Berlin. Vier Tage arbeiten bei vollem Gehalt: Für viele ist das noch ein Traum. Doch die Vier-Tage-Woche könnte bald nach Deutschland kommen.

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei. Für viele Beschäftigten klingt dieser Arbeitsrhythmus wie ein schöner Traum. Doch viele können sich eine Arbeitsreduzierung mit Lohnabschlägen nicht leisten. Erfahrungen aus Großbritannien zeigen aber nun, dass in vielen Branchen die Beschäftigten an vier Tagen genauso produktiv sein können wie vorher an fünf Tagen. Wird eine Vier-Tage-Woche in Zukunft möglicherweise sogar die Regeln? Unsere Redaktion beantwortet wichtige Fragen.

In welchen Ländern gibt es die Vier-Tage-Woche?

Grundsätzlich können sich Arbeitgeber in allen europäischen Ländern mit ihren Arbeitnehmern darauf einigen, dass diese nur vier Tage pro Woche in Teilzeit arbeiten. In Belgien gibt es erstmals seit November 2022 einen Rechtsanspruch auf eine Vier-Tage-Woche. Die Beschäftigten können ihre Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auch an vier Tagen leisten – und zwar bei gleichem Gehalt. Die Stundenzahl kann auch reduziert werden, allerdings gegen Gehaltsabschlag. In Spanien wurde die Vier-Tage-Woche 2021 für ein Jahr getestet. In Großbritannien gab es zuletzt einen Pilotversuch, bei dem Menschen nur vier Tage in der Woche arbeiteten, ohne Gehaltsverzicht.

Ist eine Vier-Tage-Woche in Deutschland rechtlich möglich?

In der Regel umfasst die Arbeitswoche 40 Stunden, wobei an fünf Tagen je acht Stunden gearbeitet werden. Nach sechs Stunden muss spätestens eine Pause von 30 Minuten eingelegt werden. Für eine Vier-Tage-Woche reduzieren Beschäftigte in der heutigen Praxis ihre Arbeitszeit meistens auf 80 Prozent und verzichten auf 20 Prozent ihres Gehalts. Für eine Verteilung der Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf vier Tage – also zehn Stunden täglich - müssten die Ausnahmen des Arbeitszeitgesetzes genutzt werden.

Denn: In Deutschland darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. In Ausnahmen kann sie auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, „wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“ Zum Vergleich: In Österreich sind täglich zwölf Arbeitsstunden erlaubt, in der Schweiz sogar 14 Stunden.

Wie viel Gehalt bleibt bei der Vier-Tage-Woche?

Die Bezahlung muss individuell oder tariflich ausgehandelt werden. Wer nur noch vier statt fünf Tage die Woche arbeitet, ohne die Arbeitszeit für den fünften Tag nachzuholen, würde von seinem Arbeitgeber praktisch eine Lohnerhöhung von 20 Prozent erhalten. Eine solche Großzügigkeit lässt sich sicherlich nicht gesetzlich verordnen, da dies zudem auch in die Tarifautonomie eingreifen würde. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass in Zukunft eine Vier-Tage-Woche generell zur Regel werden könnte.

Wie viele Urlaubstage bleiben bei der Vier-Tage-Woche?

Der Urlaub beträgt mindestens 20 Tage im Jahr. Wird die Gesamtarbeitszeit auf vier Tage pro Woche verteilt, reduziert sich damit der Urlaubsanspruch auf mindestens 16 Tage pro Jahr – da an einem Tag in der Woche ja generell nicht gearbeitet wird. Unterm Strich hat der Beschäftigte bei beiden Modellen vier Wochen im Jahr frei.

Wie beliebt ist eine Vier-Tage-Woche bei Beschäftigten?

