Hamburg. An erster Stelle steht die Umstellung der Ernährung. Denn so viel können wir uns nicht bewegen, dass wir ungesundes Essen kompensieren.

Zu Jahresbeginn sind jedes Jahr die Fitnessstudios voll, die Mitgliederzahlen gehen stets schlagartig in die Höhe. Im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung.“ geht es diesmal darum, womit man tatsächlich anfangen sollte, wenn man etwa für seine Gesundheit tun möchte. Mit Bewegung allein ist es nicht getan.

Dr. Matthias Riedl, bekannt von den NDR-Ernährungs-Docs, empfiehlt für den Anfang eine Analyse. Ideal sei dafür ein Ernährungs-Tagebuch. „Da kann man dann auch sehen, wie häufig man gegessen hat. Wenn das fünf-, sechsmal war, dann ist das Snacking. Da habe ich schon mal ein Problem erkannt.“ Dann erkenne man auch, dass vielleicht viele Süßigkeiten dabei waren und möglicherweise überhaupt kein Gemüse.

Zu Beginn das eigene Essverhalten analysieren

Riedl empfiehlt, das eigene Essverhalten gründlich zu analysieren. Dabei sei wichtig, nicht alle Problemfelder auf einmal anzugehen. „Das überfordert uns und dann scheitert man garantiert.“ Riedl rät zum 20:80-Prinzip. „Das ist ein altes Kaufmannsprinzip. Der Kaufmann weiß, mit 20 Prozent meiner Kunden mache ich 80 Prozent Umsatz. Da kümmere ich mich natürlich um die 20 Prozent der Kunden, die mir die Tasche voll machen. Das heißt, ich gucke mir meine Fehler an und schaue, welche den größten Hebel haben. Wenn ich einen Fehler verändere, kann es sein, dass es plötzlich fünf sechs Kilo weniger sind. Aber es muss ein relevanter Fehler sein“, sagt der Ernährungsmediziner, Internist und Diabetologe. Lesen Sie auch: Italien: Insekten essen – EU-Entscheidung sorgt für Eklat

Ein guter Anfange sei beispielsweise, seinen Zuckerkonsum zu reduzieren. „Natürlich sind 120 Gramm Zucker zu viel am Tag, 50 ist besser. Wenn ich sage, jetzt musst Du gleich am nächsten Tag 50 erreichen, das ist alles zu krass. Also erst mal 75 Gramm oder 100 und versuchen, sich so langsam nach unten zu pendeln.“

Kleine Schritte sind effektiver als große

Das sei gut untersucht in Studien an der Stanford University, „Kleine Schritte sind effektiver als große“, sagt Riedl. Sonst habe man nach spätestens zwei Monaten die Nase voll. „Diese absoluten Vorhaben, etwa nie wieder Schokolade zu essen, funktionieren nicht.“ Auch spannend: Gesunde Ernährung: Kippt Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse?

Wenn man aber Schokolade essen möchte, dann besser nur gelegentlich und dann 80-prozentige und direkt nach der Mahlzeit, nicht zwischendurch. „Also kleine Schritte machen und sich an der Realität orientieren“, sagt der Ärztliche Direktor des Medicum Hamburg.

„Jedes Scheitern in Sachen Abnehmen hinterlässt bei uns ein fundamentales Gefühl von Versagen. Und wer so zehn-, 20-mal gescheitert ist, hat gelernt, mir kann man nicht helfen, ich bin ein Versager, das wird eh nichts mehr. Und das ist ganz fatal. Daraus kann sich ganz schnell schwerstes Übergewicht entwickeln. Dann geben sich diese Menschen auf und und das ist schade, denn so ein schweres Übergewicht führt irgendwann natürlich auch zum Tod.“ Mehr zum Thema Ernährung: Pestizide: Wie Cem Özdemir den deutschen Wein retten will

Als Faustregel gilt laut Riedl: Wenn man etwa zehn Kilo im Jahr abnimmt, ist das schon richtig gut. Diätversprechungen wie zehn Pfund oder zehn Kilo in zwei Wochen seien dagegen völliger Unsinn. „Wenn ich mir solche unrealistischen Ziele vornehme und ich erreiche sie nicht, was erlebe ich dann? Ich erlebe dann ein tiefes Versagen. Und das hindert mich daran, weiterzumachen.“

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Weitermachen, auch wenn das Gewicht mal stockt

Wenn die Gewichtsabnahme zwischendurch stocke, sei das normal, man solle dann bloß nicht aufgeben, sagt der Ernährungs-Doc. „Am Ball bleiben, dann geht es nachher langsamer weiter und führt auch zum Erfolg. Nicht aufgeben!“

Wer die Aufbruchstimmung des neuen Jahres nutzen möchte, sollte aber jetzt schnell starten – mit Veränderungen bei der Ernährung und mit mehr Bewegung. „Leider ist Sport nur der kleine Bruder bei der Gewichtsabnahme“, sagt Riedl. Bei all den dick machenden Lebensmittel komme man mit Bewegung allein nicht gegen an. Lesen Sie hier: Thermomix: Neues Zubehör soll Kochen deutlich erleichtern

„Wir erreichen tatsächlich mit Ernährung mehr. Natürlich ist Bewegung toll, weil die Muskulatur wächst. Wenn sie dicker wird, braucht sie mehr Energie. Der Grundumsatz steigert sich, die Blutfette sinken. Es geht uns besser, wir sind vitaler. Alles super. Aber ohne Ernährungsoptimierung geht das nicht.“

Wer Fertiggerichte ist, wird depressiver

Um seine Ernährung zu verbessern, brauche der Mensch Antrieb. Dafür sei Bewegung entscheidend: „Sport macht uns ausgeglichener. Er verbraucht nicht nur Energie, sondern macht uns auch fitter und aktiver und und zeigt uns, was wir alles schaffen können. Es macht uns selbstwirksam.“ Auch interessant: Sport bei Krankheit: Bei diesen Symptomen wird es gefährlich

Riedl zitiert Studien, die belegen, dass, wer viele Fertiggerichte isst, depressiver und ängstlicher ist. „Und wer depressiv und ängstlich auf der Couch hockt, der traut sich natürlich nichts zu. Der traut sich nicht mal zu, seine Ernährung zu verändern und und damit ist man dann sozusagen in der Falle.“

Warum Übergewicht keine Privatangelegenheit ist

Übergewicht sei indes keine Privatangelegenheit, sagt der Autor von mehr als 30 Bestsellern zum Thema Ernährung. „Übergewicht ist ein Staatsversagen, weil der Staat es zulässt, dass wir in Supermärkte gehen müssen, wo 80 Prozent der Produkte für uns nicht gut sind, schädlich sind und uns dick werden lassen. Die Politik sagt, das ist Privatangelegenheit. Dass uns die ganze Bevölkerung dabei krank wird, ist der Politik leider immer noch egal.“ Lesen Sie mehr: Lust auf Sport: Darmflora spielt laut Studie wichtige Rolle

Er appelliere an jene Menschen, die es nicht schaffen, mit „Bordmitteln“ voranzukommen, sich an eine Schwerpunktpraxis für Ernährungsmedizin zu wenden. Übergewicht sei eine chronische Erkrankung, bei der man sich helfen lassen sollte.