Berlin. Jeder dritte Deutsche bewegt sich zu wenig, verrät eine neue TK-Studie. Wie Pandemie und Homeoffice die Bewegung ausgebremst haben.

Der Weg zur Arbeit, per Rad oder per Bahn und zu Fuß – er ist für viele die tägliche Dosis Bewegung. Am Mittag noch der Gang in die Kantine oder der Spaziergang mit einem Snack um den Block. Und zwischendrin geht es im Büro noch mehrmals in die Kaffee- oder Teeküche. So kam am Ende des Tages für einen Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zumindest eine gewisse Portion Bewegung zusammen, ohne sich groß aufraffen zu müssen.

Dann platzte die Coronapandemie herein, die plötzlich alle Gewohnheiten auf den Kopf stellte: Homeoffice wo es ging, dazu zeitweise geschlossene Fitnessstudios, Schwimmhallen und kein Mannschaftssport mehr. Wie hat sich die Pandemie auf Bewegung und Sport der Deutschen ausgewirkt? Das hat nun eine großangelegte Studie der Techniker Krankenkasse (TK) untersucht.

TK-Studie: Jeder Vierte bewegte sich weniger als vor der Pandemie

Ein alarmierendes Ergebnis: Fast ein Drittel der Deutschen (30 Prozent) bewegt sich im Alltag weniger als eine halbe Stunde – und kommt somit nicht auf das von Expertinnen und Experten empfohlene tägliche Pensum an Sport und Bewegung. Fast die Hälfte der Erwachsenen treibt der Studie zufolge nur selten oder sogar nie Sport.

Die Coronapandemie hat dieses Verhalten teilweise noch verstärkt. Mehr als jeder vierte Befragte (26 Prozent) gab an, sich durch die Beschränkungen noch weniger bewegt zu haben als in der Zeit davor. Für die Studie „Beweg dich, Deutschland“ hat die TK im Mai dieses Jahres bundesweit rund 1700 Personen ab 18 Jahren zu ihrem Sport- und Bewegungsverhalten befragen lassen.

Homeoffice und Verpflichtungen in der Familie haben in der Pandemie zu weniger Bewegung geführt.
Homeoffice und Verpflichtungen in der Familie haben in der Pandemie zu weniger Bewegung geführt. © iStock | istock

Hauptursache für die Bewegungsmüdigkeit der Deutschen: Der Wechsel ins Homeoffice. Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) hat in den zurückliegenden zwei Jahren wenigstens ab und zu von zu Hause aus gearbeitet, jeder Vierte sogar überwiegend oder ausschließlich. Ein Einschnitt, der sich auf dem Bewegungskonto bemerkbar gemacht hat.

So bewegte sich bei der Arbeit zu Hause mehr als die Hälfte (56 Prozent) laut eigener Aussage weniger als an ihrem üblichen Arbeitsplatz. Als Hauptgrund nannte die große Mehrheit der Berufstätigen (70 Prozent) den plötzlich fehlenden Arbeitsweg, der zuvor ganz bewusst für die Bewegung genutzt wurde. Knapp die Hälfte (48 Prozent) war nach eigener Aussage neben der Heimarbeit nicht motiviert genug, noch etwas für die Bewegung zu tun. Rund einem Drittel (34 Prozent) fehlte im Homeoffice schlicht die Zeit dafür – auch aufgrund familiärer Verpflichtungen.

Homeoffice: Offenbar nicht der gefürchtete „Rückenkiller“

Obwohl viele plötzlich auf ihren bequemen Bürostuhl verzichten mussten, entpuppte sich das Homeoffice laut der TK-Studie immerhin nicht als gefürchteter „Rückenkiller“: Gerade mal 10 Prozent der Beschäftigten am Heimarbeitsplatz klagten laut Befragung über mehr Rückenschmerzen als vor der Pandemie, fünf Prozent hatten nach eigener Aussage sogar weniger Rückenschmerzen als zuvor.

„Die Zahl hätte ich mir dramatischer vorgestellt“, sagt TK-Gesundheitsexpertin und Sportlehrerin Wiebke Arps unserer Redaktion. „Denn zum Teil saßen die Menschen im Homeoffice nicht einmal an ergonomischen Arbeitsplätzen, sondern am Esstisch in der Küche.“ Ihr Rat: „Ich habe mir einen günstigen höhenverstellbaren Schreibtisch gekauft. Das ist es mir wert, schließlich ist es mein Rücken.“ Man müsse gar nicht den teuren Bürostuhl kaufen. Oft genüge schon ein Kissen für die richtige Sitzhöhe.

