Köln/Düsseldorf. Eine Schwangere und ihr Baby sind in Köln bei einem Glukosetest gestorben. Jetzt wird gegen zwei der Apotheken-Mitarbeiter ermittelt.

Warum war ein Glukosegemisch aus einer Kölner Apotheke vergiftet? Und steckt Vorsatz dahinter? Nach dem Tod einer jungen Mutter und ihres Babys ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln nun gegen zwei Mitarbeiter der betroffenen Apotheke wegen fahrlässiger Tötung. Das bestätigte ein Sprecher am Freitag. Zuvor hatte die „Rheinische Post“ berichtet.

Es deutet alles auf ein tragisches Versehen hin. „Es gibt keine Anhaltspunkte, die in Richtung Vorsatz führen“, sagte der Kölner Staatsanwalt Ulrich Bremer am Freitag. Eher habe ein versehen zu der Verunreinigung der Glukose geführt. Der Fokus richtet sich jetzt auf die Apotheken-Mitarbeiter: Diese Personen sind näher in den Fokus geraten, mit den Stoffen hantiert zu haben“, sagte Bremer.

Die nun beschuldigten Mitarbeiter hätten sehr umfangreiche Aussagen zu ihren Aufgaben und den Abläufen in der Apotheke gemacht, die Tat an sich aber abgestritten, führte der Staatsanwalt aus. Das giftige Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid, das man in der Glukose nachgewiesen hatte, werde in einem sehr ähnlichen Gefäß gelagert wie die Glukose.

Es deute einiges daraufhin, dass ein Rest des Betäubungsmittels in einen anderen Glukosebehälter gekippt wurde, da man den Rest ebenfalls für Glukose gehalten hatte, erklärte Bremer. „Das ist ein wahrscheinliches Szenario.“

In der vergangenen Woche hatten Ermittler in einem Tütchen einer weiteren Patientin Spuren der toxischen Substanz festgestellt. Dabei handele es sich nur um sehr geringe Spuren, „die bei einer Einnahme offenbar nicht gesundheitsschädigend gewesen wären“, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln am Mittwoch der vergangenen Woche auf Anfrage.

Die Patientin hatte das Tütchen nach einem Aufruf der Behörden abgegeben. Der Inhalt war dann vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln untersucht worden.

Kölner Apotheke nach Todesfällen geschlossen – Das Wichtigste in Kürze:

  • Nach einem Diabetes-Test sind in Köln eine Mutter und ihr Baby gestorben
  • Sie hatten ein Glukosegemisch eingenommen
  • Die Mutter und das ungeborene Baby starben an Organversagen
  • Offenbar war das Medikament mit einem giftigen Stoff vermischt
  • Betroffen sind die Apotheke am Bilderstöckchen (Hauptapotheke) sowie die beiden Filialapotheken (Heilig-Geist-Apotheke, Contzen-Apotheke)
  • Die Behörden wollten ein mögliches Restrisiko ausschließen
  • Ein Betreiber klagt gegen die Schließung
  • Es gibt einen weiteren Fund
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Apotheken-Mitarbeiter wegen fahrlässiger Tötung.

Weitere Personen hätten sich auf den Aufruf nicht gemeldet. Um welche toxische Substanz es sich in dem Glukosemittel beziehungsweise Tütchen genau handelt, wollten die Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen bisher nicht sagen. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben in alle Richtungen.

Derzeit würden weiterhin Beweismittel ausgewertet und Zeugen vernommen. „Konkrete Hinweise darauf, dass in der betreffenden Apotheke gelagerte Glukose in anderen Apotheken verkauft worden wäre, liegen – jedenfalls derzeit – nicht vor“, heißt es von der Behörde.

Die betroffene Apotheke am Bilderstöckchen (Hauptapotheke) sowie die beiden Filialapotheken (Heilig-Geist-Apotheke, Contzen-Apotheke) waren geschlossen worden, wie die Bezirksregierung auf Twitter mitteilte. Umgesetzt wurde die Schließung durch das städtische Gesundheitsamt. Unter den geschlossenen Apotheken war auch diejenige, aus der die verstorbene Frau die Glukoselösung hatte.

Vergiftete Glukosemischung: Apotheken-Betreiber klagt auf Wiedereröffnung

Nun klagt der Betreiber auf Wiedereröffnung. Er habe eine einstweilige Verfügung gegen die Stadt beantragt, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des Kölner Verwaltungsgerichts. Es gehe um drei Apotheken. „Er möchte erreichen, dass er sie wieder öffnen darf“, sagte die Sprecherin. Das Gericht werde frühestens in der kommenden Woche darüber entscheiden.

