Gera. Musiker Niels Frevert wird als Geheimtipp und Kritikerliebling gehandelt. Im Oktober spielt er in Gera. Im Interview spricht er über sein neues Album, die Pandemie und einen neuen Hit.

Niels Frevert ist einer der spannendsten Künstler in diesem Land. In den 1990er Jahren hatte der Hamburger mal eine Band namens Nationalgalerie, mit der er den Hit „Evelyn“ landete. Seit 1997 ist Frevert solo unterwegs. Sechs Alben hat er seitdem veröffentlicht und es ging stets ein Stückchen nach vorne. Im Interview spricht er über sein jüngstes Werk „Putzlicht“, die Coronakrise und die Sehnsucht nach einem neuen Hit. Am 23. Oktober spielt er zum Couchkonzert im Geraer Comma.

Was haben Sie in der Pandemie alles gemacht? Wie sah Ihr Alltag so aus?

Ich habe alte Lieblingsplatten und Bücher wieder aus dem Schrank geholt. Vielleicht sind es gerade die zeitlosen Klassiker, die in schwierigen Zeiten Halt geben. Außerdem habe ich das Format Hörbuch für mich entdeckt. Und, zugegeben, Zeit bei Youtube verbracht: alte Nina Hagen Interviews gucken, lernen, wie man Spannbettlaken ordentlich faltet – und natürlich schreibe ich an neuen Songs.

Lassen Sie uns über das aktuelle Album sprechen. Was bedeutet der Titel „Putzlicht“?

Das ist ein Begriff aus der Gastronomie. Er wird auch im Theater benutzt. Das ist das Licht, das angeht, wenn die Vorstellung, das Konzert oder die Party vorbei ist. Wenn der Club schließt, dann geht das sehr nüchterne Neonlicht an. Dann wird aufgeräumt und aufgeklart. Die Leute gehen nach Hause oder ziehen weiter. Es ist das Ende, aber auch der Anfang von etwas Neuem.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Entwicklung als Solokünstler? Sie haben 1997 begonnen. „Putzlicht“ ist ihr sechstes Soloalbum.

So voll und ganz zufrieden bin ich selten. Aber ich kann jetzt schon mit etwas Abstand sagen, dass „Putzlicht“ sicherlich einen sehr hohen Stellenwert einnimmt in meiner Diskografie. Es ist ähnlich der „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“, von Veränderung geprägt, was Sound und Arbeitsweise betreffen. Ich habe für „Putzlicht“ seit langem wieder intensiv an den Demo Versionen gearbeitet. Dazukam natürlich die großartige Zusammenarbeit mit Produzent Philipp Steinke – was für ein begnadeter Musiker! „Putzlicht“ steht für ein zurück zur E- Gitarre, ein kraftvolles Album, noch dazu das erste Album von mir, das komplett in Berlin entstanden ist. Schade nur, dass ich fünf Jahre dafür gebraucht habe (lacht). Aber ich musste mich von meinenersten Songentwürfen trennen – sie klangen mir einfach zu selbstmitleidig. Das neue Album sollte gerne nach Krise klingen – aber nach einer, die ich hinter mir gelassen habe, nicht nach einer, in der ich immer noch feststecke.

Wie groß ist ihre Sehnsucht nach einem nächsten Hit?

Ach, das mit den Hits ist doch auch relativ. Ich kenne Hits, die sind nie im Radio gespielt worden. Unser größter deutscher Songschreiber, Rio Reiser, hat, genaugenommen, seine ganze Karriere lang nie so wirklich prominent im Radio stattgefunden. Sein „Junimond“ hat es damals nicht in die deutschen Single Charts geschafft – trotzdem kann das noch heute jeder mitsingen. Klar, ich hatte in meinem Fall schon die Hoffnung, dass die Single „Immer noch die Musik“ es ins Programm der großen Sender schaffen würde. Und ja, ich habe schon geschluckt, als ich die Liste gesehen habe, welche Sender kategorisch abgelehnt haben, den Song zu spielen – nämlich alle! Aber ich versuche, mit das nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen.

Eines der schönsten Zitate auf dem aktuellen Album ist: „Ich sehe keine dunklen Wolken mehr, da ist kein dunkles Wolkenmeer“. Fallen Ihnen solche Wortspiele einfach zu? Auch die Textzeile mit den Fransen vom Nachtisch-Lampenschirm...

Ich bin tatsächlich immer auf Empfang und schreibe alles auf, was mir in den Sinn kommt. Im Fall der Fransen vom Nachttisch-Lampenschirm hatte ich es danach durchgelesen und mich gefragt, ob ich das schreiben kann. Wenn ich mir diese Frage aber schon stelle, dann weiß ich eigentlich schon, dass ich sie singen muss – dass es am Ende eine meiner Lieblingszeilen sein wird.

Stimmt es eigentlich, dass Sie Ihre Gitarre anderthalb Jahre nicht angefasst haben?

Ja. Ich habe es zwischendurch immer mal wieder versucht. Auch Dinge für mich festgehalten, aber ich habe das alles in die Tonne getreten. Es klang mir zu leidend.

Tickets für das Konzert am 23. Oktober in Gera unter www.ticketshop-thueringen.de