Berlin. Zum Schutz vor Corona soll das Arbeiten im Homeoffice ab Herbst wieder leichter möglich sein. Im Büro sollen strenge Regeln gelten.

  • Während die Corona-Sommerwelle sich weiter abschwächt, laufen die Vorbereitungen für den Winter auf Hochtouren
  • Es wird erwartet, dass die Corona-Zahlen in der kalten Jahreszeit wieder ansteigen
  • Wird es 2022 eine Homeoffice-Pflicht wieder geben?

Nach einem recht unbeschwerten Sommer könnten Millionen Beschäftigte in Deutschland ab Herbst wieder ins Homeoffice zurückkehren. Für den Fall, dass die Corona-Infektionszahlen demnächst wieder steigen, will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Arbeitgeber wie bereits in früheren Phasen der Pandemie erneut dazu verpflichten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Arbeiten von zuhause anzubieten.

Ziel sei der Schutz der Beschäftigten vor einer Corona-Infektion am betrieblichen Arbeitsplatz, wie aus dem Referentenentwurf für eine SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung des Ministeriums hervorgeht, der unserer Redaktion vorliegt. Die Regelung soll zum 1. Oktober in Kraft treten und bis zum 7. April 2023 gelten. Eine so genannte Homeoffice-Angebots-Pflicht war im vergangenen März ausgelaufen.

Homeoffice-Pflicht wird wohl kommen

Laut des Entwurfs müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten künftig wieder anbieten, „geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Ziel sei eine Verminderung betrieblicher Personenkontakte, zum Beispiel durch die Reduzierung der gleichzeitigen Nutzung von Räumen.

  • Es bestehe für die Beschäftigten allerdings „keine Verpflichtung zur Annahme und Umsetzung des Angebots“.
  • Für eine Rückkehr ins Homeoffice sei zudem „erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung der Beschäftigten gegeben sind“, heißt es weiter.
  • Auch müsse zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten „eine Vereinbarung zum Arbeiten von zu Hause aus“ getroffen werden, etwa auf dem Wege einer arbeitsvertraglichen Regelung oder durch eine Betriebsvereinbarung.

Corona: Das soll gelten, wenn Homeoffice nicht geht

Für Tätigkeiten, die nicht von zuhause aus ausgeübt werden können, gibt es ebenfalls Regeln. So müssen Arbeitgeber für Beschäftigte in Präsenz zahlreiche Hygieneregeln beachten. Chefs sollen etwa verpflichtet werden, allen Beschäftigten, die weiter in Präsenz arbeiten, mindestens zweimal pro Woche einen Antigen-Schnelltest anzubieten.

Auch Schutzmasken müssen vom Arbeitgeber gestellt und von den Beschäftigten in Präsenz getragen werden. Im Zentrum der Schutzmaßnahmen solle „die Verpflichtung der Betriebe stehen, ein betriebliches Hygienekonzept zu erstellen“. Der Arbeitgeber muss seinen Beschäftigten ferner „ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen“.

Sozialminister Hubertus Heil (SPD).
Sozialminister Hubertus Heil (SPD).

Zur Begründung des Vorhabens heißt es in Heils Entwurf: „Für den kommenden Herbst und Winter steht zu erwarten, dass die Infektionszahlen nochmals deutlich ansteigen.“ Wie in vielen Lebensbereichen müssten daher auch im Arbeitsleben erneut Schutzmaßnahmen getroffen werden, „um das Infektionsgeschehen möglichst gut zu beherrschen, krankheitsbedingte Ausfallzeiten von Beschäftigten zu reduzieren und Belastungen des Gesundheitswesens, der kritischen Infrastrukturen und der Wirtschaft zu minimieren“.

