Essen. Der Rostocker„Polizeiruf 110“ bleibt seiner Qualität treu. Im aktuellen Fall „Dunkler Zwilling“ jagen die Ermittler einen Serienmörder.

Sorry, Tatort, aber das aufregendste Polizei-Duo ermittelt in Rostock, im „Polizeiruf 110“.

Bukow, der schlunzige Brummbär, der seine persönlichen Niederlagen auch mal im Billig-Rum ertränkt, und Katrin König, die feine LKA-Profilerin mit dem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und einer komplizierten Vergangenheit. Beide voneinander angezogen und doch wieder abgestoßen, ganz ohne die billigen Buddy-Klischees, die so eine Konstellation oft mit sich bringt – das hat der Reihe in den letzten neun Jahren einige der besten deutschen Fernsehkrimis überhaupt beschert.

Auch weil Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau diesen beiden verletzlichen Seelen eine Wärme und Tiefe verleihen, wie man sie von ihren Mitbewerbern um die Viertel-nach-acht-Gunst des Publikums in aller Regel nicht kennt. Ihr neuer Fall „Dunkler Zwilling“ reiht sich da ein.

„Polizeiruf 110“: Der Täter hat seit 15 Jahren nicht gemordet

Dabei zeigt Autor und Regisseur Damir Lukacevic sie diesmal als Ermittler, die sich an sämtliche Spielregeln halten und ausgesprochen seriös ihrer Arbeit nachgehen. Freilich hadern sie noch miteinander, weil König im letzten Fall Beweise manipuliert hatte. Ihr Schuldgefühl ist immer noch allgegenwärtig, nur langsam bauen die beiden wieder ein bisschen Nähe zueinander auf.

Einen Serienkiller müssen sie aufspüren, der offenbar 15 Jahre Pause gemacht hat. Die Morde an jungen Frauen sind in ihren unappetitlichen Details so monströs, wie man es sonst eher aus skandinavischen Krimis kennt, Kamerafrau Leah Striker findet entsprechend düstere Bilder.

Zwei Verdächtige serviert das Drehbuch, so glänzend besetzt, dass auch sie einem in Erinnerung bleiben. Simon Schwarz lässt uns als Umzugsunternehmer Kern frösteln, ein eloquenter Ordnungsfetischist und krankhaft fürsorglicher Vater, hinter dem sich Abgründe vermuten lassen, nicht nur, weil seltene, kurze Wutausbrüche eine andere Seite von ihm so plausibel erscheinen lassen.

Alexander Beyer als todernster Dauerstudent und Hobbymaler Hansen mit Prüfungsangst und Taxischein bleibt so undurchsichtig, dass man auch ihm alles zutrauen mag. Hansens 25 Jahre ältere Ehefrau zeigt ihn an, weil er eine der Ermordeten gemalt hat. Eine starke kleine Rolle für die große Angela Winkler als Weltfremdelnde, als Desillusionierte, deren Lebensplan mit dem viel jüngeren Zauderer an ihrer Seite nicht aufgeht: Er quält sie mit Missachtung.

Mein Vater, ein kranker Mörder?

Mit einem cleveren Perspektivwechsel erhöht der Krimi die Dramatik: Es sind schließlich die Nächsten, die sich mit der Frage befassen müssen: Kann es sein, dass ausgerechnet mein Mann oder mein Vater ein kranker Mörder ist? Lukacevic folgt vor allem Kerns Tochter Maria (berührend: Emilia Nöth), die sich das Blut im Auto des Vaters nicht erklären kann und an ihren inneren Zweifeln kaputtgeht, weil sie sich auch der geschiedenen Mutter nicht anvertrauen mag.

Die in nahezu jedem Detail stimmige Inszenierung bleibt dennoch eher unaufgeregt, gefällt sich in der Rolle des Beobachtenden, ehe sie in einer finalen Zuspitzung alle Fragen beantwortet.

Nun gut, nicht alle Fragen. Man möchte natürlich wissen, wie es mit Bukow und König weitergehen wird. Wir bleiben dran.