Berlin. Designer gehen derzeit auf Nummer sicher und setzen auf Models mit bekannten Nachnamen. Aussehen und Talent sind weniger so wichtig.

Eine 14-Jährige in einem Vororthaus klebt Amateuraufnahmen von sich in ein Album, geht damit zu ihrer Mutter in die Küche und sagt: „Ich will Model werden. Seit ich sieben bin, habe ich davon geträumt.“ Millionen von Fernsehzuschauern haben diesen Dialog verfolgt. Denn der Teenager hieß Kendall Jenner (heute 26).

Sie ist die Tochter von Olympia-Ikone Bruce Jenner (heute Caitlyn Jenner) und Teil der berühmtesten Reality-TV-Familie der Welt: des Kardashian-Jenner-Clans. Es war Karl Lagerfeld, der die Zeichen der Zeit witterte, Jenner für die Chanel-Show buchte und zum bestbezahlten Model der Welt machte.

Jenners Erfolg krempelte die Modewelt komplett um. Derzeit beherrschen Models mit berühmten Eltern wie noch nie zuvor Kampagnen und Laufstege: Donatella Versace etwa engagierte für ihre Show in Venedig die drei Töchter von Hip-Hop-Mogul Sean Combs (Puff Daddy) sowie Leni Klum (17), Tochter von Heidi Klum.

Depp, Schwarzenegger, Beckham auf dem Laufsteg

Lily-Rose Depp (22), Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis, ist das Gesicht der neuen Handtaschen-Kampagne von Chanel. Patrick Schwarzenegger hat einen Vertrag mit Hugo Boss. Der große Vorteil dieser Models: Sie müssen allesamt nicht mehr mühselig zu Stars aufgebaut werden. Den Ruhm bringen sie zu ihrem ersten Job mit – und teilweise Millionen Fans auf Instagram.

Eve Jobs, Tochter von Apple-Mitgründer Steve Jobs, bei der „Vanity Fair“-Oscar-Party.
Eve Jobs, Tochter von Apple-Mitgründer Steve Jobs, bei der „Vanity Fair“-Oscar-Party. © Casey Flanigan/imageSPACE/Shutterstock | Casey Flanigan/imageSPACE/Shutterstock

„Der Name ist die Eintrittskarte. Die Eltern lassen natürlich auch ihre Kontakte spielen“, erklärt Thomas Kleinrahm, Promi-Experte der Kommunikationsagentur Fischer-Appelt. „Talent, Aussehen und Persönlichkeit sind dabei sekundär. Da darf ein Model auch 1,60 statt 1,80 Meter sein.“

Zumal in Zeiten des Vielfaltgebots keine einheitlichen Schönheitsideale mehr gelten. Doch wenn jeder schön sein kann, wer wird dann Model? Inmitten dieser Verwirrung verschaffen die Kinder mit den großen Nachnamen Orientierung. Zudem muss man Brooklyn Beckham (23) oder Ava Phillippe (22), Tochter von Filmstar Reese Witherspoon, nicht erst erklären, wie man für die „Vogue“ posiert. Magazine waren für sie immer eine Art Familienalbum.

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Während die Model-Scouts früher in die Provinz reisten, um nach langbeinigen, schlanken Schönheiten zu suchen, surfen sie heute bequem die sozialen Medien ab. Dort müssen sie auch auf die sich kühl gebende Eve Jobs (23) gestoßen sein. Im Moment gilt die Stanford-Absolventin und Tochter von Apple-Mitgründer Steve Jobs als die große Model-Hoffnung. Ihr Vertrag mit der renommierten Agentur DNA ist soeben unterzeichnet – und schon hat sie 271.000 Follower.

Halb Model, halb Promi

Die neue Generation, halb Model, halb Promi, ist der perfekte Hybrid aus den beiden Bewegungen der letzten Jahrzehnte: In den 90er-Jahren drehte sich alles um die Supermodels, in den 2000ern warben Modehäuser dagegen mit Hollywood-Stars. Besonders die Kinder der Supermodels sind jetzt gefragt, etwa Kaia Gerber, (20), Tochter von Cindy Crawford, oder Kate Moss’ Tochter Lila Moss (19).

Das erfolgreichste Model der Welt: Kendall Jenner.
Das erfolgreichste Model der Welt: Kendall Jenner. © Matt Baron / Shutterstock

„Ich habe das Gefühl, die Modebranche möchte durch sie die Ära der Supermodels wieder aufleben lassen. Sie sind frische Gesichter und dennoch vertraut“, sagt Geraldine Wharry, eine auf Mode spezialisierte Zukunftsforscherin. Sie sieht dabei eine Parallele zu den vielen Neuauflagen von Filmen und Serien.

Für die Promi-Kinder bedeutet das Modeln einen niedrigschwelligen und von Anfang an lukrativen Berufsstart. „Ich habe kein Ziel“, gab etwa Lourdes Leon (25) im Magazin „Interview“ zu. Ihr fehle einfach der Ehrgeiz ihrer Mama Madonna. Also erst mal modeln.

Eine Ausnahme ist Lenn Julian Frege (18): Wenn er für Prada in Mailand über den Laufsteg geht, interessiert sich niemand dafür, wer sein Vater ist. Campino, Sänger der Punkband Toten Hosen, ist dort gänzlich unbekannt.