Fast 63 Prozent der Deutschen hätte gerne eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Nur 14 Prozent würde diese auch mit Abschlägen akzeptieren, wie eine Yougov-Umfrage von November zeigt. Unter den jüngeren Arbeitnehmern unter 40 Jahren stehen 83 Prozent einer Vier-Tage-Woche positiv gegenüber, allerdings würden auch von ihnen nur 17 Prozent Lohneinbußen dafür akzeptieren.

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Welche sind die Vorteile einer Vier-Tage-Woche für Beschäftigte?

Beschäftigte arbeiten vier Tage und haben drei freie Tage pro Woche. Je nach Absprache mit dem Arbeitgeber können diese in der Woche oder als verlängertes Wochenende genommen werden. Ein weiterer arbeitsfreier Tag verschafft mehr Zeit für eine gute Work-Life-Balance und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mitarbeiter haben das Gefühl, mehr Freizeit zu haben, was sich positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Behördengänge und sonstige Erledigungen können besser an einem Werktag als am Wochenende gemacht werden. Den Arbeitenden bleibt mehr Zeit für Familie und Freunde. Bei langen Anfahrtswegen wird zudem Zeit und Benzin eingespart. Wenn Mitarbeiter mehr Zeit haben, Abstand von der Arbeit zu gewinnen haben sie wieder mehr Energie und Motivation am Arbeitsplatz, so die psychologische Begründung.

Wie profitieren Betriebe von einer Vier-Tage-Woche?

In dem Pilotprojekt in Großbritannien, bei dem die Arbeit ohne Lohnkürzung auf vier Tage reduziert wurde, zeigten sich vor allem Vorteile: Der Umsatz der Unternehmen stieg, die Krankheitstage gingen zurück, die Produktivität stieg, der Stresslevel der Beschäftigten und die Fluktuation gingen zurück. Unternehmen werden für Mitarbeiter attraktiver, was die Stellenbesetzung angesichts des Fachkräftemangels erleichtern könnte. An dem Projekt beteiligten sich Unternehmen aus den Bereichen, IT, Bauwesen, Gastronomie, Gesundheit und Finanzen. Eine Vier-Tage-Woche könnte helfen, Zeit für die Qualifizierung von Mitarbeitern zu gewinnen.

Was sind die Nachteile einer Vier-Tage-Woche?

Längere Arbeitstage von 10 Stunden können für Mitarbeiter sehr anstrengend sein. Sollte ein vollständiger Lohnausgleich ausbleiben, wäre eine Verkürzung der Arbeitszeit insbesondere für Geringverdiener problematisch, sagt Sebastian Dullien, Direktor des arbeitnehmernahen Instituts IMK der Böckler-Stiftung, dieser Redaktion. Unternehmen müssen die freien Tage ihrer Mitarbeiter möglicherweise mit neuem Personal ausgleichen. Wird kein neues Personal eingestellt, könnte dies zu Überstunden führen, die wiederum die Produktivität bremsen könnten.

Der Fachkräftemangel in Deutschland stärkt tendenziell die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer. Das macht die Vier-Tage-Woche für viele möglich.
Der Fachkräftemangel in Deutschland stärkt tendenziell die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer. Das macht die Vier-Tage-Woche für viele möglich. © DanielIngelhart/istock

Wäre eine Vier-Tage-Woche ohne Lohnabschläge für die Wirtschaft verkraftbar?

„Eine plötzliche Reduktion der Arbeitszeit in der Gesamtwirtschaft um ein Fünftel bei sofortigem vollen Lohnausgleich würde viele Unternehmen überfordern und könnte auch zu steigender Inflation führen“, sagte Dullien. Eine Vier-Tage-Woche dürfte auch nicht direkt den Fachkräftemangel beheben. Sinnvoller wäre an dieser Stelle, den Beschäftigten mehr Flexibilität in der Wahl ihrer Arbeitszeitmodelle einzuräumen. Dazu kann dann auch eine Vier-Tage-Woche gehören.

Sollte es einen Rechtsanspruch auf eine Vier-Tage-Woche geben?

