Berlin. Bewegung, Ernährung, Meditation, Psilocybin – Bestsellerautor Bas Kast über seinen Weg aus der seelischen Krise.

Bestsellerautor Bas Kast hat wegen einer seelischen Krise etliche Studien durchforstet und vieles ausprobiert – Bewegung, Ernährung, Meditation, aber auch Rauschmittel. Gerade Letztere haben ihn fasziniert und wieder innerlich zur Ruhe kommen lassen. Seine Erkenntnisse hat Kast in einem Buch festgehalten. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen und erklärt, was helfen kann, die Seele zu stärken und inneres Gleichgewicht zu finden.

Herr Kast, Ihren Büchern gingen immer Krisen voraus. Beim „Ernährungskompass“ etwa war es das kranke Herz, nun die Seele. Braucht es persönliche Betroffenheit?

Bas Kast: Für mich schon. Wegen persönlicher Not und Verzweiflung wollte ich immer mehr über ein Thema wissen. Die meisten Wissenschaftler arbeiten nicht aus einer Betroffenheit heraus. Mir hilft sie enorm dabei, mich zwei, drei Jahre oder noch länger mit einem Thema zu beschäftigen, mich in Studien einzuarbeiten und auch alles auszuprobieren.

Ist es Ihnen schwergefallen, sich mit Ihren seelischen Problemen zu offenbaren?

Kast: Das ist eine Haltung. Ich versuche, auch in Gesprächen einfach radikal ehrlich zu sein. Ehrlich mit mir, meinem Gegenüber und auch mit meinen Leserinnen und Lesern – sofern relevant. Mein tiefstes Inneres kommt im Buch aber nicht vor oder bewusst nur in allgemeiner Form.

Sie schreiben von einem Stimmungstief. Wie ist es Ihnen ergangen?

Kast: Generell ist wichtig: Biologisch plausibel ist, dass es sehr unterschiedliche Grade von Stimmungstiefs gibt, die aber alle sozusagen von einem Stimmungssystem des Gehirns verursacht werden. Wir alle befinden uns auf einer Art Spektrum, das von Manie bis schwerste Depression reicht. Und darauf bewege ich mich auch.

Ich denke aber nicht, dass ich jemals eine wirklich schwere Depression entwickelt habe. Denn dann ist es kaum noch möglich, selbst zu handeln, und es braucht professionelle Unterstützung. Ich kenne Personen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis mit klinisch diagnostizierter Depression – und das ist noch einmal eine ganz andere Kategorie.

Sie haben sich unter anderem für Ernährungsumstellung, Sport, Meditation, Psychedelika, Eis- und Waldbaden entschieden. Warum war Psychotherapie keine Option?

Kast: Kognitive Verhaltenstherapie ist ein wirklich wirksamer und etablierter Standard. Ich wollte mir das anschauen, was neu ist in der Forschung. Und vor allem auch schauen, was ich selbst tun kann, damit es mir besser geht. Stimmungsschwankungen kenne ich schon, seit ich etwa 17 Jahre alt bin. Vielleicht gibt es eine gewisse genetische Veranlagung dazu.

Anfangs war ich dem hilflos ausgeliefert. Es war eher eine Haltung von: Zähne zusammenbeißen und warten, dass die dunklen Wolken vorüberziehen. Selbst ins Handeln zu kommen, rigoros gegenzusteuern, zu spüren, was das bewirkt – das war für mich sehr ermächtigend und hat mir sehr geholfen.

Um eine schweres Stimmungstief zu überwinden. hat Bas Kast vieles ausprobiert. Auch Meditation half ihm dabei, sich und seine Glaubenssätze besser zu verstehen.
Um eine schweres Stimmungstief zu überwinden. hat Bas Kast vieles ausprobiert. Auch Meditation half ihm dabei, sich und seine Glaubenssätze besser zu verstehen. © Mike Meyer

Für wen ist ihr Buch gedacht? Das Thema Depression kommt oft zur Sprache.

Kast: Für all jene, die sich nicht wirklich wohlfühlen, energielos sind, mit Stress und Stimmungstiefs zu kämpfen haben. Für alle, die gerne etwas stressresilienter wären. Ich denke als Faustregel lässt sich sagen, dass alles, was gegen Depressionen hilft, einem auch generell auf die Sprünge helfen kann und zum Wohlbefinden beiträgt.

Ein klassisches Beispiel wäre Bewegung.

Kast: Wir wissen, dass man mit einem Sportprogramm eine handfeste klinische Depression deutlich lindern kann. Und zwar ungefähr so gut wie mit Standardmedikamenten. Manche würden sogar sagen, etwas besser, weil Sport weniger Nebenwirkungen hat.

Aber es gibt eben noch viele weitere Dinge – wie eben Meditation, die nicht nur bei Depressionen, sondern allen Personen dabei helfen kann, sich wohler zu fühlen und mehr in der Balance zu sein. Das krasseste Beispiel sind für mich aber die Psychedelika.

Man spürt, dass Sie diese total fasziniert ­haben. Warum?

