Jena. Wunderbaums neueste Produktion „Geht das schon wieder los – White Male Privilege“ feiert in Jena Premiere.

Zwei Stunden lang bewegen sich Lesley (Charlotte Puder), Inga (Mona Vojacek Koper) und Tom (André Hinderlich) auf einem verbalen Minenfeld. Alles scheint anders rüberzukommen, als es gemeint war. Ja, die ganze Welt scheint hypersensibel zu sein. Jede Äußerung könnte jemand anderes als rassistisch oder sexistisch empfinden. Sodass der einzige Mann in dieser Runde zusammenfasst: „Es gelingt einem heutzutage einfach nicht, nie jemandem vor den Kopf zu stoßen. Nichts ist mehr erlaubt.“

 André Hinderlich (Tom)
 André Hinderlich (Tom) © Joachim Dette

Am Donnerstag verfolgten die Premierengäste im ausverkauften Jenaer Theaterhaus in der neuesten Produktion des Wunderbaum-Kollektivs, wie sich die drei Figuren winden und zerfleischen, die eigene Wut und der Frust plötzlich gegen alles und jeden richtet. Die belgische Autorin Annelies Verbeke hat mit „Geht das schon wieder los – White Male Privilege“ ein dichtes Kammerspiel geschaffen, das in Jena seine deutsche Erstaufführung erlebt.

Wie Zankhähne in einer Arena bewegen sich die Drei in einem Rondell aus Holz (Bühne und Licht: Maarten van Otterdijk), können nicht fliehen, sondern müssen die zermürbende Situation aushalten. Was war passiert? Zur Feier des Black Achievement-Monats hatte Lesley für das Cover einer Zeitschrift ein Bild einer schwarzen nackten Frau mit großem Hintern gezeichnet. Sie selbst hatte zwar keinerlei diskriminierende Absichten, die Öffentlichkeit jedoch sieht darin ein rassistisches Stereotyp. Die anderen zwei haben das Cover mitverantwortet und befürchten nun den Schuldspruch aus der Mutterredaktion. Unterdessen braut sich in den sozialen Medien unter dem Hashtag „zurschieflagedernation“ einiges zusammen. Auf den Anruf aus Amerika wartend, haben die drei ausreichend Zeit für Schuldzuweisungen, ihre Befindlichkeiten und sämtliche hochbrisante Themen: die eigene Herkunft und Familie, Beziehungen, Frauenquote, der IS, die Kopftuchfrage, der Islam im Allgemeinen, afrikanische Männer, Sklaverei, Klischees und, und, und. Tom als weißer Mann sieht sich ohnehin unter Generalverdacht. Jedoch: „Jedem seine Kränkung, alle haben ihre Schwierigkeiten.“

Und so bröckeln die Fassaden, schwanken die Emotionen zwischen aggressiv und sensibel und geht der Streit immer mehr in ein blindes Um-sich-schlagen über. Am Ende bleibt für die drei ein Scherbenhaufen übrig, ein Schlachtfeld auf der Theaterbühne und die noch immer nicht besiegte Selbstgewissheit: „Niemand wird uns tadeln, uns, denen alle alles zu verdanken haben.“

Weitere Aufführungen: am 28. November um 20 Uhr, am 29. November um 19 Uhr sowie am 6. und 7. Dezember um 20 Uhr