Berlin. Bei “Markus Lanz“ scheinen sich am Mittwoch alle gegen den Grünen Anton Hofreiter zu verschwören. Selbst der Moderator teilt aus.

Es läuft einfach nicht rund für die Grünen. Nach knapp einem Jahr in der Bundesregierung steht die Umweltpartei vor einem Chaos: die Proteste im Kohledorf Lützerath, der Vorwurf der gebrochenen Klimaversprechen, dazu die ungewöhnlichen waffenpolitischen Positionen im Ukraine-Krieg. Haben die Grünen in der Ampelkoalition ihre Prinzipien aufgegeben?

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Anton Hofreiter, Grünen-Politiker
  • Julia Löhr, "FAZ"-Wirtschaftsexpertin
  • Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der „Welt“
  • David Dresen, Klimaaktivist

Dieser Frage muss sich am Mittwoch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter bei "Markus Lanz" stellen. Verantworten muss er sich dabei unter anderem vor dem Moderator selbst, denn Lanz teilt an diesem Abend heftig aus. Am Ende kommt es zum regelrechten Zoff.

Grünen-Politiker Anton Hofreiter spricht im Deutschen Bundestag.
Grünen-Politiker Anton Hofreiter spricht im Deutschen Bundestag. © IMAGO / Political-Moments

Hofreiter: Laufen Ereignissen im Ukraine-Krieg hinterher

Zu Beginn des Abends hält aber zunächst der Grünen-Politiker selbst das Wort. Hofreiter setzt sich nach wie vor für die Auslieferung der Leopard 2-Panzer an die Ukraine ein – eine für seine Partei ungewöhnliche Position. Deutschland dürfe sich nicht ständig hinter anderen Ländern verstecken, kommentiert Hofreiter die zaghafte Haltung von Kanzler Olaf Scholz (SPD): "Wir als Bundesrepublik laufen immer den Ereignissen hinterher."

Die "Verzögerungsstrategie" führe nicht zu Besonnenheit, sondern dazu, dass Russland annehme, den Krieg gewinnen zu können, so Hofreiter. Bei Markus Lanz scheint er damit auf offene Ohren zu stoßen: "Ich höre da großen Frust und große Enttäuschung", resümiert der Moderator zunächst verständnisvoll.

Doch Lanz scheint heute in Provokationslaune, und so wundert es nicht, dass seine nächste Frage in Richtung Hofreiter schon deutlich schärfer ausfällt als seine vorherige empathische Beobachtung: "Sie sind doch noch bei den Grünen?", fragt der Moderator unvermittelt. "Manchmal bin ich mir da nicht so sicher." Oh je.

Quotenfrage bei Lanz: Journalistin stichelt

Kurzes Gelächter, Abschütteln, nächstes Thema: Es geht um Boris Pistorius (SPD), Parität, Geschlechterquoten. Immerhin ersetzt der neue Verteidigungsminister der SPD eine weibliche Vorgängerin. Die Geschlechtergleichheit im Scholz-Kabinett, die der damalige Kanzlerkandidat noch im November 2020 versprochen hatte? Vorerst ausgesetzt.

Hofreiter scheint nun erstmals mit den vorwurfsvollen Fragen zu hadern: "Man muss auch konstatieren, dass die Zeiten krasser sind", sagt der Grünen-Politiker beschwichtigend und spielt damit auf die Energiekrise, die wirtschaftliche Situation und den Ukraine-Krieg an. "Natürlich wäre es besser, wenn es anders liefe", gibt er zu. "Am Ende muss es aber eine Regierung geben."

Die Runde will diese Ausreden nicht gelten lassen: Vor einem Jahr sei Hofreiter selbst einer Quote zum Opfer gefallen, als Parteikollege Cem Özdemir als Politiker mit Migrationsgeschichte den Ministerposten für das Landwirtschaftsressort bekommen hat, wirft die Journalistin Julia Löhr ein. "Da wirkten Sie nicht ganz so gelassen", stichelt sie. Die anderen grinsen amüsiert.

