt geht es darum, perfekt in die richtige Richtung zu gehen. Jeder muss eine Schippe drauflegen, damit wir durchstarten können. Wir sind eine große Handball-Nation, das wollen wir auch zeigen."

Kapitän Uwe Gensheimer ist ebenfalls zuversichtlich, dass der Turnaround gelingt. "Wir müssen gegen Weißrussland zu unserer Leistung finden und geschlossen zeigen, wozu wir im Stande sind", forderte der 33 Jahre alte Linksaußen. Und Rückraumschütze Julius Kühn betonte: "Wir sind alle heiß, dass die Hauptrunde endlich losgeht."

Beim Medientermin in der Wiener Stadthalle und dem anschließenden Training gab sich Prokop betont locker. Hier ein flotter Spruch für die Journalisten, dort ein Scherz mit Co-Trainer Erik Wudtke. Auch die Kommunikation mit den Spielern wirkt keineswegs gestört.

Und doch haben die dürftigen Vorstellungen seiner Schützlinge in der Vorrunde Spuren beim Bundestrainer hinterlassen. Die Leichtigkeit und Souveränität, mit der Prokop im Vorjahr bei der Heim-WM an der Seitenlinie agierte, ist verschwunden. Während der Spiele wirkt der 41 Jahre alte Familienvater ähnlich angespannt wie bei seiner verpatzten EM-Premiere 2018, die ihn nach nur sieben Monaten im Amt fast den Job gekostet hätte.

Gegen die Niederlande vergaß er in einer Auszeit den Namen von Rechtsaußen Timo Kastening, gegen Spanien hatte er kein erfolgreiches Spielsystem parat und gegen Lettland vermissten viele Beobachter in der brenzligen Schlussphase einen emotionalen Weckruf. "Natürlich kann ich schreiend meinen Frust zum Ausdruck bringen und die Schuld auf alle schieben, die gerade die Bälle verloren haben. Aber das bringt nichts", begründete Prokop anschließend seine Zurückhaltung.

"Jeder ist so authentisch, wie er authentisch sein kann. Man kann aus einem Analytiker wie Prokop keinen Peter Neururer machen. Er ist so, wie er ist", sagte Ex-Nationaltorwart Andreas Thiel im Interview des Internetportals "spox.com" über den Charakter des Bundestrainers. "Und was wir nicht vergessen sollten: Er hat im letzten Jahr bei der Heim-WM einen guten Job gemacht."

Doch Prokop weiß, dass die Meriten vergangener Tage schnell in Vergessenheit geraten, wenn es nicht läuft. Weltmeister Christian Schwarzer übte bereits leise Kritik am Bundestrainer. "Man sollte ihn jetzt erstmal weiterarbeiten lassen, aber im Moment sind da schon einige Dinge, die nicht so zusammenpassen", sagte der 50-Jährige in einem Interview der "Pforzheimer Zeitung" (Donnerstag).

Prokop muss schleunigst in allen Mannschaftsteilen Lösungen finden, soll die EM doch noch ein Happy End finden. "Die Abwehr muss wieder ihr WM-Niveau erreichen und die Torhüter müssen stabiler werden. Dazu wollen wir ein schnelleres und disziplinierteres Angriffsspiel hinbekommen", umriss der Coach die Aufgaben und verkündete das Motto für die Hauptrunde: "Wenn wir uns als Team verbessern, werden wir eine kontinuierlich stärkere Leistung bieten. Dann werden wir in unseren Flow kommen."

Daran arbeitet er gewohnt akribisch mit den Spielern, bei denen Prokop trotz der bisher mauen Auftritte keine Verkrampfung feststellt. "Die Jungs schaffen einen Mix aus Lockerheit und Konzentration. Sie lassen mal los, dann stecken sie wieder die Köpfe zusammen, um kleine Details der Verbesserung gegenüber der Vorrunde zu besprechen", berichtete er.

Dazu zählt auch das Thema Emotionalität, die das deutsche Team im Vorjahr bis ins WM-Halbfinale getragen hatte. "Wir müssen uns gegenseitig noch mehr pushen und gelungene Aktionen feiern", forderte Gensheimer. "Daran müssen wir uns hochziehen."