Berlin. Reicht das Gas im Winter zum Heizen? Die Verunsicherung nimmt zu. Jörg Quoos vermisst eine Koalition der Vernunft – und einen Plan.

Mehr Verunsicherung der Bevölkerung als im Sommer 2022 war wohl seit Jahrzehnten nicht. Reicht das Gas im Winter zum Heizen der Häuser? Wird die Industrie noch produzieren können? Was wird aus den Arbeitsplätzen und unserer öffentlichen Infrastruktur?

Fragen dieser Tragweite haben sich zuletzt nach dem Krieg gestellt und scheinen nicht übertrieben zu sein. Selbst unter seriösesten Experten und Top-Managern sind derzeit drastische Prognosen zu hören.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Das düsterste Szenario muss nicht eintreten. Aber je länger diese Fragen nicht beantwortet werden können, desto größer ist die Gefahr eines öffentlichen Kontrollverlustes.

Dieser kann so gefährlich werden wie Wladimir Putins Sanktionen gegen den Westen und Deutschland selbst. Genau das ist das Kalkül des Kreml-Herrschers, der auf Panik und Verunsicherung setzt und bereits merkt, wie sein Spiel mit dem Gas Wirkung zeigt.

Energiekrise: Die Sorge vor einem fatalen Blackout

Es mag manchen befremden, dass sich Millionen Deutsche jetzt mit Heizradiatoren, Lüftern, Propangaskochern und Notstromaggregaten eindecken. Aber das ist angesichts der Lage weniger irre, als es klingt.

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Wer befürchten muss, kein Gas zum Heizen zu haben, muss Bad und Kinderzimmer halt irgendwie anders warm bekommen. So sieht jeder sein persönliches Energie-Problem, das sich in Summe zu einem fatalen Blackout ausweiten kann. Das ist die Sorge der Netzbetreiber, und so weit darf es nicht kommen.

Energiekrise: Parteienstreit? Nicht jetzt.

Die Bundesregierung muss dringend gemeinsam mit den Ländern einen Notfallplan erarbeiten, der in allen möglichen Szenarien transparent die zu erwartenden Handlungen erläutert. Man kann die vorhandene Energiemenge und den tatsächlichen Mindestbedarf durchaus errechnen, und nur mit Offenheit und einem klaren Plan wird man die Bevölkerung in Richtung Winter beruhigen können. Es darf auf keinen Fall sein, dass Weltuntergangspropheten eine Stimmung im Land heraufbeschwören, die eine ohnehin schwere Krise weiter verschärft.

Die Lage ist so ernst, dass sich eine große Koalition der Vernunft über alle Parteien hinweg über die zielführendsten Maßnahmen für jedes Szenario verständigen sollte. Parteienstreit oder Schuldzuweisungen sind das Letzte, was die Gesellschaft in dieser Lage braucht.

Energiekrise: Ein Plan muss her

Dass sogar eine Mehrheit der Grünen-Wähler jetzt dazu bereit ist, die Kernkraftwerke länger laufen zu lassen, zeigt, zu wie viel Pragmatismus die Menschen fähig sind. Die Politik sollte diese Aufgeschlossenheit jetzt klug nutzen und sie nicht mit ritualisierten Debatten im Keim ersticken.

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Nur wenn jeder Bürger und jede Bürgerin genau weiß, wie der Staat auf verschiedene Stufen einer Energiekrise reagieren wird, kann man mit kühlem Kopf selbst Vorsorge treffen. Verunsicherung ist dagegen Gift und verleitet zu irrationalem Handeln.

Energiekrise: Ohne Sparen geht es nicht

Wozu das führen kann, haben wir mit dem absurden Hamstern von Klopapier, Mehl und Speiseöl in der Corona-Krise schon eindrucksvoll erlebt. Genauso ist auch niemandem geholfen, wenn eine mit Radiatoren aufgerüstete Bevölkerung das Netz in die Knie zwingt, obwohl eigentlich genug Energie zur Grundversorgung zur Verfügung stünde.

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Dass Kommunen anfangen zu sparen, gehört übrigens zur vernünftigen Vorsorge und sollte nicht gleich als Zumutung verdammt werden. Niemand muss leiden, wenn ein Rathaus mal nicht nachts von allen Seiten angestrahlt wird oder im Spaßbad die Sauna bei sommerlichen Temperaturen Pause macht. Ganz ohne Einschränkungen wird die Winter-Krise auf keinen Fall zu bewältigen sein.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de