Berlin. Michelle öffnet sich auf ihrem neuen Album „Anders ist gut“ wie nie zuvor. Der Schlagerstar über Glauben und ihren gewalttätigen Vater.

Leben und Karriere von Schlagerstar Michelle sind eine Achterbahnfahrt. Die 48-Jährige feierte große Charterfolge, war Jury-Mitglied bei „Deutschland sucht den Superstar“ und ist glückliche Mutter von drei Töchtern aus drei verschiedenen Beziehungen, aber seit ihrer Jugend hat sie auch große Härten bewältigt, angefangen von der häuslichen Gewalt in ihrer Familie.

All diese Erfahrungen lässt sie in ihr neues Album „Anders ist gut“ einfließen.

Auf Ihrer Website meinen Sie „Anders ist gut“ sei „durch die ständigen Parallelen“ zu Ihrem Leben „das authentischste Album“ Ihrer Karriere. Warum erscheint das gerade jetzt?

Michelle: Ich werde 49, und für mich war jetzt der richtige Zeitpunkt. Es ist ein Reifeprozess, um dazustehen und zu sagen ‚Ich bin so wie ich bin, und das ist richtig.’ Ich mache zum Beispiel auch meine Haare wieder dunkel, weil mir egal ist, ob blond den anderen besser gefällt.

Natürlich kann so ein Album nur dann entstehen, wenn man das richtige kreative Team um sich gebaut hat, das ich jetzt mit Ulf Leo Sommer und Peter Plate habe. Und durch die Coronakrise sind die Menschen für so ein Album aufgeschlossener. Sie sind ausgebremst und deshalb sind sie ein bisschen bei sich und können sich in den Geschichten der Songs wiederfinden. Lesen Sie hier:Wolfgang Petry heißt jetzt Pete Wolf - und kehrt zurück

Sie sprechen von den Höhen und Tiefen Ihres Lebens. Schafft man es wirklich, positiv zu sein, wenn man ganz am Boden ist?

Michelle: Als ich mit 14 auf der Straße lebte, hatte ich solche Einsichten noch nicht in dieser Art und Weise. Aber ich habe zum Beispiel nie Drogen genommen, obwohl ich damals mit vielen Menschen zusammen war, die das getan haben. Ich hatte immer einen Engel, der mich in die richtige Richtung getrieben hat.

Und ich habe auf mein Herz gehört, und deshalb konnte ich mich immer rausretten, obwohl mir so viel hätte passieren können. Wenn du das tust und die Liebe und das Licht in dir spürst, und damit meine ich nicht die partnerschaftliche, dann weißt du, wo es langgeht.

Hält nichts von Wut: Michelle meint, nur wer vergeben kann und positiv denkt, kommt im Leben voran.
Hält nichts von Wut: Michelle meint, nur wer vergeben kann und positiv denkt, kommt im Leben voran. © Foto: DANIEL ELKE / FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Ahnten Sie damals auch schon, dass Sie eines Tages als Künstlerin im öffentlichen Leben stehen und erfolgreich sein werden?

Michelle: Absolut. Aber ich würde es so sagen: Ich wusste, dass ich in meinem Leben eine Aufgabe habe, nämlich mit meiner Stimme den Menschen Botschaften zu geben und sie zu heilen. Immer wieder sagen mir Menschen „Wenn du diesen Song singst, dann tut der mir so gut.“ Ich sehe mich gewissermaßen als Botschafterin, und das immer mehr und mehr.

Sie haben drei Töchter. Inwieweit vermitteln Sie ihnen diese Erkenntnisse?

Michelle: Meine Kinder sind alle so erzogen, dass sie wissen, dass Liebe das Wichtigste ist und dass da oben ein spirituelles Team über sie wacht. Und ich bin wahnsinnig stolz, dass alle drei mit Liebe und Glück aufwachsen und das auch weitergeben. Trotzdem müssen sie auch ihre eigenen Erfahrungen machen. Genau deshalb sind sie auf der Erde. Mehr zum Thema:Schlagerstar Nicole: „Die Musik war immer mein Begleiter“

Sie selbst wurden von Ihrem gewalttätigen Vater um ihre „Kindheit betrogen“, wie Sie in dem Lied „Brief an meinen Vater“ singen. Wie wichtig ist das Vergeben, um das es in dem Song auch geht?

Michelle: Vergeben ist ein Heilungsprozess. Wichtig ist, dass man es kann, egal wann. Nur wenn man vergibt, dann kann man weitergehen. Wer wütend ist und hasst, der stagniert und bleibt im Leben stehen.

Wie kam der Entschluss zustande, Ihre eigene Biografie so offen aufzuarbeiten?

Michelle: In der Coronakrise bin ich auf einen Artikel gestoßen, dass während des Lockdowns die häusliche Gewalt zugenommen hat und Kinder aus Familien geholt werden mussten. Das hat mir persönlich sehr zugesetzt. Das war für mich der richtige Zeitpunkt, den Menschen zu zeigen, dass Kindern geholfen werden muss. Denn ich dachte als Kind immer, dass es normal sei, wenn jeden Tag Gewalt ausgeübt wird.

Kinder wissen es nicht besser. Es ist auch wichtig, die Frauen anzusprechen, die nicht rauskommen. Mir war es ein großes Anliegen, den Menschen zu zeigen: ‚Mir ging es genau so, aber es ist wichtig, dass man da rauskommt und zu sich steht.’