Arps empfiehlt, mehr Bewegung in den Alltag zu Hause zu einzubinden. „Jetzt im Winter rate ich immer: Macht eine längere Mittagspause und geht raus, wenn es hell ist. Durch das Homeoffice gibt es ja auch Ich habe ja plötzlich mehr Freiheiten.“

Sportmuffel in der Pandemie: Hauptgründe für zu wenig Bewegung

Laut der TK-Bewegungs-Studie hat sich ein Viertel in der Pandemie weniger bewegt als vorher.
Laut der TK-Bewegungs-Studie hat sich ein Viertel in der Pandemie weniger bewegt als vorher. © Techniker Krankenkasse (TK) | Techniker Krankenkasse (TK)

Unabhängig von der Frage Heimarbeit oder nicht – beim Thema Sport scheint das Land gespalten: Fast jede und jeder zweite Erwachsene (45 Prozent) treibt nie oder nur selten Sport, darunter auch körperlich eingeschränkte Menschen. Als Gründe nennen die „Sportmuffel“ fast gleichauf, schon genügend Bewegung in Job und Alltag zu haben (54 Prozent) oder nicht motiviert genug zu sein (53 Prozent).

Wiebke Arps widerspricht: „Die Lücke im Arbeitsalltag ist immer da. Im Weg steht oft der innere Schweinehund“. Sie rät, sich mit Gleichgesinnten fest zum Sport zu verabreden und das Training zum sozialen Erlebnis zu machen. „Ich muss mir sagen: Ich habe Spaß, es tut mir gut und ich treffe auch noch nette Leute.“ Helfen könne auch, die Sporttasche für den nächsten Tag fertiggepackt vor die Tür zu stellen.

Erfreulich: Mehr als die Hälfte der Erwachsenen (52 Prozent) schaffte es selbst in der Pandemiezeit, mindestens eine Stunde in der Woche sportlich aktiv zu sein.

Radfahren vor Laufen und Wandern am beliebtesten

Die mit Abstand beliebteste Sportart bleibt dabei das Radfahren. Fast die Hälfte der Befragten tritt für die eigene Gesundheit zumindest ab und zu in die Pedale. Dahinter folgen das Joggen und Laufen (26 Prozent) vor Wandern und (Nordic) Walking (25 Prozent).

Zwei auffällige Trends: Verglichen mit 2016 hat Yoga (9 Prozent) den Fußball (6 Prozent) überholt – womöglich auch aufgrund der Corona-Beschränkungen für Vereine. Und im Vergleich zu vor sechs Jahren nutzen mehr als doppelt so viele Hobbysportler Smartwatches, Fitnesstracker oder -Apps als digitale Begleiter (29 Prozent gegenüber 14 Prozent), um Fortschritte festzuhalten und Alarmsignale des Körpers zu erkennen, besonders die Jüngeren. Manche Krankenkassen bieten über Bonusprogramme Zuschüsse für die Anschaffung der Geräte an.

Corona-Pandemie: Jeder Fünfte wich auf digitale Sportangebote aus

Laut Studie ist Radfahren die mit Abstand beliebteste aktive Sportart der Deutschen.
Laut Studie ist Radfahren die mit Abstand beliebteste aktive Sportart der Deutschen. © Techniker Krankenkasse (TK) | Techniker Krankenkasse (TK)

Digitaler ging es ohnehin zu. Weil in der Corona-Hochphase Fitnessstudios und Vereinstraining tabu waren, wich ein Fünftel (21 Prozent) der Befragten auf digitale Sportangebote aus und bescherte Heimtrainern und Online-Sportangeboten regen Zulauf.

Die sportlich Aktiven fühlen sich zudem laut Studie in der Regel auch fitter und gesünder: Je mehr Sport, desto besser das Befinden. Wer regelmäßig mehr als drei Stunden in der Woche sportlich aktiv ist, fühlt sich in den meisten Fällen (70 Prozent) gesundheitlich gut oder sogar sehr gut. Nur elf Prozent beschreiben ihre Gesundheit als weniger gut oder schlecht – bei den „Sportmuffeln“ tun das mehr als doppelt so viele (23 Prozent).

Trotz einigem Verbesserungspotenzial beim Sport- und Bewegungspensum der Deutschen: Unterm Strich hätte Wiebke Arps eher noch schlimmere Zahlen erwartet. Ein Grund dafür könne sein, dass die Befragung im Mai dieses Jahres stattfand, als viele Sporteinrichtungen längst wieder geöffnet waren. „Menschen vergessen auch, was eine Zeit lang alles nicht möglich war.“