Berlin. Barbie – der Film. Unsere Autorin war drin und erinnert sich an die eigene Kindheit, als es ihrer einzigen Barbie gar nicht gut ging.

Meiner einzigen Barbie ging es bei mir gar nicht gut. Ich schnitt ihr die Haare raspelkurz und malte ihre Lippen und Augen mit schwarzem Filzstift an, ich ließ sie im ewigen Spagat monatelang in der Pappkiste, aus der die Glitzersternchen, die sich von ihren Klamotten lösten, rieselten, wenn ich sie aus dem Regal holte. Das kam vor, wenn meine beste Freundin mit ihrer Barbie-Sammlung vorbeikam. Sie schimpfte mich dann immer aus, wie ich so mit Barbie umgehen könne.

Ich erklärte, dass langen blonden Haare bis zum Po irgendwie „klebrig sind“, dass sie stinken und sich beim Kämmen elektrisch aufladen. „Ich krieg‘ immer einen Stromschlag, wenn ich sie anfasse.“ Meine Freundin packte daraufhin ihre brünette Barbie aus, dazu die Blonde im Tennisdress, dazu einen unnützen Ken. „Lass‘ uns Tennisclub spielen“, schlug sie vor. Ich setzte mich dann oft mit „Waisenhaus“ durch, gespielt im Baumhaus der Nachbarjungs. Mag die Barbie doch verlottern.

Birgitta Stauber schreibt über Familie, Frauen und Gesellschaft.
Birgitta Stauber schreibt über Familie, Frauen und Gesellschaft. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Barbie hat eine Erfinderin – und die taucht dann auch noch auf

Was ich ihr mit meiner Ignoranz und Gewalt angetan hatte, lernte ich diese Woche im Kino. Die Töchter schleppten mich in den Barbie-Film. Vorab: Es war doch ziemlich lustig, mich dieser geballten Kraft der perfekten Barbie, gespielt von Margot Robbie, und der Verzweiflung des unnützen Ken (Ryan Gosling) in einen abstrakt verwobenen Plot zwischen Barbieworld und realer Welt in Los Angeles hinzugeben, in der ein überzeichneter CEO von Mattel reingrätscht sowie eine rotzige Tochter einer Barbie-verliebten, aber verzweifelten Mutter.

Dazu: Ganz viel pink, blond, hellblau und die kitschige, aber seelenwärmende Omi, die sich als Barbie-Erfinderin herausstellte.

Ryan Gosling und Margot Robbie vor der „Barbie“-Europa-Premiere in London.
Ryan Gosling und Margot Robbie vor der „Barbie“-Europa-Premiere in London. © Getty Images | Joe Maher

Also, ich war eines dieser schrecklichen Kinder, die Schuld daran sind, dass es die „Weird Barbie“ gibt. Die Seltsame, die Verrückte, die Gestörte. „Mit ihr haben Kinder zu grob gespielt“, hieß es. Sie wurde in der echten Welt geschunden, geschlagen, misshandelt, das macht sie in der perfekten Barbie-Welt zu einer Mischung aus Zombie und Hipster mit einem gewissen Coolness-Faktor.

Die „Weird Barbie“ steht im Dauerspagat an der Wand

Nichts, was es nachzumachen gilt, aber doch ein wenig Bewunderung wert ist, so wie sie da im Dauerspagat mit den wie abgebissenen Haaren an der Wand lehnt.

Ich überlege die ganze Zeit, welche Botschaft der Film hat. Es geht um Feminismus. Um Männer, die sich verletzt fühlen. Um Männer, die das mit dem Patriarchat ganz falsch verstehen. Also ganz viel um Männer und ihre Seele. Und um den Kampf der Frauen. Um Sinn und Unsinn der Barbie in allen Facetten. Die meisten, die dann aber im Kino saßen, lachten sich einfach schlapp und genossen die schönen Bilder mit der so schönen Margot Robbie (da ist er wieder, dieser Drang, der Barbie die Haare abzuschneiden) – und dem noch schöneren Ryan Gosling (ok, das ist Geschmackssache).

Lesen Sie auch:Claudia Schiffer gibt es jetzt auch als Barbie-Puppe

Was für ein bemerkenswerter Film. Zuckerwatte, finde ich, mit erstaunlich viel Tiefgang, meint die Kollegin. Ich fühle mich tatsächlich so, als hätte ich zu viel Süßigkeiten gegessen. Obendrein nagt in mir das Gefühl, irgendwie schuldig zu sein. Weil ich mit Barbie ebenso umging wie mit der Zuckerwatte, die mir meine Großtante jedes Jahr auf der Herbstkirmes spendierte. Als sie nicht hinschaute, warf ich sie weg. Zugegeben hätte ich das nicht.

Margot Robbie ist schön – Ryan Gosling ist schöner. Oder nicht?

Als meine Kinder klein waren, flog auch bei ihnen die ein- oder andere Barbie-Figur herum. Es gab ein pinkes Barbiehaus, geschenkt von der Patentante. Und ein Pferd. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass sie wirklich damit gespielt haben. Sie haben sie viel mehr in Ruhe gelassen, die Haare blieben jedenfalls dran. Dennoch wollten sie alle drei unbedingt in den Film. Vielleicht ging es ihnen um ein wenig Kindheit nach harten Jahren des Erwachsen-Werdens. Wobei ich finde, ein Playmobil-Film hätte besser zu ihnen gepasst.

Meine großen Kinder sind jetzt in dem perfekten Alter, aus dem Barbie niemals herauskommt. Denn Barbie kann zwar dick sein und klein, sie kann schwarzhaarig sein mit dunkler Haut, sie kann Sommersprossen haben und im Rollstuhl sitzen. Aber niemals ist sie alt. Barbie ist einfach nur da in ihren ganzen alterslosen Facetten. Es ist so, wie es Margot Robbie als die perfekte Barbie im Film sagt. „Für immer und ewig“. Später hat sie ihre Metamorphose, unterstützt von ihrer Erfinderin. Aber ich will hier nicht spoilern. Nur noch hinzufügen: Mich schüttelt es, obwohl ich gar nicht weiß, warum. Als hätte ich mit dem Fingernagel auf Styropor gekratzt.

Weitere Frauengold-Kolumnen: