Berlin. Die Corona-Pandemie offenbart den Notstand in der Pflege einmal mehr. Eine Pflegerin wünscht sich mehr als anerkennendes Klatschen.

Besuche in Pflegeheimen sind untersagt, auf den Intensivstationen bereitet man sich auf das Schlimmste vor. Mittendrin das Pflegepersonal, das in dieser Notsituation gleichzeitig um die eigene Gesundheit und die der Patienten bangen muss. Die Corona-Krise legt den Finger in die schon lange schwelende Wunde des Pflegenotstands.

„Wir dürfen uns über das, was heute passiert, nicht wundern. Und es tut mir nur sehr, sehr leid um die alten Menschen, denn die können am wenigsten dafür“, meint die Altenpflegerin Eva Ohlerth im Gespräch mit Maybrit Illner.

Jahrelang habe man nach Hilfe gerufen, aber keine bekommen. Nun ist zu wenig Personal da. Gleichzeitig produzieren die Besuchsverbote in Alten- und Pflegeheimen laut Ohlerth für viele Bewohner eine emotionale „Katastrophe“. Hintergrund: Über 150 Tote – so dramatisch ist die Lage in deutschen Pflegeheimen

Altenpflegerin warnt: Menschen sterben an schlechter Pflege

Der Personalmangel in der Pflege führe in der derzeitigen Situation zu einer Gefahr für Leib und Leben, meint Eva Ohlerth: „Die Leute sterben nicht alle am Corona-Virus. Sie sterben auch an schlechter Pflege. Und momentan haben wir viel schlechte Pflege.“

Für Angehörige hat Ohlerth, die seit über dreißig Jahren in der Altenpflege tätig ist, eine klare Empfehlung: „Wenn man es sich leisten kann, sollte man Patienten sofort nach Hause holen.“

Rund 800.000 Senioren sind in Deutschland in Altenheimen untergebracht. Dort wird die Versorgung nun auf ein Minimum heruntergefahren und der Betreuungsschlüssel angehoben: Noch weniger Pfleger kümmern sich um noch mehr Patienten. Das soll Patienten und Pflegepersonal gleichermaßen schützen – hat aber einen hohen Preis.

Leiterin eines Altenheims: „Sind noch nicht beim Abfertigen angekommen“

Robert Habeck, Eva Ohlerth, Maybrit Illner, Franziska Giffey und Klaus Reinhardt (v.l.).
Robert Habeck, Eva Ohlerth, Maybrit Illner, Franziska Giffey und Klaus Reinhardt (v.l.). © ZDF/Svea Pietschmann | ZDF/Svea Pietschmann

Wenn die Pflegekräfte weniger Zeit pro Patient haben, kann die Versorgung auch einer Maschinerie gleichen. Im Hermann-Josef-Altenheim in Erkelen, das Ursula Hönigs leitet, ist es aber anscheinend noch nicht so weit: „Unsere Kollegen arbeiten hier trotz eines wirklich extrem eng geschnürten Personalschlüssels mit einer solchen Motivation, dass wir noch nicht beim Abfertigen angekommen sind“, erzählt sie.

Kommentar: Applaus für Pflegekräfte zahlt noch keine Miete

Um diese „Motivation“ zu belohnen, sollen Pfleger und Pflegerinnen, wenn es nach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht, nun einen Bonus erhalten. Eine einmalige Zahlung und Zuspruch aus der Bevölkerung gehen Eva Ohlerth aber nicht weit genug. Auch weil das nicht helfe, mehr Menschen für die Pflegeberufe zu gewinnen – und in ihnen zu halten.

Maybrit Illner: Pflegefachkräfte fordern 4.000 Euro brutto

„Solidarität ist schön. Aber wir haben keine Zeit mehr, über Gehälter zu verhandeln. Die Pfleger laufen uns davon“, so die Altenpflegerin und Buchautorin. Sie ist Mitinitiatorin einer Petition, die 4.000 Euro brutto als Einstiegsgehalt in Pflegeberufen fordert. „Denn Wertschätzung ist und bleibt auch monetär“, so Ohlerth.

Die Gehaltsforderung liegt deutlich über dem deutschen Brutto-Durchschnittskeinkommen. Ursula Hönig formuliert vielleicht auch deshalb etwas vorsichtiger: „Es ist im Moment wenig hilfreich über Löhne zu sprechen. Wir sollten uns erstmal auf diese hochkomplizierte Situation konzentrieren.“ In Hönigs Altenheim ist der erste Bewohner am Corona-Virus erkrankt. Das scheint die Prioritäten zu verschieben.

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