Lanz gegen Hofreiter: "Argumentative Sackgasse"

Doch bevor sich Hofreiter verteidigen kann, folgt schon der nächste thematische Schlag gegen die Grünen: Denn während Hofreiter die Frauenquote bei Lanz beinahe abmoderiert, forderte sie in Thüringen vor anderthalb Wochen die Entlassung des grünen Justizministers Dirk Adams zugunsten einer Frau. "Ich nenne das Diskriminierung!", wettert Lanz, schließlich sei Adams klar wegen seines Geschlechts benachteiligt worden. Mehr zum Thema: Erste schwarze Ost-Ministerin: So tickt Doreen Denstädt

Hofreiter lässt inzwischen zunehmend müde die Schultern hängen, blickt hin und wieder entnervt zur Studiodecke. Adams habe nicht wegen der Quote gehen müssen, erklärt er. Andere Gründe will Hofreiter aber auch nicht nennen. "Es ist einfach unanständig, nach einem Rücktritt noch Dreck hinterher zu werfen", sagt er. "Man muss akzeptieren, dass Entscheidungen fallen."

Doch Lanz lässt nicht locker – und greift den Grünen-Politiker nun direkt an. "Mit gespielter Empörung kommen Sie hier nicht weiter, Sie stecken in der argumentativen Sackgasse", so Lanz. Er deutet an, die Grünen hätten mit Adams einen fehlerfreien Politiker abgesetzt – für eine vermeintliche Geschlechterideologie: "Der mit dem Dreck sind im Zweifel Sie", urteilt der Moderator. Hofreiter nimmt große Schlücke aus seinem Wasserglas, die anderen Gäste schweigen betreten.

Der Grünen-Politiker setzt nun zum Gegenangriff an: "Wenn Sie sagen, Geschlechtergleichheit sei eine Ideologie, muss ich widersprechen", schießt er gegen Lanz. Der lacht auf, wimmelt den Vorwurf aber ab. Und teilt einen letzten Schlag aus: "Wollen wir jetzt über das zweite Grünen-Problem sprechen?", moderiert er das Thema Lützerath an.

Lützerath bei Lanz: Klimaaktivist schießt gegen Hofreiter

Wenig überraschend bekommt Hofreiter auch bei der Diskussion um Lützerath noch einmal heftige Gegenreaktionen. Der Klima-Aktivist David Dresen, selbst wohnhaft im Kohledorf Kuckum, wirft dem Grünen-Politiker und seiner Partei Unehrlichkeit vor. Die Grünen, so Dresen, verkauften einen Deal als Klimamaßnahme, in dem es vor allem um Energiesicherheit und Gefälligkeiten gegenüber RWE ginge. Lesen Sie auch: Grünen-Chefin Lang nennt Räumung von Lützerath "schmerzhaft"

Hofreiter setzt zunächst zur Erklärung an: Das russische Erdgas habe ersetzt und Blackouts vermieden werden müssen, erklärt er sichtlich angeschlagen. Doch kaum hat er sein letztes Wort ausgesprochen, fliegt schon die nächste Spitze in seine Richtung: "Ist das Ihre Argumentation oder die der CDU?", spottet Dresen. Es scheint mittlerweile klar: Aus dieser Nummer kommt Hofreiter heute nicht mehr raus.

Das Schlusswort übernimmt an diesem Abend Julia Löhr: "Aus der Opposition heraus lässt es sich eben leicht fordern", kommentiert sie den ehemals radikaleren Klimakurs der Umweltpartei. Die Grünen seien als Teil der Ampel-Koalition "in der Realität angekommen." Das kann nach dieser Sendung wohl auch Anton Hofreiter nicht mehr bestreiten. Mehr zum Thema: "Anne Will": Thunberg attackiert die Grünen – "heuchlerisch"

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