Kahla. Neonazis wollten Spenden für Ralf Wohlleben sammeln. Wie die Polizei die Veranstaltung verhindern konnte und was es mit der Versteigerung auf sich hat:

Von außen wirkt das Haus wie viele andere: unscheinbar, vielleicht etwas heruntergekommen. In der Immobilie, Burg 19 in Kahla, befindet sich jedoch seit 2011 ein Treffpunkt für Rechtsextremisten und Burschenschaftler.
Am vergangenen Freitag ruft eine Veranstaltung in der Burg 19 die Polizei auf den Plan: Unter dem Aufruf „Solidarität mit Ralf!“ wurde zu einem Abend im geselligen Beisammensein mit musikalischer Begleitung und einer Versteigerung eingeladen. Gemeint ist Ralf Wohlleben, einer der wichtigsten Unterstützer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Gemeinsam mit André K. soll er Gelder für den NSU gesammelt haben. Auch eine Waffe hat Wohlleben den Terroristen besorgt.

Szene organisiert sich konspirativ

Die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) ist am Freitag in Kahla vor Ort. Als sie gegen 17 Uhr angekommen sei, sei erst keine Polizei da gewesen. Ab 17.45 Uhr hat sich ein größeres Polizeiaufgebot um die Burg 19 versammelt. „Ich habe die Polizei am Donnerstag informiert“, sagt König-Preuss.

Das Haus Burg 19 in Kahla wird von der rechten Szene als Treffpunkt genutzt.
Das Haus Burg 19 in Kahla wird von der rechten Szene als Treffpunkt genutzt. © Marcus Voigt | Marcus Voigt

Wie die Pressestelle der Landespolizeiinspektion auf Anfrage bestätigt, sei die Veranstaltung über soziale Medien publiziert worden. In einem rechtsextremistischen Kanal des Kommunikationsdienstes Telegram war ein Bild des Flugblattes verschickt worden.

Das Problem daran: Der Kanal zählt rund 1600 Mitglieder, bei denen es sich nicht ausschließlich um Neonazis handelt. Dabei hatte der Veranstalter explizit darauf hingewiesen, die Veranstaltung nicht „in öffentlich zugänglichen Medien“ zu verbreiten. Dadurch ist es der Polizei am Freitag möglich, bereits seit dem Nachmittag Präsenz in Kahla zu zeigen und Personen zu kontrollieren, 29 erhalten Platzverweise.

Rechtsextreme Veranstaltungen und Treffen werden schon seit Jahren konspirativ organisiert, also nicht öffentlich beworben. Oft bleiben die genauen Orte bis zuletzt geheim. Auch werden nur Treffpunkte wie eine Autobahnraststätte angegeben, an denen dann erst der eigentliche Veranstaltungsort mitgeteilt wird. So wurde für den „Soliabend“ am Freitag ebenfalls nur Kahla genannt.

Versteigerung für „guten Zweck“

An der Burg 19 fällt Katharina König-Preuss André K. auf. K. sei aus dem Haus gekommen, habe diskutiert und hinterfragt, warum die Veranstaltung nicht stattfinden könne, so König-Preuss. „Ich gehe davon aus, dass Herr K. den Abend initiiert hat“, sagt sie. Auf Nachfrage unserer Redaktion antwortet André K., dass es nicht korrekt sei, dass er den Abend veranstalten wollte. Ob er als Mitorganisator oder lediglich als Teilnehmer anwesend war, lässt er unbeantwortet.

Was es mit der Versteigerung auf sich hat, darüber kann König-Preuss nur spekulieren: „Es ist gut möglich, dass NS-Devotionalien versteigert werden sollten.“ In sozialen Netzwerken gebe es oft Versteigerungen, um Geld für Inhaftierte oder deren Angehörige zu sammeln; manchmal stellten auch rechte Bands exklusive Artikel wie CDs zur Verfügung, so König-Preuss.

Hohe Dunkelziffer bei Konzerten

Musik spielt in Verbindung mit rechten Treffen eine besondere Rolle. Unter dem Deckmantel eines Konzerts oder eines Liederabends werden immer wieder Veranstaltungen angemeldet, die nur der Vernetzung der Szene und dem Ausleben der Ideologie dienen. Zuletzt wurde im vergangenen November eine nicht angemeldete Veranstaltung in Gera aufgelöst, bei der der rechte Musiker Frank Rennicke auftrat.

Die rechtsextreme Musikszene wird auch vom Verfassungsschutz (VfS) beobachtet. Höhepunkte erreichten die dem VfS bekannt gewordenen Veranstaltungen in den Jahren 2005 und 2017 mit 22 Konzerten. Wie viele Konzerte tatsächlich jedes Jahr stattfinden, kann nicht genau bestimmt werden. Der Verein Mobile Beratung in Thüringen erfasste 2017 sogar 55 Musikveranstaltungen.

2017 nur zwei von 22 Veranstaltungen verhindert oder aufgelöst

Die Quote, wie viele Konzerte aufgelöst oder verhindert werden können, schwankt immer wieder zwischen null und 100 Prozent – je nachdem, wie viele stattfinden. Von den 22 Veranstaltungen 2017 konnten nur eines aufgelöst und eines verhindert werden. Finden Konzerte im Privaten statt, sind den Behörden meist die Hände gebunden. Bei öffentlichen Veranstaltungen müssen Beamte erst Straftaten bemerken, bevor sie tätig werden können.


Die Veranstaltung in Kahla am Freitag kann die Polizei verhindern. 29 Personen erhalten Platzverweise; der Soliabend fällt ins Wasser. Statt Musik und geselliges Beisammensein bleibt es in der Burg 19 ruhig – zumindest vorerst.