„Arbeitszeitfragen und insbesondere Fragen der Organisation von Arbeitszeiten sollte Sache der Tarifparteien sein, weil die Tarifpartner am besten einschätzen können, was konkret in einzelnen Branchen sinnvoll und möglich ist“, ist der IMK-Direktor Dullien überzeugt. „Ein Rechtsanspruch scheint mir aber nicht der ideale Weg, um solche Fragen der Neuorganisation von Arbeit durchzusetzen.“

Eine Vier-Tage-Woche für alle mit dann sehr langen Arbeitszeiten sollte nicht pauschal verordnet werden, meint Dullien: „Nicht für jedes Lebensmodell und alle familiären Bedürfnisse ist eine Vier-Tage-Woche die ideale Lösung.“ Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, lehnt einen „allgemein formulierter Rechtsanspruch“ ab. Dieser würde „niemandem helfen und für die Betriebe nur zusätzliche Bürokratie bedeuten“. Jeder Betrieb müsse für sich entscheiden, wie er seine Arbeit organisiert.

Gibt es positive Beispiele in der Praxis?

Im Handwerk gibt es längst Betriebe mit einer Vier-Tage-Woche – auch als Instrument, um ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern und die Chancen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte zu erhöhen“, berichtet der Handwerkspräsident Dittrich. Der japanische Firmenstandort von Microsoft ist auf die Vier-Tage-Woche mit Erfolg umgestiegen. Energie wurde eingespart, die Produktivität erhöht. Ebenso handelten Bolt und Basecamp in den USA. Bei der Comdirect Bank können sich Mitarbeiter ebenfalls für eine Vier-Tage-Woche entscheiden.

Wer arbeitet in Deutschland in Teilzeit?

Von den 38,7 Millionen Beschäftigten in Deutschland, die sozialversicherungspflichtig sind, arbeitet gut jeder Dritte in Teilzeit – insgesamt 10,2 Millionen Menschen. Die große Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten sind mit 77,2 Prozent Frauen. Nur 33,2 Prozent aller Frauen arbeiten in einem Vollzeitjob, so das Statistische Bundesamt. Teilzeitbeschäftigte arbeiten im Durchschnitt 20,8 Stunden pro Woche.

Die Arbeitswelt wird flexibler: Homeoffice gehört für viele Beschäftigte mittlerweile zum Alltag.
Die Arbeitswelt wird flexibler: Homeoffice gehört für viele Beschäftigte mittlerweile zum Alltag. © Christin Klose/dpa-tmn

Welche Arbeitszeitmodell gibt es sonst noch?

Viele Unternehmen nutzen flexible Arbeitszeiten. Hier gibt es verschiedene Modelle.

  • Bei Teilzeit wird die tägliche Stundenzahl individuell reduziert oder die vereinbarte Arbeitszeit auf einzelne Tage aufgeteilt.
  • Bei Gleitzeit legen die Arbeitnehmenden selbst fest, zu welcher Uhrzeit sie ihre Arbeit beginnen und beenden. Bei Vertrauensarbeitszeiten werden Ziele festgesetzt, die in einer bestimmten Frist erledigt werden müssen.
  • Bei Homeoffice können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zuhause arbeiten – und sich oft ihre Arbeitszeiten flexibel einteilen. Laut Bundesagentur für Arbeit erhöhen flexible Arbeitszeitmodelle die Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten, Betriebe könnten flexibler auf Marktschwankungen reagieren.

Was plant das Arbeitsministerium?

„Die Einführung einer gesetzlichen Vier-Tage-Woche ist in Deutschland nicht geplant“, sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums von Hubertus Heil (SPD) dieser Redaktion. „Entscheidungen über die Gestaltung der Arbeitszeit überlässt das Grundgesetz den Tarifvertrags- und den jeweiligen Arbeitsvertragsparteien. Diese sind unter Beachtung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes frei in ihren diesbezüglichen Entscheidungen.“