Jerusalem/Berlin. Wie gut wirken die Corona-Impfstoffe gegen die Delta-Variante? Eine israelische Forschungsgruppe legt Zahlen zum Biontech-Vakzin vor.

  • Die Delta-Variante breitet sich immer mehr aus. In Deutschland dominiert sie inzwischen
  • Doch wie gut schützt der Impfstoff von Biontech vor der Mutante?
  • Eine israelische Studie liefert Ergebnisse zu der Frage - doch ein deutscher Experte kritisiert diese

Israel galt bei der Pandemiebekämpfung lange als Bilderbuchbeispiel: Im Rekordtempo wurde die Bevölkerung gegen Corona geimpft, das Land setzte bei seiner Impfkampagne besonders auf das Vakzin von Biontech/Pfizer. Nun verzeichnet Israel wieder einen Anstieg der Neuinfektionen - wegen der Delta-Variante. Forscherinnen und Forscher der Hebrew University of Jerusalem haben nun Ergebnisse zur Wirksamkeit der Impfung gegen die Mutation in einem Bericht an den Nationalen Sicherheitsrat veröffentlicht.

Auch interessant: Nach Impfung mit Johnson & Johnson könnte weitere Impfung wegen Delta nötig sein.

Biontech bei Delta "weniger effektiv"

Grundsätzlich sei der Impfstoff von Biontech/Pfizer auch gegen die Delta-Variante wirksam, fasst die "Jerusalem Post" die Ergebnisse der Forschungsgruppe zusammen. Allerdings schlechter als gegen andere Varianten: Die Corona-Impfung sei bei der Vorbeugung zur Infektion "wesentlich weniger effektiv" - die Rede ist von einer Wirksamkeit von 60 bis 80 Prozent gegen Delta.

Gegenüber der Alpha-Variante B.1.1.7 bescheinigten die Forscherinnen und Forscher dem Vakzin dagegen eine Wirksamkeit von 90 Prozent. Insgesamt sei aber in Hinblick auf alle Varianten unklar, wieviel Prozent der infizierten Geimpften tatsächlich einen schweren Krankheitsverlauf entwickelten.

EMA: Vollständige Corona-Impfung schützt gegen Delta-Variante

weitere Videos

    Delta-Infektion trotz Impfung: Schwerer Verlauf möglich?

    Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts sei die Zahl der mäßig starken und schweren Verläufe "bedeutend niedrig" gewesen, heißt es im Artikel der "Jerusalem Post". Lesen Sie auch: Biontech entwickelt neue Impfstoff-Version gegen Delta

    In einer Studie einer anderen israelischen Forschungsgruppe heißt es, dass die neutralisierenden Antikörper bei Geimpften gegen die Delta-Variante reduziert seien, wie die israelische Zeitung weiter berichtet. Neutralisierte Antikörper sind als Schutz vor einer Infektion jedoch enorm wichtig, da sie die Bindung des Virus an die Zellen blockieren können, wie die "Pharmazeutische Zeitung" erklärt. Sie werden als Immunreaktion gebildet.

    Die Gruppe um die Professorin Gili Regev-Yochay sei aus diesem Grund ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass die Impfung weniger gegen die Delta-Variante wirkt als gegen den ursprünglichen Virustyp. Die geringste Wirksamkeit sei aber gegen die zuerst in Südafrika aufgetauchten Beta-Variante vorhanden, wie Regev-Yochay gegenüber der "Jerusalem Post" sagte. Nichtsdestotrotz betonte die Professorin, dass die Impfung grundsätzlich wirksam sei.

    Deutscher Experte kritisiert Studie – andere Ergebnisse in Großbritannien

    Nach den Berichten aus Israel warnt ein Experte der Berliner Charité vor schnellen Schlüssen. „Diese Zahlen muss man noch etwas mit Vorsicht betrachten. Es ist methodisch schwierig in einem solchen Setting wie in Israel mit niedrigen Inzidenzen und lokalen Ausbrüchen die genaue Effektivität der Impfung zu bestimmen“, teilte Leif Erik Sander auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag mit. Daten aus Großbritannien deuteten darauf hin, dass der Impfschutz kurz nach der zweiten Dosis nur geringfügig reduziert sei bei Delta - verglichen mit der bisher vorherrschenden Alpha-Variante.

    Dass der Immunschutz mit der Zeit etwas nachlasse, sei allerdings auch denkbar, erklärte Sander. In Israel sei sehr früh geimpft worden. Dass vor allem der Schutz vor einer Weitergabe des Virus mit der Zeit nachlassen könnte, wird schon länger befürchtet - er gilt als weniger langlebig als der Schutz des Geimpften selbst. „Man muss also die Zahlen weiter genau beobachten“, so Sander.

    Corona: Das ist über die Lambda-Variante bekannt

    weitere Videos

      Laut einer Mitte Juni vorgestellten Studie der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) verhindert die vollständige mRNA-Impfung schwere Krankheitsverläufe bei der Delta-Variante ebenso wirksam wie bei der Alpha-Variante. Gegen leichtere Erkrankung wirkt der Biontech-Impfstoff sogar noch besser.

      Israel: Gesundheitsministerium rechnet mit steigenden Zahlen

      Das israelische Gesundheitsministerium sieht nun bei den steigenden Infektionszahlen eine Trendumkehr: Die Behörde rechnet in den kommenden Tagen mit einem Anstieg auf 500 bis 600 Fälle täglich. Laut dem israelischen Sender iNews verzeichnete das Land rein rechnerisch in den vergangenen zwei Wochen einen Anstieg der Neuinfektionen von 1000 Prozent. Innenministerin Ajelet Schaked drohte angesichts der alarmierenden Zahlen bereits mit einer Schließung des internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv.

      Für Aufsehen sorgte vor wenigen Tagen der Fall eines israelischen infizierten Schülers: Der junge Mann hatte sich trotz Impfung mit dem Coronavirus angesteckt - und zwar bei einem ebenfalls geimpften Angehörigen. Auf einer Party in Tel Aviv steckte er anschließend mehr als 80 Personen an.

      Von den rund 9,3 Millionen Einwohnern In Israel haben 5,6 Millionen Menschen die erste Impfung erhalten, davon sind 5,2 Millionen vollständig geimpft. Dies entspricht 56 Prozent der Bevölkerung.

      (mit dpa)