Berlin. Die Lufthansa will Kunden nun ein umweltschonendes Ticket anbieten. Alles Greenwashing, sagen Klimaschutzorganisationen. Stimmt das?

"Green Fare" heißen die neuen Tickets, die die Lufthansa ihren Kundinnen und Kunden ab Mittwoch anbietet. Der neue Sondertarif soll für ein umweltschonendes Reisen sorgen. "Nachhaltigeres Fliegen mit nur einem Klick“, sei das. Denn die neuen Tarife enthielten bereits den Ausgleich der CO2-Emissionen, die ein Flug verursacht, erklärte Lufthansa am Montag.

Die Emissionen sollen demnach zu 20 Prozent über den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) und zu 80 Prozent über Beiträge zu „hochwertigen Klimaschutzprojekten“ ausgeglichen werden. Das Ticket ist dann wohl entsprechend teurer. In einem Preisbeispiel verteuerte sich ein Eco-Light-Ticket von 129 auf 239 Euro im Tarif Economy Green, wobei neben dem Klimabeitrag auch weitere Kundenvorteile wie die freie Umbuchbarkeit und mehr Freigepäck enthalten waren.

Klimaschutz: Projektvermittler stehen in der Kritik

Bislang konnten Kunden erst am Ende des Buchungsprozesses eine CO2-Kompensation hinzuwählen, bis hin zu einer vollständigen Kompensation mit SAF (sustainable aviation fuel, zu deutsch: nachhaltiges Flugbenzin) als teuerste Variante. Diese Möglichkeit nutzten mit 0,1 Prozent der Passagiere aber nur sehr wenige.

Tests mit den eigenen „grünen“ Ticketklassen hätten in Skandinavien einen höheren Zuspruch von rund 2,0 Prozent gefunden, sagte Vorstandsmitglied Harry Hohmeister. Kurzfristiges Ziel sei es, mindestens jeden 20. Gast zu überzeugen.

Urlaubsreisen mit dem Flugzeug gehören hierzulande für viele Menschen dazu. Doch nur etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung haben jemals ein Flugzeug von innen gesehen
Urlaubsreisen mit dem Flugzeug gehören hierzulande für viele Menschen dazu. Doch nur etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung haben jemals ein Flugzeug von innen gesehen © Schroptschop/istock

Ob Kunden sich von den Nachhaltigkeitsversprechen überzeugen lassen, ist allerdings mindestens fraglich. Anbieter für CO2-Kompensationen waren zuletzt durch eine Recherche der Wochenzeitung "Die Zeit" massiv in die Kritik geraten. Die angepriesenen Klimaschutzprojekte zum Ausgleich der Emissionen wurden durch die Recherchen als reines Greenwahsing enttarnt.

Mehrere Unternehmen beendeten daraufhin ihre Zusammenarbeit mit Projektvermittlern wie ClimatePartner oder Myclimate. Dass die Lufthansa gerade jetzt ihr "grünes" Ticket in den Verkauf bringt, ist also durchaus gewagt.Denn dabei verlässt sie sich ausgerechnet auf Myclimate.

Die Stiftung ist einer der größten Anbieter für CO2-Kompensationen. Sie vermittelt Klimaschutzprojekte, in die das Geld von Firmen wie der Lufthansa fließen kann. Myclimate soll auch die Höhe der CO2-Emissionen eines Flugs ermittelt haben.

CO2-Ausgleich: Was steckt hinter dem Label "klimaneutral"

Auf Anfrage heißt es bei der Lufthansa: "Experten der Lufthansa Group haben gemeinsam mit der Stiftung Myclimate die Daten von mehr als 43.000 Flügen ausgewertet. Auf der Basis dieser Untersuchungen hat Myclimate einen Algorithmus entwickelt, der die CO2-Emissionen jeder Flugverbindung berechnen kann. Bei den Berechnungen pro Passagier wird auch die Reiseklasse des Passagiers berücksichtigt." Wie genau dieser Algorithmus aussieht, ist allerdings nicht bekannt.

Myclimate soll auch die Projekte vermitteln, in die das Geld fließt. Dazu heißt es bei der Lufthansa auf Anfrage unserer Redaktion: "Mit den Beiträgen der Fluggäste wird ein Myclimate-Klimaprojekt-Portfolio in verschiedenen Ländern der Welt, darunter auch Deutschland und die Schweiz, unterstützt."

Wie die Lufthansa sicherstellen will, dass die Projekte auch tatsächlich zum Klimaschutz beitragen, beantwortet das Unternehmen mit Verweis auf das Renommee des Vermittlers: "Alle myclimate-Projekte im Lufthansa Group Portfolio erfüllen die höchsten Standards (Gold Standard oder Plan Vivo)."

Klimaschutzprojekte: Kritiker sind skeptisch

Klima- und Umweltschutzorganisationen sind da allerdings skeptisch. Die Pläne zur Kompensation des CO2-Ausstoßes seien oft unrealistisch, erklärten gerade am Montag die Organisationen NewClimate Institute und Carbon Market Watch. Verpflichtungen seien häufig unklar, unglaubwürdig und schwer nachzuprüfen.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Green Fares von Lufthansa, die bereits im vergangenen Jahr getestet wurden, für den Negativ-Preis "Goldener Geier" für die "dreisteste Umweltlüge" nominiert. Die Airline landete in der Abstimmung auf dem zweiten Platz hinter dem Öl-Konzern Shell, der an der Tankstelle mit einem "CO2-Ausgleich" in Höhe von 1,1 Cent pro Liter geworben hatte.

Auf Nachfrage teilt der Verkehrsexperte des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Jens Hilgenberg, mit: "Der Flugverkehr ist einer der wenigen Anwendungsbereiche im Verkehr, bei dem die Nutzung strombasierter Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff wirklich sinnvoll ist und auch von der Politik vorangetrieben werden sollte." Ein Ausgleich mit SAF ist damit unter Umständen hilfreich.

Der BUND fordert außerdem eine bilaterale Kerosinsteuer zwischen "klimawilligen" Ländern in Europa. Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien würden gemeinsam für mehr als 90 Prozent der CO2-Emissionen im Flugverkehr der EU ausmachen.

Weniger fliegen: Hilft am Ende nur Verzicht?

Hinzu kommt noch ein weiteres Problem: Vermeintlich "grüne" Produkte könnten Menschen dazu verleiten, sich ein reines Gewissen zu erkaufen und mehr zu konsumieren, statt klimaschonender zu handeln.

Bei unvermeidbaren Emissionen erkennt aber auch beispielsweise das Umweltbundesamt wichtige Vorteile von Kompensationen an. Richtig umgesetzt könnten sie Teil eines ambitionierten Klimaschutzes sein.

Der Lufthansa-Konzern will die neuen Tarife nun zunächst auf Europa- und Nordafrikaflügen seiner Gesellschaften Lufthansa, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Swiss, Edelweiss, Eurowings Discover und Air Dolomiti anbieten. Nicht enthalten ist die Punkt-Zu-Punkt-Gesellschaft Eurowings. Für den Fernverkehr arbeite man noch an Angeboten. Die neuen Tickets sind sowohl in der Economy als auch in der Business-Klasse buchbar. (mit dpa/AFP)