Wie in vielen Lebensbereichen müssten daher auch im Arbeitsleben erneut Schutzmaßnahmen getroffen werden, „um das Infektionsgeschehen möglichst gut zu beherrschen, krankheitsbedingte Ausfallzeiten von Beschäftigten zu reduzieren und Belastungen des Gesundheitswesens, der kritischen Infrastrukturen und der Wirtschaft zu minimieren“. Die Gesamtzahl der Beschäftigten in Deutschland beläuft sich laut Ministerium auf rund 37 Millionen.

Homeoffice-Angebots-Pflicht: Kritik aus der Wirtschaft

Mit Missfallen haben Arbeitgeberverbände auf die Pläne reagiert. Die geplante Homeoffice-Angebots-Pflicht zeige ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Unternehmen und unterstelle, dass diese sich nicht um ihre Beschäftigten verantwortungsvoll kümmern würden, sagte Markus Jerger, Bundesvorsitzender des Mittelstandsverbandes, unserer Redaktion.

„Ein ungeheuerlicher Vorwurf. Dabei haben die Betriebe schon in den vorherigen Infektionswellen bewiesen, dass der Arbeitsplatz kein Infektionstreiber ist“, führte Jerger aus. Die Arbeit von zu Hause aus sollte für niemanden Pflicht sein, findet der Mittelstandsverbandschef.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände, Reiner Dulger, nannte die Pläne „unangemessen und nicht nachvollziehbar“. Es sei an der Zeit, die Panikecke zu verlassen und zu einer Normalität mit Corona zu kommen, so Dulger: „Wir brauchen situationsangepasste Infektionsschutzmaßnahmen in den Betrieben und keinen staatlichen Bürokratiemurks.“

Die Unternehmen würden auf freiwilliger Basis Homeoffice und Testangebote anbieten. Dazu brauche es keine starren Vorgaben aus der Regierung.

Von Arbeitnehmerseite kommt dagegen Zustimmung. „Es ist richtig und gut, dass der Arbeitsminister mit einer Arbeitsschutzverordnung für den Herbst vorsorgt“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), unserer Redaktion. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Homeoffice-Quote trotz hoher Infektionszahlen zurückgehe, wenn es den Arbeitgebern freigestellt werde, Homeoffice anzubieten. Daher sei es richtig, mögliche Gründe, die einem Homeoffice-Angebot entgegenstünden, eng zu fassen.

Allerdings sieht die Gewerkschafterin auch Risiken. „Homeoffice kann eine besondere Belastung und Gesundheitsgefahr für Beschäftigte sein.“ So dürfe die Arbeit zu Hause kein Ersatz für Kinderbetreuung sein, mahnte Piel.

Hausärzte sehen die Priorität beim Impfen

Skepsis kommt auch von medizinischer Seite. „Ich bin grundsätzlich, wo immer möglich, ein Befürworter von flexiblen Arbeitsmodellen“, sagte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, unserer Redaktion. „Ob es jedoch sinnvoll und praktikabel ist, jeden kleinen Aspekt gesetzlich zu regeln, ist eine andere Frage. Am Ende des Tages muss das auch alles kontrolliert werden.“ Der einfache Leitsatz müsse lauten: „Wer krank ist, muss ohne Wenn und Aber zu Hause bleiben“, appellierte Weigeldt.

Den Fokus legt Weigeldt stattdessen auf die Impfkampagne. Dieser habe zuletzt der Schwung gefehlt, kritisierte der Hausärzte-Verbandschef. „Die Impflücken in Deutschland sind nach wie vor zu groß. Bisher haben sich deutlich zu wenig ältere Menschen für die vierte Impfung entschieden. Millionen Menschen fehlt auch immer noch der erste Booster.“ Hier müsse die Politik mehr Anstrengungen unternehmen.

Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Donnerstag sind derzeit 63,4 Millionen Menschen beziehungsweise 76,3 Prozent grundimmunisiert, mindestens 51,5 Millionen haben eine oder zwei Auffrischungsimpfungen (62,0 Prozent) erhalten. (mit ape)

Dieser Text erschien zuerst bei morgenpost.de.