Kast: Psilocybin – der Stoff, der Magic Mushrooms so magisch macht – zählt nach derzeitigen Erkenntnissen zu den wirksamsten Antidepressiva überhaupt. Laut einer Studie, veröffentlicht im „New England Journal of Medicine“, helfen bereits zwei Sitzungen.

Zugleich zeigen viele Experimente, dass Leute, die überhaupt keine psychischen Probleme haben, sich nach Wochen, sogar noch zwei Monate nach einem Psilocybin-Trip, wohler fühlen in ihrer Haut. Sie sind sozialer, weniger egoistisch. Das ergaben Untersuchungen der Johns Hopkins University von Roland Griffiths – also durch und durch seriös.

Gleichzeitig zählt das Psilocybin zu den „Drogen“, ist zumindest in Deutschland illegal und auch mit Risiken verbunden.

Kast: Das Wort „Droge“ umfasst Heroin, Crystal Meth, Crack, Kokain und Pilze. Allein das finde ich problematisch. Die einen zerstören nachweislich Leben, die anderen können nachweislich bei Depression helfen. Es geht auch gar nicht darum, den Leuten zu sagen, jetzt geht alle trippen, sondern einfach darum, eine Möglichkeit aufzuzeigen – insbesondere bei hartnäckigen Stimmungstiefs. Und natürlich kann man auf noch mehr Daten warten.

Egal wie – und das betone ich auch immer wieder: Nehmt Psilocybin bloß nicht auf eigene Faust. Das ist mir ganz wichtig: Wenn ihr es ausprobieren wollt, bereitet euch gut vor und nehmt es nur in professioneller Begleitung. Aber ja, für mich waren Psychedelika die spektakulärste, eine zutiefst spirituelle Erfahrung und am Ende wirklich lebensverändernd. Auf der anderen Seite sind solche Trips das, was ich am seltensten tue – seriös und legal in Holland.

Sie gehen täglich joggen, meditieren und verzichten auf Zucker. Wie handhaben Sie das Thema Ernährung sonst?

Kast: Ich setzte unter anderem auf Mittelmeerkost. Diese ist nicht nur bei Depression zu empfehlen. Auch „Normalos“ verspüren nach einer Ernährungsumstellung mehr Energie – das zeigt sich auch bei mir. Es gibt viele Hinweise darauf, dass diese Form der Ernährung den Hippocampus, den Teil im Gehirn, der offenbar unsere Stimmung lenkt, positiv beeinflusst.

Bas Kast: „Kompass für die Seele. Das Fazit neuester Studien zu Resilienz und innerer Stärke“, C. Bertelsmann, 24 Euro
Bas Kast: „Kompass für die Seele. Das Fazit neuester Studien zu Resilienz und innerer Stärke“, C. Bertelsmann, 24 Euro © PR

Woher kommen die Stimmungstiefs, die jeder mal verspürt – auch ohne schlimme psychische Belastung?

Kast: Zunächst wirken diese Tiefs natürlich irritierend, weil wir in unserer Wohlstandsgesellschaft doch eigentlich alles haben, was wir brauchen. Aber wenn man genauer hinguckt, machen wir gerade in unserer Wohlstandsgesellschaft auch unheimlich viele Sachen, die auf krasse Weise unnatürlich sind: Wir gehen selten in die Natur, bewegen uns kaum noch, arbeiten zu viel, essen Junkfood, hoch verarbeitete Lebensmittel, verspüren keinen wirklichen Hunger mehr, bekommen zu wenig Sonnenlicht. Dafür sind wir nicht gemacht.

All diese Sachen schlagen uns aufs Gemüt, ohne dass wir es merken, weil wir in dieser künstlichen Normalität leben. Klar liebe ich unsere moderne Gesellschaft und all die Privilegien, die ich durch sie genieße. Man muss sich die Probleme, die sie mit sich bringt, aber bewusst machen – selber gezielt gegensteuern und Verantwortung für sich übernehmen.

Wie durchbricht man den Teufelskreis ­dieser ungesunden Normalität?

Das stimmt. Es ist erschreckend, dass meine drei Kinder überall immer Süßigkeiten angeboten bekommen. Es ist außergewöhnlich, jeden Morgen joggen zu gehen. Kalt duschen empfinden Menschen als radikal. Leute wie ich, die Zucker vermeiden, gelten als Freak – obwohl das über Millionen von Jahren normal war.

Ich glaube es hilft, sich erst mal eine Sache vorzunehmen, diese besser zu machen, sich zu überwinden und zu spüren: Ich fühle mich gut dabei. Ich sehe die verschiedenen Strategien als Werkzeugkasten, aus dem man sich nimmt, was einem liegt und weiterhilft. Letztlich muss es eine innere Bereitschaft zur Veränderung geben. Und die kostet eine gewisse Kraft.

Zur Person:

Der Autor und Wissenschaftsjournalist Bas Kast kommt eigentlich aus der Hirnforschung, studierte Psychologie und Biologie. Große Bekanntheit erlangte der 50-Jährige mit dem Bestseller „Der Ernährungskompass“, das 2018 als „Wissensbuch des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Kast lebt mit seiner Familie in Berlin.