London/Berlin. Königin Elizabeth und Prinz Philip waren 73 Jahre verheiratet. Nach einer so langen Zeit ist der Verlust des Partners ein besonders schwerer Schock. Droht eine Abdankung?

Die Krönungszeremonie von Elizabeth II. im Jahr 1953 hatte mit ihren uralten Ritualen etwas von einem Gottesdienst. Doch als die Queen am Ende durch Westminster Abbey schritt, wurde die Feierlichkeit von ihrem Gemahl kurz durchbrochen.

Mit Blick auf ihre Krone fragte Philip: "Wo hast du den Hut her?" Auf solche humoristischen Einlagen, die in England als "comic relief", als befreiende Komik, bekannt sind, wird seine Witwe künftig verzichten müssen. Philips Tod hat nach den Worten von Sohn Prinz Andrew eine "große Leere in ihrem Leben" hinterlassen.

"Bei einer so langen Beziehung ist der Tod des einen Partners immer ein großer Schock", analysiert Jürgen Margraf, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruhruniversität Bochum. Es ändere sich der vertraute Lebensrhythmus, viele Stimulationen wie etwa positive Rückmeldungen fielen weg. Statistisch gesehen besteht in der Folgezeit ein erhöhtes Sterberisiko für den überlebenden Partner.

Der Queen kämen vermutlich ihre eiserne Disziplin und die festen Strukturen des Hofes als Stabilitätsfaktoren zugute. "Andererseits: Das Ende einer über 70-jährigen Ehe, die nach allem was man gehört hat, gut funktionierte, muss zwangsläufig ein Riesenschlag sein, gar keine Frage", sagt der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

Ähnlich sieht es Andrew James Johnston, Professor für Englische Philologie an der Freien Universität Berlin. "Wir können in den Kopf einer trauernden Persönlichkeit nicht hineinschauen, aber fest steht, dass die Königin mit Prinz Philip eine für menschliche Verhältnisse fast unendlich lange Ehe geführt hat, in der Prinz Philip auch bis zuletzt geistig voll da war." Aus menschlicher Perspektive sei das ein massiver Einschnitt.

Zwar wissen viele aus der Netflix-Serie "The Crown", dass die königlichen Eheleute schon seit vielen Jahrzehnten getrennte Schlafzimmer hatten, doch das darf man nach Einschätzung des Queen-Biografen Thomas Kielinger nicht überbewerten: "Die britische Aristokratie praktiziert seit Jahrhunderten getrennte Schlafzimmer, und wie wir heute wissen, ist dieser Raum, den man sich gegenseitig gönnt, psychologisch gar keine schlechte Lösung." Beide, die Queen und Prinz Philip, hätten immer so viele unterschiedliche Verpflichtungen gehabt, dass es anders auch gar nicht vorstellbar gewesen wäre, meint Kielinger.

Die Queen selbst äußert sich selten über private Dinge, aber 1997 gab sie bei ihrer Goldenen Hochzeit einen kurzen Einblick in ihre Langzeit-Beziehung. "Allzu oft musste Philip meine Ansprachen mit anhören", erzählte sie in einer Tischrede. "Häufig hatten wir im Vorfeld das Manuskript besprochen. Wie Sie sich vorstellen können, hat er mir dabei recht unverblümt seine Meinung gesagt." Er sei niemand, der gerne Komplimente bekomme, doch sei er ohne Zweifel "meine Stärke und mein Fels".

Unstrittig ist, dass Elizabeth und Philip jahrzehntelang ein eingespieltes Team bildeten. Philip blieb in der Öffentlichkeit zwar stets zwei Schritte hinter der Monarchin zurück, schlossen sich die Türen, konnten sich die Rollen aber schnell vertauschen. So notierte der britische Politiker Roy Jenkins, der von 1977 bis 1981 Präsident der Europäischen Kommission war, über einen Besuch des Königspaars in Brüssel: "Ich konnte die Queen nicht dazu bringen, irgendwelche Fragen zu stellen, sie blieb recht still, aber der Herzog von Edinburgh schaltete sich sehr rege ein und hielt das Gespräch am Laufen." Obwohl er ziemlich europakritische Positionen vertreten habe, sei er Philip dafür dankbar gewesen.

Dass die Queen als Reaktion auf den Tod ihres Mannes abdanken könnte, glaubt Johnston nicht. "Es hat in der jüngeren englischen Geschichte ja überhaupt nur eine Abdankung gegeben, nämlich die von Edward VIII. im Jahr 1936, und damit sind extrem ungute Erinnerungen verbunden." Insbesondere in den vergangenen Jahren sind die engen Verbindungen Edwards zum Nationalsozialismus intensiv beleuchtet worden.

"Als Konsequenz auf den Skandal um Edwards Rücktritt ist auch ein bestimmtes Rollenverständnis der Monarchie entstanden", erläutert Johnston. "Eines, bei dem der Monarch nicht so stark als Persönlichkeit hervortreten darf. Edward war ja sehr leichtfertig mit Traditionen und Verfassung umgegangen, er träumte von der Rolle eines Volksmonarchen." Ganz im Gegensatz dazu nehme sich die Queen als Person sehr zurück. Vor diesem Hintergrund wäre eine Abdankung eine viel zu starke, zu emotionale Reaktion auf den Tod ihres Ehemanns.

Genauso sieht es der in London ansässige Buchautor Kielinger: "Das Wort Abdankung kann man streichen", betont er. "Die Königin ist geprägt durch ihr Erlebnis, als sie zehn Jahre alt war und der Onkel um der Liebe willen zurücktrat." Diese Krise sei fest in sie eingeschrieben. Der Dienst am Land und seiner Verfassung bedeute für sie, dass man nicht zurücktrete, erklärt der Experte. "Das Einzige, was man sich vorstellen kann, ist, dass sie krank wird und nicht mehr fähig ist, die Geschäfte auszuführen. Dann kommt Charles als Regent an die Reihe. Dann heißt er nicht König, sondern Regent. Es ist undenkbar, dass wir zwei amtierende Könige haben. Da ist die eiserne Geschichte Englands ein Kontinuum, an dem niemand rütteln wird."

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