„Ich bin fassungslos, ich kann es mir nicht erklären“, hatte der Apotheker am Dienstag vergangener Woche gesagt, nachdem die Tragödie bekannt geworden war. Derweil laufen die Ermittlungen. Wir vernehmen nach wie vor niemanden als Beschuldigten, das Verfahren richtet sich gegen Unbekannt“, sagte ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft am Freitag. Es sei weiterhin unklar, wie das toxische Mittel in den Glukosebehälter gelangt ist – weder Fahrlässigkeit noch Vorsatz seien auszuschließen.

Können Schwangere weiterhin bedenkenlos den Test durchführen?

Es gebe keinen Anlass für ein generelles Misstrauen gegenüber selbsthergestellten Arzneimitteln, sagte der Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Mathias Arnold, am Dienstag in Düsseldorf. Auch die Ermittler sehen keine Anzeichen dafür, dass auch Arzneimittel aus anderen Apotheken verunreinigt sein könnten.

Es bestehe jedoch keine Gefahr für Mittel aus anderen Apotheken, heißt es. Schwangere können sich weiterhin auf Diabetes testen lassen – sofern das Mittel nicht aus der Kölner Apotheke stammt.

Apotheken in Köln geschlossen: Warum reagierten die Behörden erst jetzt?

Dass die Schließung erst eine Woche später nach dem tragischen Zwischenfall erfolgte, liegt nach Angaben des Ministeriums nicht daran, dass man mittlerweile mehr weiß. „Wir mussten uns den Sachverhalt erst einmal anschauen und prüfen, was juristisch möglich und geboten ist“, sagte ein Sprecher. Als Kritik an den Kölner Behörden will Minister Laumann seine Maßnahme nicht verstanden wissen. Die Kölner Behörden hätten bislang einen „klasse Job“ gemacht und machten weiter einen „klasse Job“, sagte er.

Es werden Vorwürfe laut. „Wie nach Bekanntwerden dieser Ereignisse die zu dem betroffenen Unternehmen gehörenden Apotheken noch mehrere Tage geöffnet bleiben konnten, ist für mich schlicht nicht nachvollziehbar“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Josef Neumann, am Donnerstag. „Bürgerinnen und Bürger sind viel zu lange in Unsicherheit gelassen worden.“

Gemeinsam mit den Grünen hat seine Fraktion beantragt, die Vorfälle bei der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses (2. Oktober) zu diskutieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte die Schließung einen nachvollziehbaren, aber sehr drastischen Schritt. Die Schließung sei auch nicht durch die Staatsanwaltschaft veranlasst worden, sagte Staatsanwältin Natalie Traut am Donnerstag.

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, die drei Apotheken des betroffenen Verbundes zu schließen. „Ich war nicht bereit, ein Restrisiko in irgendeiner Art und Weise in Kauf zu nehmen“, sagte Laumann am Donnerstag in Düsseldorf. „Wir wissen nicht, wie es passiert ist“, erklärte Laumann zur festgestellten Vermischung eines Glukosemittels mit einem toxischen Stoff.

Sind weitere giftige Mischungen im Umlauf?

Das können die Ermittler nicht ausschließen. Polizei und Stadt hatten ausdrücklich davor gewarnt, Mittel mit Glukose aus der betroffenen Apotheke einzunehmen. Patienten sollten diese stattdessen bei der nächsten Polizeiwache abgeben. Die Stadt hat der Apotheke außerdem vorerst untersagt, selbst produzierte oder abgefüllte Produkte zu verkaufen.

Wieso endete der Diabetes Test tödlich?

Die Rechtsmedizin fand heraus: Das Mittel aus der Kölner Apotheke enthielt Gift – „ein toxischer Stoff, den es zwar in Apotheken gibt, der aber in dem Gemisch rein gar nichts zu suchen hat“, erklärte Staatsanwalt Ulrich Bremer am Dienstag. Der giftige Stoff wurde nach Angaben der Ermittler in einem Behälter festgestellt, aus dem die Glukose in kleine Tütchen umgefüllt wurde. Mehreren Medienberichten zufolge soll es sich um ein Betäubungsmittel handeln, Staatsanwaltschaft und Stadt wollten dies allerdings nicht kommentieren.

Wozu wird der Test überhaupt gemacht?

