Berlin. Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz (31) blickt zurück auf ein verrücktes Leben – und schreibt über Drogen, Einsamkeit und käuflichen Sex.

Mit 31 stehen andere am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz dagegen blickt zurück und schreibt seine Memoiren: Er macht das von seiner Villa in den Hollywood Hills aus. Ein weiter Weg, wenn man aus Loitsche bei Magdeburg kommt, „600 uninspirierte Seelen, absolute Tristesse“, wie er es in seiner Biografie „Career Suicide“ (Ullstein, ab 1. Februar) beschreibt.

Abwechslung verschaffen hier das Kiffen hinter der Bushaltestelle und die Musik, besonders die von Nena. Die, so glaubt er damals, nehme das Leben leicht.

Da er nicht den Erwartungen an einen Jungen entspricht, wird er gemobbt. Seine Mutter hat so ihre eigene Erklärung dafür, warum Bill so ist, wie er ist: Sie meint, „dass die Seele ihrer Tochter, die sie ein Jahr zuvor abgetrieben hatte, in mir weiter wohnt und ich deswegen ganz besonders geworden bin und eben anders als andere Jungs. Mir hat diese Erklärung immer gut gefallen, auch wenn ich sie für Schwachsinn halte.“

Tokio Hotel: „Durch den Monsun“ landet direkt auf Platz eins

Mit 13 nehmen er und sein Zwillingsbruder Tom an einem Kindercasting teil, bekommen den ersten Plattenvertrag. Die Debüt-Single „Durch den Monsun“ ihrer Band Tokio Hotel schießt 2005 direkt auf Platz eins. Lesen Sie hier:Bill Kaulitz spricht von Dreiecksbeziehung mit bestem Freund

Besonders Bill mit seinem Manga-Emo-Look wird zum Idol für Teenager, das Fan-Kreischen wird zum Dauerton im Ohr. Sieben Millionen Platten verkaufen sie in den wenigen Jahren, in denen sie den ganz großen Erfolg haben.

Immer noch auf der Suche nach seinem wahren Ich: Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz.
Immer noch auf der Suche nach seinem wahren Ich: Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz. © Getty Images | Gisela Schober

Ruhm macht einsam – viele berühmte Menschen vor ihm machten diese Erfahrung. Kaulitz beschreibt sie so: „Das Geschrei der Fans und die Musik schallen nach und rauschen noch minutenlang durch meinen Kopf, doch um mich herum wird es leise. Zurück im Hotel, wenn mein Security die Tür hinter mir schließt und mich erschöpft in meiner Suite abliefert, fühle ich mich alleine. Die Einsamkeit ist mein größter Feind. Keines von den Hunderten Mädchen vor dem Hoteleingang weiß, wie es in mir aussieht.“

Während alle in seinem Team nach der Show in ihr Leben zurückkehren, sei er immer Bill Kaulitz geblieben – gefangen in seiner eigenen Kunstfigur. Wenn alle etwas von einem wollen, vergisst man, was man selbst will. Kaulitz versucht es mit Partys und Drogen, „… noch halb betrunken und zugekokst Interviews zu geben, sollte bald schon keine Schwierigkeit mehr darstellen, denn ich wurde rasch Meister in dieser Disziplin“.

Bill Kaulitz bestellt Escortservice aufs Hotelzimmer

Zudem kommt mit der Fan-Liebe auch der Hass: „Jeden Tag gab’s neue Drohungen, und natürlich wurde der meiste Hass über mir ausgeschüttet – der komische Typ mit den geschminkten Augen, der Junge, der aussieht wie ein Mädchen, dieses Etwas, von dem man nicht wusste, ist der jetzt schwul oder hetero – das ewige Thema.“ Mehr zum Thema: Heidi Klum und Tom Kaulitz - schon seit Februar verheiratet?

2010 fängt er ein neues, anonymes Leben an und zieht mit seinem Bruder nach Los Angeles. Hier ist er ein Nobody, aber einer mit Zeit und Geld. Es folgen noch mehr Partys, Drogen, ein geänderter Look. Doch Leere und Einsamkeit bleiben.

Topmodel Heidi Klum in der Mitte: links Bill, rechts Ehemann Tom Kaulitz.
Topmodel Heidi Klum in der Mitte: links Bill, rechts Ehemann Tom Kaulitz. © imago images | Francesco Gulotta

Er beschreibt käuflichen Sex, bestellt einen Escort in ein Motelzimmer: „Das funktioniert ganz professionell, nicht straßenstrichmäßig oder in dunklen Ecken in komischen Bordellen“, erklärt er. „Außer dass man immer noch cash zahlen muss. Oldschool, machte die Sache aber auch irgendwie sexy.“

Bill Kaulitz hat sein Glück gefunden – dank Heidi Klum

Das Gefühl, isoliert zu sein, bleibt bis heute, verstärkte sich in der Corona-Krise. „Ich sitze in meinem Traumhaus, das ich vor knapp einem Jahr gekauft habe, weit über der Stadt in den Bergen von Hollywood. Selten habe ich mich so einsam gefühlt!“ Niemand sei bei ihm außer seiner Bulldogge. Auch interessant:Tom Kaulitz spricht bei „Lanz“ über Hochzeit mit Heidi Klum

In L.A. lästert er über Menschen, Büro- und Wohntürme. Gut weg kommt hingegen seine Schwägerin Heidi Klum. „Mit Heidi kam die Leichtigkeit in unser Leben.“