Los Angeles. Beyoncé und die transsexuelle Kölnerin Kim Petras brechen bei den Grammys Rekorde. Für das ungewöhnlichste Outfit sorgt Harry Styles.

Beyoncé ist ein Superstar von überirdischem Format, doch auch sie wird manchmal von Widrigkeiten des Alltags aufgehalten. Weil ihre Limousine in einem der berüchtigten Verkehrsstaus von Los Angeles steckenblieb, konnte sie am Sonntagabend bei der Grammy-Verleihung ihre Trophäe für ihren Hit „Break My Soul“, Gewinner in der Kategorie „bester R&B-Song“, nicht wie geplant auf der Bühne entgegennehmen. B

Mit ihrem Album „Renaissance“ entwickelte Beyoncé die House Music der frühen 90er-Jahre weiter – das wurde mit vier Grammys belohnt.
Mit ihrem Album „Renaissance“ entwickelte Beyoncé die House Music der frühen 90er-Jahre weiter – das wurde mit vier Grammys belohnt. © Getty Images for The Recording Academy | Emma McIntyre

Irgendwann saß sie dann doch neben Ehemann Jay-Z (53) an ihrem Tisch. Insgesamt viermal wurde die 41-Jährige mit dem wichtigsten Musikpreis der Welt ausgezeichnet. Damit ist sie mit 32 Preisen die Grammy-Königin. Bisher war der verstorbene britisch-ungarische Dirigent Georg Solti mit 31 Trophäen der Rekordhalter.

Beyoncé erinnert an die schwarzen, schwulen Wurzeln der House Music

„Ich versuche, nicht zu emotional zu sein. Ich versuche, diese Nacht einfach anzunehmen“, sagte Beyoncé sichtlich gerührt. Sie dankte Gott und ihrem Mann. Seit Jahren widmet der einstige Teeniestar sich Themen wie Feminismus, selbstbestimmte weibliche Sexualität, „Black Lives Matter“.

Ihr progressiver R&B- und Hip-Hop-Sound auf Alben wie „Lemonade“ wurde von Kritikern bejubelt, nur einen großen Hit hatte sie lange nicht. Mit ihrem Album „Renaissance“ wagte sie dann 2022 einen Sound-Wechsel hin zur House Music – und erinnerte damit an die schwarzen schwulen Wurzeln der beatgetriebenen Clubmusik. „Lose My Breath“ wurde zum Hit des vergangenen Sommers.

Grammy-Verleihung nach Kritik vielfältig wie nie

Und so setzte „Queen Bey“, wie sie in den USA ehrfurchtsvoll genannt wird, sich mit „Renaissance“ auch in der für sie neuen Grammy-Kategorie „Best Dance/Electronic Album“ durch. „Ich danke der schwulen Gemeinschaft für ihre Liebe und dafür, dass sie dieses Genre erfunden hat“, sagte sie. In den USA war das in Vergessenheit geraten – elektronische Tanzmusik galt dort lange als oberflächliche Spaß-Musik für zugedröhnte weiße Wohlstands-Kids.

„Diversity“, also Vielfalt, ist das große Thema derzeit – und die Grammy-Verantwortlichen zeigten nach Kritik in Vorjahren, dass sie bei ihrer Auswahl in der Gegenwart angekommen sind.

„Meine Mutter glaubte mir, dass ich ein Mädchen bin“

Unschlagbares Duett: Die Popstars Kim Petras (l.) und Sam Smith performten in Los Angeles ihren Hit „Unholy“.
Unschlagbares Duett: Die Popstars Kim Petras (l.) und Sam Smith performten in Los Angeles ihren Hit „Unholy“. © Getty Images for The Recording Academy | Alberto E. Rodriguez

So war es eine Deutsche, die ebenfalls Grammy-Geschichte schrieb: Kim Petras (30) ist der erste transsexuelle Popstar, der die Trophäe gewonnen hat. „Oh mein Gott, ich bin eine Tranny mit einem Grammy“, freute sie sich auf Twitter.

Mit Sam Smith (30), Selbstbezeichnung „nichtbinäre Person“, gelang ihr der internationale Hit „Unholy“, der es sogar in den USA auf Platz 1 schaffte. Sie bedankte sich bei den „Trans-Legenden“, die schon vor ihr so viele Türen eingetreten hätten, sowie bei Madonna (64), Vorkämpferin für LGBTQ-Rechte. Und bei ihrer Mutter:

„Ich bin neben einer Autobahn im Nirgendwo in Deutschland aufgewachsen“, so Petras. Ihre Mutter habe ihr geglaubt, dass sie ein Mädchen sei. „Ich wäre nicht hier ohne sie und ihre Unterstützung.“ Das Nirgendwo, das Petras anspricht, liegt bei Köln.

Kölnerin ging nach L.A., um berühmt zu werden

Dort wuchs Petras auf – allerdings im falschen Körper, wie sie es empfand. Vor zehn Jahren setzte sie alles auf eine Karte und zog nach Los Angeles, um es als Musikerin zu schaffen. Kurz nach der Preisübergabe performten Petras und Smith „Unholy“ auf der Grammy-Bühne – Petras im Käfig, Smith und die Tänzer als Teufel verkleidet. Das Lied handelt von einem Familienvater, der sich in einem Stripclub vergnügt. Lesen Sie auch: Diese Promis sind transgender

„Woke“, also beseelt mit einer Antenne für Missstände und Minderheiten, waren auch weitere Preisträger: US-Sängerin Lizzo (34) etwa, die sich gegen überholte Körperbilder stark macht (Beste Aufnahme: „About Damn Time“). Oder der iranische Sänger Scherwin Hadschipur (25) mit seines Protesthymne „Baraye“.

Stil-Revoluzzer Harry Styles ließ es funkeln

Weitere Preisträgerinnen waren die Britin Adele (34, Beste Pop-Solodarbietung: „Easy On Me“), Musikerin Brandi Carlile (41, Bester Rock-Song: „Broken Horses“), Kendrick Lamar (35, u.a. Beste Rap-Darbietung: „The Heart Part 5“), Taylor Swift (33, Bestes Musikvideo: „All Too Well: The Short Film“).

Nie war mehr Lametta: Ex-One-Direction-Star Harry Styles singt seinen „As It Was
Nie war mehr Lametta: Ex-One-Direction-Star Harry Styles singt seinen „As It Was". © dpa | Chris Pizzello

In der Königskategorie „bestes Album“ gewann allerdings ein weißer, heterosexueller Mann: Harry Styles (29, „Harry’s House“). Der Ex-Boygroup-Star revolutionierte immerhin die Männermode, indem er schon mal Kleid oder Perlenkette trägt.

Für seinen Auftritt Sonntag wählte er eine Lametta-Glitzer-Kreation – ein Mischwesen aus Disco-König und Weihnachtsbaum. Alles ist möglich. Nur die Ära der Männer-Rockbands und Backstage-Groupies scheint lange vorbei.