Die Frauen trinken mit ärztlicher Begleitung das Gemisch, einige Stunden später bekommen sie Blut abgenommen – damit wird dann bestimmt, ob sie Schwangerschaftsdiabetes haben oder nicht. Der Test ist in Deutschland absoluter Standard: Er wird von Ärzten empfohlen und von Krankenkassen bezahlt. Er sei für Frauen mit keinerlei Risiken verbunden, heißt es in einer Info-Broschüre des Gemeinsamen Bundesausschuss, einem wichtigen Gremium im deutschen Gesundheitswesen.

Ist es normal, dass solche Mittel in der Apotheke abgefüllt werden?

„Das gehört zum täglichen Brot einer Apotheke“, sagt der Geschäftsführer der Apothekerkammer Nordrhein, Stefan Derix. Es gebe auch Fertigprodukte für solche Glukose-Tests, in der Regel werde die benötigte Menge aber zur sofortigen Verwendung aus einem größeren Behältnis in ein Papiertütchen abgefüllt, erzählt die Apothekerin Dagmar Hussmann, die an der PTA-Akademie in Köln pharmazeutischen Nachwuchs ausbildet.

Bislang brachte diese Vorgehensweise keine Probleme mit sich. „Wir reden hier über eine sehr triviale pharmazeutische Tätigkeit“, fügt Derix hinzu. Außerdem dürften solche Aufgaben nur von geschultem Personal – also Apothekern oder pharmazeutisch-technischen Assistenten – erledigt werden.

Damit erhebe er aber keinen Verdacht gegen Mitarbeiter, betonte Laumann. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist den Angaben zufolge weiterhin unklar, wer die Verantwortung für die Verunreinigung trägt und ob es sich möglicherweise um eine absichtliche Manipulation handelt.

Es könne tatsächlich sein, dass aus den Unterlagen der Kölner Apotheke nicht hervorgehe, wer dort für die Abfüllung des tödlichen Gemischs verantwortlich war, bestätigte die Staatsanwaltschaft. Man sei aber dabei, das zu prüfen. Außerdem sei die rund 20-köpfige Mordkommission dabei, weitere Zeugen zu befragen, Lieferketten nachzuverfolgen und Beweismittel zu untersuchen.

Polizei warnte vor Glukose-Mittel

Köln: Die Heilig-Geist Apotheke ist nach zwei Todesfällen durch eine vergiftete Arzneivorübergehend geschlossen worden.
Köln: Die Heilig-Geist Apotheke ist nach zwei Todesfällen durch eine vergiftete Arzneivorübergehend geschlossen worden. © dpa | Oliver Berg

Polizei und Stadt hatten ausdrücklich davor gewarnt, Glukose-Präparate aus der betroffenen Apotheke einzunehmen. Diese sollten stattdessen bei der Polizei abgegeben werden – was am Dienstag auch passierte. Eine Frau, die von ihrer Frauenarztpraxis informiert worden sei, habe ein Glukose-Präparat aus der Apotheke bei der Polizei abgegeben, bestätigte die Staatsanwaltschaft. Zuvor hatte darüber der Kölner „Express“ berichtet.

Die Frau und ihr per Notkaiserschnitt geborenes Kind waren in der vergangenen Woche gestorben. Die 28-Jährige hatte für einen Diabetes-Test ein Glukosegemisch eingenommen, das die Heilig-Geist-Apotheke im Kölner Stadtteil Longerich hergestellt und verkauft hatte. Eine Obduktion hatte ergeben, dass die junge Mutter an Organversagen starb. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines Tötungsdelikts gegen Unbekannt.

Mutter und Baby tot wegen giftigem Mittel aus Apotheke

Nach zwei Todesfällen durch eine vergiftete Arznei haben die Behörden die sofortige Schließung von drei Apotheken in Köln angeordnet.
Nach zwei Todesfällen durch eine vergiftete Arznei haben die Behörden die sofortige Schließung von drei Apotheken in Köln angeordnet. © dpa | Oliver Berg

Bei einer zweiten Frau, die das gleiche Mittel eingenommen hatte, waren ebenfalls Komplikationen aufgetreten, hatte die Polizei berichtet. Diese Frau habe die Einnahme abgebrochen. Ein Arzt habe beide Fälle am vergangenen Donnerstag gemeldet.

Die Ermittler können nach Angaben eines Sprechers nicht ausschließen, dass weiteres giftiges Material im Umlauf ist. (dpa/moi/les)