Berlin. Krebsgefahr durch Mobilfunk und Wlan – was ist dran an solchen Warnungen? Und wie viel Strahlung bekommen wir ab? Ein Selbstversuch.

Sie heißen „Rocky“, „Apfelmus 123“ oder „FritzBox 6690“. 39 Wlan-Netzwerke zeigt mir mein Laptop in der Nachbarschaft an. Selbst das Netzwerk des Cafés auf der anderen Straßenseite ist dabei. Auf dem Nachbarhaus steht eine Mobilfunkantenne mit 5G-Technik. Sie kommuniziert mit meinen Dienst- und Privathandys. Auf meinem Kopf funkt den halben Arbeitstag ein Bluetooth-Headset.

Ich war bis vor Kurzem Wirtschaftskorrespondent dieser Zeitung und lebe mitten in Berlin. Eigentlich habe ich mir nie Sorgen um Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk oder andere drahtlose Technologien gemacht. Mein erstes Handy bekam ich 1999, als eine Minute telefonieren noch 1,79 Mark kostete. Möglichen Gefahren wäre ich also schon mehr als mein halbes Leben ausgesetzt.

Aber seit in dem Funk-Wirrwarr unser Wlan-Signal vom Router im Wohnzimmer nicht einmal mehr stabil bis ins Arbeitszimmer reicht und Videokonferenzen im Homeoffice ständig abreißen, komme ich doch ins Grübeln. Erst einmal rüsten wir auf, jetzt hilft uns ein Signalverstärker auf dem Flur. Beim Anschließen frage ich mich aber, ob das nun nicht zu viel wird.

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Um herauszufinden, wie hoch meine Belastung mit Strahlung durch Wlan, Mobilfunk und Co. ist, hat mir das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ein Messgerät zugesandt, das ich einen Tag lang bei mir trage. Dieses „Personenexposimeter“ misst die Feldstärke von insgesamt 29 Arten von Mobilfunk, Wlan, Bluetooth, aber auch wie stark ich Fernseh- und Radiosignalen ausgesetzt bin. Fachleute sprechen von hochfrequenten elektrischen Feldern.

Das Ergebnis wird mich später überraschen. Ob zu Hause, im Büro, beim Sport oder Einkaufen: Die Messdaten zeigen an jedem Ort eine andere Belastung mit elektromagnetischer Strahlung – teilweise mit deutlichen Ausschlägen.

Gefahr durch Mobilfunk: Risiko für Hirntumoren zunächst unklar

Wer im Internet nach möglichen Gefahren zum Beispiel durch Mobilfunk sucht, wird schnell fündig. Immer wieder ist etwa die Rede von Krebsgefahr. Wie kam es dazu? Als die Mobilfunknutzung vor rund 15 Jahren rapide zunahm, gab es noch kaum Untersuchungen zu deren Folgen. Forschende aus dem französischen Lyon gingen einzelnen Hinweisen auf Krebsfälle nach – und mussten zunächst vage bleiben. „Das konkrete Risiko für Hirntumoren konnte damals noch nicht abgeschätzt werden, da sie über 10 bis 20 Jahre entstehen“, sagt Gunde Ziegelberger. Sie forscht am Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder des BfS.

In einer ersten Bewertung waren vom Handy ausgestrahlte hochfrequente Felder damals von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als möglicherweise krebserregend eingestuft worden. „Das heißt aber nur, dass ein bestimmter Stoff die Möglichkeit hat, Krebs auszulösen, und nicht, dass er es unter konkreten Umständen – etwa bei Einhaltung der Grenzwerte – auch tut, oder wie hoch dafür die Wahrscheinlichkeit ist“, sagt Ziegelberger. Würden die Einzelfallbetrachtungen von damals zutreffen, müsste es heute deutlich erhöhte Fallzahlen geben. „Die Erkrankungsraten bei Hirntumoren sind jedoch stabil geblieben.“

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Über die Jahre sei die Studienlage zum Mobilfunk immer größer und komplexer geworden. „Inzwischen sind die gesundheitlichen Effekte des Mobilfunks sehr gut untersucht – unter anderem durch Beobachtungsstudien am Menschen, experimentelle Studien im Schlaflabor, Tierstudien sowie Studien an Zellen und Molekülen, um biologische Wirkmechanismen zu untersuchen“, erläutert Ziegelbergers Kollege Pascal Kreling. Auch bei Kindern und Jugendlichen könne man heute sagen: Es besteht kein erhöhtes Risiko. Forscherin Ziegelberger: „Deshalb läuft bei der Weltgesundheitsorganisation eine Neubewertung der Risiken von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern.“

Risiko durch Mobilfunk und Wlan: So groß ist meine Strahlenbelastung

Wie hoch ist nun mein Risiko? Im Messbericht, den mir das BfS nach einigen Wochen zusendet, lässt sich genau nachvollziehen, wann ich mich wo aufgehalten habe. Im Freien ist etwa die Sendeleistung von Mobilfunkmasten viel deutlicher messbar als drinnen. Die höchste Belastung erreiche ich bei einem Spaziergang am Nachmittag mit einem Messwert von 0,43 Volt pro Meter (V/m). Zulässig wäre mit 38 bis 61 V/m gut das 100-Fache.

So ähnlich verhält es sich auch mit Ausreißern bei der Strahlung meiner Smartphones: Als ich mich am Morgen in der Umkleidekabine des Fitnessstudios am Gendarmenmarkt in die erste Konferenz einwähle, steigt die Belastung auf ihren Höchstwert an. Das Netz ist in den Kellerräumen schlecht, das Smartphone sendet so stark, wie es nur kann. Um 8.52 Uhr registriert das Personenexposimeter einen Feldstärkewert von 1,85 V/m – 37 bis 61 V/m wären erlaubt. Die anderen Spitzen hat das Gerät kurz zuvor auf der Trainingsfläche sowie beim Eintreffen an meinem Arbeitsplatz eine Straße weiter gemessen.

Aufgezeichnet hat das Exposimeter auf meinem Weg durch die Stadt ein paar weitere Auffälligkeiten: Als ich am Fernsehturm am Alexanderplatz vorbeiradele, registriert es einen Ausschlag bei Radiowellen: Die Feldstärke steigt auf bis zu 0,62 V/m – zulässig ist das 45-Fache. Bei den Frequenzen für digitales Fernsehen (DVB-T) misst das Gerät noch geringere Werte. Hier liegt der Grenzwert 188-mal höher als der aufgezeichnete Spitzenwert von 0,17 Volt pro Meter.

Das Fazit: In den 24 Stunden lag meine Belastung mit elektromagnetischen Feldern bei durchschnittlich 0,006 Prozent des Grenzwertes – und das mit Mobilfunk und Wlan aus allen Ecken. Und apropos Wlan: Als wir kurz vor Mitternacht die Tür zum Schlafzimmer schließen, hat diese Barriere einen deutlich messbaren Effekt. Die ohnehin kaum auffälligen Messwerte sinken auf nahezu null.