Rudolstadt. In der Rudolstädter Theater-Bar mit Jürgen Kerth: ein Interview mit der Blues-Legende vor dem heiteren Beruferaten.

Wo kommen Sie gerade her?

Wir kommen direkt auf schweren Landstraßenführungen hierher. Wir hatten sogar kurz die Polizei im Kreuz, das war auch mal interessant. Ich dachte, was wird das jetzt?

Waren Sie schon einmal in Rudolstadt?

Als Band auf alle Fälle, natürlich immer verbunden mit Saalfeld, zuletzt waren wir in Bad Blankenburg. Das ist alles eine Perlenkette hier. In Rudolstadt waren wir leider nie auf dem Tanzfest.

Wobei vergessen Sie die Zeit?

Heutzutage vergisst man die Zeit, weil alles sehr schnelllebig ist und man überinformiert ist. In Coronazeiten hat man die Zeit anderweitig vergessen, weil es ein Stillstand war. Das war auch mal interessant, sich dabei zu erleben.

Wann platzt Ihnen der Kragen?

Das ist jetzt eine Gewissensfrage. Innerlich des öfteren, ich weiß nicht, ob ich es immer heraushängen lasse. Es sind kleine Dinge, die schiefgehen. Clueso macht immer »papapa« mit drei, vier Tönen, wenn er depressiv wird. Ein gutes Rezept.

Welchen Beruf hätten Sie ergriffen, wenn Sie nicht das geworden wären, was Sie jetzt sind?

Das kann ich nicht ganz genau sagen. Ich hatte ein verunglücktes Umschulen, wo sie mich um die weiterbildende Oberschule gebracht haben, obwohl ich sehr gute Zensuren hatte. Da wüsste ich gar nicht, wo es mich hin verschlagen hätte. Ansonsten bin ich wissenschaftlich interessiert an ganz vielen Erfindungen und Möglichkeiten, die die Zukunft bringt.

Was lieben Sie an ihrem Beruf?

Das Machen selbst, das Musizieren. Die Fahrten sind nicht so erquicklich, man muss dann oft sogar noch nach Hause fahren, manchmal vier oder fünf Stunden. Ansonsten ist es der Vorgang des Musizierens. Ich sage immer, ich sehe mich als Spontankomponist, der durch unerklärliche Möglichkeiten oder Fähigkeiten etwas hinkomponieren kann. Es ist alles im Fluss.

Was war Ihre letzte gute Tat?

Ich habe bestimmt einen Käfer irgendwo runter gehoben, denn ich würde ungern auf etwas drauftreten. Letztens ist ein Kind hingefallen, das habe ich getröstet.

Was würden Sie Kindern heute auf den Weg geben?

Ich will es nicht negativ sehen, aber es ist schon ein kritischer Punkt der Entwicklung erreicht. Gerade mit der künstlichen Intelligenz, was kaum lösbar ist für einen normalen Menschen. Etwas lernen auf alle Fälle, sich kümmern und interessiert sein an der Welt.

Wofür sind Sie dankbar?

Für viele kleine Dinge. Ich brauche nichts Großes. Für eine Hilfe oder Trost bin ich auch dankbar, oft Zwischenmenschliches. Natürlich auch, wenn im Großen mal was gelingt, vielleicht wenn der Staat was richtig macht – der macht auch mal was richtig, denkt man nicht.

Wenn Sie eine Sache auf der Welt ändern könnten, was wäre das?

Vielleicht die Dummheit ein bisschen aufhellen durch logisches Denken, das ist den Menschen nicht immer so eigen.

Was war das schönste Kompliment, das Sie jemals bekommen haben?

Wenn die Leute sich bedanken und sagen, du hast uns den Abend versüßt, das ist jedes Mal schön. Ich sage immer, wir kommen als Fremde in den Saal und gehen als Freunde. Von allen Seiten rufen sie uns zu: Jürgen, das war schön. Das ist immer das Schönste.

Wo finden Sie Frieden?

Da danke ich an Hermann Hesse: Das kann bei einer Oma sein, wenn man im Urlaub ist und im Bett liegt und hört einen Hahn krähen und sieht das Dach gegenüber, das sind Momente, da stellt sich der Frieden ein. Das ist eigentlich einer der höchsten Genüsse. Ohne dass man es weiß, zack, stellt sich das ein.

Wofür würden Sie mitten in der Nacht aufstehen?

Um jemandem zu helfen.