Berlin. Hätte die Regierung von Angela Merkel eine Abhängigkeit von Russland verhindern müssen? Ein Ex-Berater kommt bei Anne Will ins Rudern.
Wladimir Putin hat sich in der Ukraine verzettelt. Was mit der Propagandalüge der "Militäroperation" begann, ist zu einem zähen Stellungskrieg ausgewachsen. Die Folgen beschäftigten die Runde bei "Anne Will": "Krieg ohne Ende?", war der Talk überschrieben.
Es diskutierten:
- Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD),
- FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff,
- die frühere Nato-Strategin Stefanie Babst,
- die Publizistin Marina Weisband
- sowie Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz.
Ein langer Krieg?
Eine düstere Prognose zum weiteren Verlauf der Invasion kam von Stefanie Babst. "Dieser Konflikt wird noch lange anhalten", sagte die langjährige Nato-Strategin. Putin habe nur wenige Handlungsoptionen, sein Schicksal sei nunmehr an den Krieg gebunden. "Er kann nicht zurückrudern. Er wird seine Zielsetzung weiter mit militärischen Mitteln verfolgen", warnte Babst.
In diesem Zusammenhang sah Babst auch die Gefahr einer weiteren Eskalation, etwa in Form von verstärkten Angriffen auf Städte wie Odessa oder Kiew. "Am Ende wird Putin versuchen, eine Pufferzone zu schaffen – und die Ukraine auf einen Rumpfstaat im Westen zurückzudrängen."
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Hadern mit einem Energieembargo
Einen Unterschied könnte allerdings ein komplettes Energieembargo machen. Doch damit tut sich insbesondere Deutschland schwer. Christine Lambrecht vertrat das Hadern exemplarisch: Ein sofortiger Stopp für russische Energie werde keine direkten Folgen auf den Krieg haben, argumentierte die Verteidigungsministerin.
Die Krux bei der Sache ist, dass es auch unter Experten durchaus unterschiedliche Ansichten zu den Folgen eines solchen Schrittes gibt. Mit dieser Unsicherheit argumentierte Lambrecht: Man müsse Sanktionen auch durchhalten können, befand die SPD-Politikerin. "Wenn Arbeitsplätze verlorengehen und die Preise steigen, dann einzuknicken, wäre eine verheerende Wirkung."
Gäste bei "Anne Will": Putin falsch eingeschätzt
Gut war, dass die Gastgeberin auch die Frage nach den Gründen für die verfahrene Lage im Energiebereich stellte. Hätte man sich nicht viel früher unabhängig von Putin machen müssen? Dieser Punkt brachte Christoph Heusgen in Verlegenheit, schließlich zeichnete der heutige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz als Berater von Kanzlerin Angela Merkel jahrelang für die deutsche Außenpolitik mitverantwortlich.
"Wir haben Putin falsch eingeschätzt", räumte Heusgen ein. Deutschland habe, auch historisch bedingt, auf Wandel-durch-Handel gehofft. Natürlich habe man gesehen, was Putin tut, etwa in Georgien oder Syrien. Doch der Krieg gegen die Ukraine sei ungeahnter Zivilisationsbruch.
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"Anne Will": Das sind die roten Linien der Nato
Eine Absage erteilte die überwiegende Runde schließlich auch vermehrten roten Linien der Nato. Sollte das Militärbündnis nicht klare Konsequenzen in Aussicht stellen, sollte Putin Chemiewaffen oder gar eine Atomwaffe gegen die Ukraine einsetzen?
Die Nato habe als rote Linie klar einen Angriff auf das eigene Territorium benannt, antwortete Alexander Graf Lambsdorff. Das sei auch richtig so, weil Russland so eindeutig wisse, wie der Westen reagieren werde, befand der FDP-Politiker. Und erinnerte an Barack Obama, der einst den syrischen Machthaber Assad vor einem Chemiewaffeneinsatz warnte, dann aber militärisch nicht handelte, als der Fall eintrat. "Das war der schwerste Fehler in der Außenpolitik von Barack Obama."
Das Fazit
Diese Ausgabe von "Anne Will" war ernüchternd. Denn wo die Argumente gegen ein stärkeres Handeln für sich genommen durchaus plausibel sind, bleibt in der Gesamtschau doch ein Bild der Hilflosigkeit: Die Mittel des Westens gegen die russische Invasion sind mehr oder weniger erschöpft, zumindest, solange man nichts riskieren will.
Marina Weisband brachte die Lage am Ende sehr genau auf den Punkt. "Man schützt die eigene Haut, was vor unserer Haustür passiert, geht uns nichts an", fasste die deutsch-ukrainische Publizistin die Haltung zusammen. Es gelte also weiter das Recht des Stärkeren. "Wenn das die Sicherheitsordnung unserer Welt ist, dann brauchen wir eine neue."
Zur Ausgabe von "Anne Will" in der ARD-Mediathek.
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Dieser Text erschien zuerst bei waz.de.