Erfurt. Unbehandelte Essstörungen können tödlich enden. 2017 starben in Deutschland 78 Menschen. Eine Umfrage ergab: Schuld sind Instagram und Influencer.

Die Zahlen sind besorgniserregend: 17 von 1000 jungen Frauen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren leiden an einer diagnostizierten Essstörung – und es werden immer mehr. In den letzten zehn Jahren stiegen die Erkrankungszahlen in dieser Altersgruppe um 22 Prozent, bei den 18- bis 24-Jährigen um gut elf Prozent. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind sogar schon 20 von 1000 erkrankt. Laut Kaufmännischer Krankenkasse, die die Fallzahlen anhand der Daten ihrer Versicherten ermittelte, stellen die 18- bis 29-Jährigen mit fast 90 Prozent den höchsten Anteil aller Essgestörten.

Experten unterscheiden die Magersucht (Anorexia nervosa), bei der Menschen bis hin zum lebensbedrohlichen Untergewicht hungern, die Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa), bei der Betroffene nach Essattacken erbrechen oder Abführmittel missbrauchen, um nicht zuzunehmen, und die Binge-Eating-Störung, die mit wiederkehrenden Essattacken einhergeht und zu starkem Übergewicht oder gar Adipositas führt.

Die Dunkelziffer ist hoch. Unbehandelt könnten Essstörungen tödlich enden, so die Kasse. 2017 starben laut Statistischem Bundesamt 78 Menschen in Deutschland an Essstörungen, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.„Essstörungen beginnen oft in der Pubertät“, sagt KKH-Psychologin Franziska Klemm. Oft lägen tiefere seelische Probleme zugrunde. Auslöser könnten traumatischen Erlebnissen wie Missbrauch, familiäre Konflikte, Leistungsdruck und Mobbing sein. „Eine immer größere Rolle spielen auch Stars in sozialen Medien wie Instagram, Youtube & Co.. Der Boom vermeintlich perfekter Selfies zeichnet ein unerreichbares und gefährliches Körperideal“, sagt Klemm.

Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH fühlt sich jeder sechste 13- bis 18-jährige Schüler sehr häufig bis häufig von Medien, Idolen und Influencern unter Druck gesetzt. Haben Betroffene eine Essstörung entwickelt, ist es mit einfachen Ratschlägen nicht getan. Häufig gehen sie mit Angststörungen, Depressionen, selbstverletzendem Verhalten oder Süchten einher. „Den Betroffenen fällt es oft schwer zu akzeptieren, dass sie Hilfe benötigen“, betont die KKH-Expertin.

Angehörige und Freunde sollten bei Verdacht auf typische Symptome achten. Das sind eine allgemein gereizte oder gedrückte Stimmung, sozialen Rückzug und Gewichtsveränderungen sowie Dauerdiäten, Erbrechen, Einnahme von Abführmitteln und exzessiver Sport. Alarmzeichen sind auch ein unverhältnismäßig hoher Aufwand für das eigene Aussehen, die Vernachlässigung geliebter Hobbys oder ein ungewohnter Selfie-Wahn.

Über den KKH-Blog InCogito können sich 16- bis 24-Jährige mit Betroffenen über Essstörungen und alles andere, was sie beschäftigt, anonym austauschen. Zusätzlich gibt das Kassenportal eine Übersicht über Unterstützungsangebote und bietet direkten Zugang zu einer Beratung von Betroffenen für Betroffene.