Berlin. Virologe Hendrik Streeck macht bei Markus Lanz auf ein wichtiges Detail aus der Heinsberg-Studie aufmerksam. Kommt das Ende der Krise?
- Am Donnerstag waren bei Markus Lanz im ZDF Bodo Ramelow, Ferdinand von Schirach, Prof. Christiane Woopen und Prof. Hendrik Streeck zu Gast
- Der Talk verlief insgesamt ruhig und nachdenklich
- Die Gäste führte ihren Diskussion selbstorganisiert und differenziert – Markus Lanz selbst hielt sich eher im Hintergrund
- Themen waren die Grundrechte und die Verhältnismäßigkeit ihrer Einschränkungen
„Das Grundgesetz stellt den Lebensschutz nicht über alles“, erklärte der ehemalige Strafverteidiger und Autor Ferdinand von Schirach am Donnerstag bei „Markus Lanz“. Und erläuterte mit einem seiner unnachahmlich anschaulichen Beispiele: „Sonst würden wir auch das Autofahren verbieten. Da nehmen wir Verkehrstote doch auch in Kauf.“
Nein, es sei die Würde, die nach dem Grundgesetz als höchstes Gut unantastbar ist. Im Leben wie im Sterben, erläuterte von Schirach. Besonnen und mit leiser Stimme erläuterte er plastisch und verständlich schwerste ethische Fragen. Zum Beispiel, wieso grundgesetzlich die Lebensrestzeit keine Rolle spielen darf, wenn ein Leben gegen ein anderes abgewogen werden soll. Oder warum im Falle von Corona die Beschränkungen der Grundrechte nicht nur legitim, sondern auch erforderlich waren.
Die Politik hätte nicht anders gekonnt, als den L ockdown zu beschließen, stellte von Schirach im Verlauf des „Lanz“-Talks die vermeintlichen Argumente sogenannter Grundrecht-Schützer richtig. „Das Grundgesetz verlangt das. Es schützt eben auch das Leben.“ Politik müsse nur ständig abwägen, wie lange und wie stark die Grundrechte beschränkt bleiben dürften.
Markus Lanz – das waren die Gäste:
- Bodo Ramelow, Linken-Politiker und Ministerpräsident von Thüringen
- Ferdinand von Schirach, Jurist und Autor
- Prof. Christiane Woopen, Ärztin und Vorsitzende des Europäischen Ethikrats
- Prof. Hendrik Streeck, Virologe
„Markus Lanz“: Wenig Erregungspotential, trotzdem anschaulich
Bei „Markus Lanz“ war diesmal insgesamt wenig Erregungspotential. Es war eher ein ruhiger, nachdenklicher, erläuternder Talk. Markus Lanz selbst war über weite Strecken gar nicht mehr gehört. Die Vierer-Runde mit erfreulich gescheiten Gästen führte ihren Diskurs sozusagen selbstorganisiert, auch sehr differenziert und mit vielen Impulsen zum Selberdenken.
Es ging um Grundrechte und die Verhältnismäßigkeit ihrer Einschränkungen. War der Lockdown angemessen? Hätten nicht auch weniger Auflagen ausgereicht?
Ramelow bei Lanz: Keine Polizei mehr, die an die Haustür klopft
Bei „Markus Lanz“ bekam der Thüringer Ministerpräsident nun die nötige Zeit, zu erklären, was genau er damit gemeint haben soll: Krisenstäbe, die in seinem Land beim Innenministerium angesiedelt sind, sollen aufgelöst, dafür die Gesundheitsämter gestärkt werden. „Ich will einfach nicht mehr, dass die Polizei an die Haustür klopft, um zu überprüfen, wer zu Besuch ist oder wie viele.“
Die Infektionszahlen ließen es zu, dass man in Thüringen wieder in den „Normalmodus“ komme. Und also nicht nur Fitnesscenter öffne, wie ein Gerichtsurteil es von ihm verlangt, sondern auch Kitas und Schulen. 245 Infizierte, alle namentlich bekannt und in Quarantäne, 30 davon im Krankenhaus, das seien die aktuellen Zahlen für Thüringen. „Ich will den Menschen die Angst nehmen und sie überzeugen, weiter achtsam zu sein, auch ohne Verbote“, so Ramelow.
Christiane Woopen, Ärztin und Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, schien nicht so überzeugt von seinen Plänen. Im Ethikrat hatte sie die Kriterien für die Lockdown-Lockerungen mitentwickelt. „Menschen brauchen Regeln“, sagte sie und zeigte sich skeptisch, ob ein Appell an die Vernunft ausreichen würde. Auch für sie sei Freiheit der wichtigste Grundwert überhaupt. „Aber Freiheit bedeutet auch Verantwortung, nicht nur für einen selbst, auch für die anderen.“
Virologe Streeck bei Lanz: Großveranstaltungen weiterhin verbieten
Vorsichtig, fast zugeknöpft wirkte Hendrik Streeck, der sich erst gar nicht in die Polit-Diskussion einmischen wollte. Weder wollte er den „perfiden Angriff“ der „Bild“ auf seinen Forscherkollegen Christian Drosten kommentieren. Und schon gar nicht beurteilen, ob die Politik mit ihren Maßnahmen bisher richtig lag – da konnte Markus Lanz so häufig nachhaken, wie er wollte. Hintergrund: Streit zwischen „Bild“ und Drosten – das steckt dahinter.
Immerhin erläuterte der Bonner Virologe dann ein paar interessante Details aus seiner „Heinsberg-Studie“, die bisher wenig bekannt waren. So habe man anhand der Untersuchung in Gangelt herausgefunden, dass „schlimme Infektionsverläufe durch den Cluster-Effekt immer von Superspread-Momenten ausgehen“. Deshalb fände er es wichtig, Großveranstaltungen weiterhin zu unterbinden. Hintergrund: Das sagt Christian Drosten über Superspreader
„Im Umkehrschluss würde das aber auch heißen, dass Einzelinfektionen nur leichte Symptome aufweisen.“ Das allerdings muss noch weiter erforscht werden – zum Beispiel in einer neuen Feldstudie in Heinsberg.
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