Berlin. In vier von zehn Fällen hat das Anfechten eines abgelehnten Krankenkassen-Bescheids Erfolg. Wie Versicherte dabei am besten vorgehen.

Als Kassenpatient ist man es gewöhnt, die elektronische Gesundheitskarte beim Arzt vorzuzeigen und die Behandlung als bezahlt zu betrachten. Allerdings ist dies nicht immer der Fall. Manche Leistungen müssen Versicherte bei ihrer Krankenkasse beantragen, wie etwa Kuren, Rehamaßnahmen, Psychotherapie oder Hilfsmittel wie Hörgeräte und Rollstühle. Wenn die Krankenkasse eine Leistung ablehnt oder beispielsweise das Krankengeld nicht mehr weiterzahlen möchte, kann das für die Betroffenen einen großen Schock bedeuten. Schließlich geht es oft um viel Geld. Lesen Sie hier: Professionelle Zahnreinigung: Wie sinnvoll ist sie wirklich?

Widerspruch gegen Entscheidungen der Krankenkasse einlegen: Ihre Rechte kennen

Versicherte sind jedoch nicht hilflos den Entscheidungen ihrer Krankenkasse ausgeliefert. Sie haben das Recht, Widerspruch einzulegen. Eine aktuelle Analyse des Geldratgebers Finanztip zeigt, dass die Erfolgschancen für Widersprüche recht hoch sind. Die Finanztip-Redaktion hat exklusiv Daten von 22 Krankenkassen mit insgesamt rund 35 Millionen Versicherten ausgewertet und ermittelt, wie Widersprüche im Jahr 2021 ausgingen.

Kur oder Reha abgelehnt: Ein Widerspruch hat gute Erfolgschancen

Das Ergebnis: In 40 Prozent der erledigten Fälle waren Versicherte mit ihrem Widerspruch ganz oder teilweise erfolgreich. Die Krankenversicherung revidierte also ihre Entscheidung nach einer erneuten Prüfung. In 37 Prozent der Fälle wurde die Entscheidung der Kasse hingegen im Widerspruchsverfahren bestätigt. Knapp 20 Prozent der Widersprüche nahmen die Versicherten zurück.

Es lohnt sich also, um Leistungen der Krankenversicherung zu kämpfen. Das Widerspruchsverfahren ist recht einfach, kostenlos und für die Versicherten ohne Risiko. Für den Widerspruch reicht zunächst ein formloses Schreiben mit Aktenzeichen und Datum der Kassenentscheidung. Ein Musterschreiben dafür findet sich beispielsweise auf der Internetseite finanztip.de.
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Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats, nachdem das Ablehnungsschreiben beim Patienten angekommen ist, bei der Kasse eingehen. Am besten verschicken Betroffene den unterzeichneten Brief per Einwurfeinschreiben. Ein Anruf bei der Kasse oder eine E-Mail reichen nicht aus.

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Vor dem Widerspruch: Arzt oder Ärztin mit ins Boot holen

Eine ausführliche Argumentation können Versicherte notfalls später nachreichen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, zu prüfen, ob Leistungen, die sie bezahlen, medizinisch notwendig und wirtschaftlich sind. Deshalb sollten Patienten gut begründen, warum die beantragte Leistung in ihrem Fall nötig ist – am besten mithilfe des behandelnden Arztes. Beruft sich die Kasse bei ihrer Ablehnung auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes, sollten Versicherte dieses anfordern und in ihrer Widerspruchsbegründung darauf eingehen.

Die Krankenkasse prüft den Fall dann erneut und ändert womöglich ihre Entscheidung. Beharrt die Versicherung auf ihrer Position, geht der Fall an den Widerspruchsausschuss der Krankenkasse. Dort entscheiden meist ehrenamtliche Arbeitgeber- und Versichertenvertreter.
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Das Schlimmste, was in diesem Prozess passieren kann, ist, dass die Entscheidung der Kasse bestätigt wird. Versicherte haben also nichts zu verlieren. Sie sollten ihren Widerspruch auch nicht leichtfertig zurücknehmen. Denn dann haben sie keine Chance mehr, gegen die Entscheidung der Kasse vorzugehen, auch nicht vor Gericht.

Service- und Versorgungsqualität: Politik will mehr Transparenz schaffen

Die Finanztip-Auswertung zeigt auch: Zwischen den Kassen gibt es Unterschiede, was die Erfolgsquote von Widersprüchen und die Ablehnung von Leistungen angeht. Schon innerhalb der AOK-Familie zeigen sich deutliche Abstufungen. Während die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland nach eigenen Angaben 27 Prozent der Anträge auf Kur oder Reha ablehnt, sind es bei der AOK Bayern 11 Prozent.

Da wäre es doch praktisch, wenn Versicherte ihre Krankenkasse auch danach aussuchen könnten, ob häufiger Streit um Leistungen zu erwarten ist. Doch derzeit müssen die Kassen keine Informationen zur Servicequalität veröffentlichen, die Verbraucherinnen und Verbraucher vergleichen könnten. Und so mauern viele Kassen. Auch die drei größten – TK, Barmer und DAK – wollten Finanztip die angefragten Zahlen nicht zur Verfügung stellen. Häufig angeführtes Argument: Die Daten seien aus unterschiedlichen Gründen nicht vergleichbar.

Wann und wie Widerspruch einlegen: Schritte zur Durchsetzung Ihrer Rechte

Wenn Sie mit einer Entscheidung Ihrer Krankenkasse nicht einverstanden sind, sollten Sie folgende Schritte unternehmen:

  1. Informieren Sie sich über Ihre Rechte und die gesetzlichen Grundlagen für den Widerspruch.
  2. Verfassen Sie ein Widerspruchsschreiben, in dem Sie Ihre Argumente klar darlegen und auf die entsprechenden Gesetzesgrundlagen verweisen.
  3. Senden Sie den Widerspruch innerhalb der gesetzlichen Frist an Ihre Krankenkasse.
  4. Warten Sie auf eine Antwort und seien Sie bereit, gegebenenfalls weitere Unterlagen einzureichen oder ein persönliches Gespräch zu führen.

Erfolgreicher Widerspruch: Tipps für eine effektive Kommunikation mit Ihrer Krankenkasse

Um Ihre Erfolgschancen bei einem Widerspruch zu erhöhen, sollten Sie einige Tipps beachten:

  • Bleiben Sie sachlich und freundlich in der Kommunikation mit Ihrer Krankenkasse.
  • Legen Sie alle relevanten Unterlagen und Nachweise bei, um Ihre Argumentation zu stärken.
  • Lassen Sie sich gegebenenfalls von einem Anwalt oder Sozialverband beraten, um Ihre Rechte bestmöglich zu vertreten.

Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Kassen zu verpflichten, ihre Service- und Versorgungsqualität anhand einheitlicher Kriterien offenzulegen. Bis dieses Versprechen für mehr Transparenz umgesetzt wird, bleiben Patienten nur zwei Möglichkeiten: sich zu wehren, wenn sie eine Entscheidung der Kasse für falsch halten und die Kasse zu wechseln, wenn sie schlechte Erfahrungen mit der bisherigen gemacht haben.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.