Berlin. Veggie-Produkte sind längst im Supermarkt angekommen. Fleischersatz gilt als gesünder als das Original. Was Ernährungsexperten sagen.

Das Regal im Supermarkt um die Ecke misst etwa vier Meter in der Länge. Es ist gefüllt mit Fleischersatz: Veggie-Schnitzel, vegane Burger, Seitan-Gyros, Tofu-Würstchen. Fast jede Woche kommt hier ein neues Produkt hinzu.

Fleischersatz ist in Deutschland keine Massenware. Im Vergleich zum tierischen Original liegt der Marktanteil bei etwa zwei Prozent. Doch die Hersteller steigern und erweitern kontinuierlich Produktion und Sortiment. Die Nachfrage wächst.

Fleischersatz im Supermarkt: Wie gesund sind Veggie-Produkte wirklich?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind in Deutschland im Jahr 2021 etwa 98.000 Tonnen dieser Produkte hergestellt worden. Die Warenmenge stieg im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent, der Warenwert erhöhte sich sogar um 22,2 Prozent auf fast eine halbe Milliarde Euro.

Laut der Unternehmensberatung PwC hat sich dieser Trend auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Bis 2030 könnte der globale Umsatz mit Fleischersatz auf Pflanzenbasis den Angaben zufolge auf jährlich etwa 26 Milliarden Euro anwachsen.

Neben Vorteilen für Umwelt, Klima und Tierwohl bewerben die Hersteller Fleischersatz mit positiven Gesundheitsaussagen: proteinreich, fettarm, wertvoll. Doch können Verbraucherinnen und Verbraucher diesen Aussagen trauen? Wie gesund ist Fleischersatz wirklich?

Schon seit Langem bekannt ist, dass der Verzehr großer Mengen Fleisch negative Auswirkungen für die Gesundheit haben kann. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt deshalb seit Jahren, wöchentlich nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleischwaren zu verzehren. Vor allem das verarbeitete Fleisch, gepökelt etwa oder fermentiert, ist in Verruf geraten.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung assoziierte nach Auswertung von mehr als 800 wissenschaftlichen Studien einen hohen Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch mit einem erhöhten Risiko für Darm-, Prostata-, und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Rotes Fleisch meint Rind-, Schweine-, Lamm-, Ziegenfleisch und Wild.

Veggie-Produkte: Salzgehalt im Fokus

Fleisch durch Pflanzen zu ersetzen, ist aus medizinischer Sicht also durchaus empfehlenswert. Das sagt auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Das bedeute aber nicht pauschal, dass die neuartigen Ersatzprodukte die Gesundheitsbilanz verbesserten, erklärt Britta Schautz. „So einfach ist das leider nicht.“

Schautz ist Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale in Berlin und beschäftigt sich seit Jahren mit den Inhaltsstoffen in verarbeiteten Lebensmitteln. Zweimal haben sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sich mit Fleischersatz auf Pflanzenbasis beschäftigt: 2017 und 2022. „Bei unserem ersten Marktcheck haben wir in den Ersatzprodukten deutlich mehr Salz gefunden als in den vergleichbaren Fleischprodukten“, sagt Schautz im Gespräch mit unserer Redaktion. Eine salzreiche Ernährung könne ein Risikofaktor für Bluthochdruck sein.

Ebenfalls oft in den Produkten verarbeitet waren Zusatzstoffe, Verdickungs-, Antioxidationsmittel, Stabilisatoren. Fast 90 Prozent der Fleisch- und Wurstersatzprodukte mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben wiesen dem Marktcheck zufolge eine ungünstige ernährungsphysiologische Zusammensetzung auf.

Im Gegensatz zu Fleischprodukten enthielten Veggie-Schnitzel und Co. jedoch deutlich mehr ungesättigte Fettsäuren als die Originale, was gesundheitlich gut zu bewerten sei. Ungesättigte Fettsäuren gelten als sogenannte gute Fette.

Vielfalt im Veggie-Regal: Die Auswahl an fleischlosen Alternativen im Supermarkt wächst.
Vielfalt im Veggie-Regal: Die Auswahl an fleischlosen Alternativen im Supermarkt wächst. © picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa | Daniel Bockwoldt

Ernährungsexpertin: Fleischersatz nicht mehr als zweimal pro Woche

Die Bilanz der Untersuchung aus dem vergangenen Jahr sei im Vergleich zu 2017 günstiger ausgefallen, so Schautz. Die meisten Hersteller hätten den Salzgehalt der Produkte deutlich reduziert, ebenso die Zahl der Zusatzstoffe, auch wenn dies mitunter nur durch den Einsatz anderer hoch verarbeiteter Stoffe erreicht worden sei, Zitrusfasern etwa.

„Der ernährungsphysiologische Wert der Ersatzprodukte ist abhängig sowohl von ihrer Rezeptur als auch von ihrem Verarbeitungsgrad“, erklären die Verbraucherschützer im Marktcheck 2022. Es gebe keinen Automatismus. Schautz rät deshalb dazu, auch diese Produkte nicht mehr als ein- bis etwa zweimal pro Woche zu essen.

Veggie-Lebensmittel: Blick auf die Zutatenliste hilfreich

„Wie bei allen industriell hergestellten Lebensmitteln ist auch beim pflanzlichen Fleischersatz ein Blick auf die Zutatenliste und die Nährwerttabelle hilfreich, um sich zu orientieren“, sagt Schautz. Dort könnten Verbraucher etwa den Salzgehalt nachlesen und sich darüber informieren, ob die Inhaltsstoffe naturbelassen seien.

Nicht überall wo Erbse, Linse oder Bohne draufstehe, sei auch die ganze Pflanze verarbeitet. Mitunter enthielten die Produkte nur Proteinisolate, also ein aufbereitetes Pulver. „Auf der Zutatenliste steht dann zum Beispiel Erbsenprotein“, so Schautz. Das enthalte weder sekundäre Pflanzen- oder Ballaststoffe noch Vitamine.

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Die Ernährungsexpertin rät, statt zum industriell hergestellten Fleischersatz zu greifen, lieber selbst Alternativen auf Pflanzenbasis herzustellen. Burgerbratlinge etwa könne man leicht aus frischen oder wenig verarbeiteten Zutaten und Gewürzen herstellen. „Das ist aus ernährungsphysiologischer Sicht wertvoller und ich kann selbst bestimmen, was in meinem Gericht steckt.“