Berlin. Die Priorisierung für die Corona-Impfungen in Deutschland ist nun aufgehoben. Doch Impftermine bleiben auch weiterhin ein rares Gut.

  • Seit 7. Juni ist die Impfpriorisierung in Deutschland aufgehoben
  • Doch in vielen Bundesländern gibt es weiter unterschiedliche Regeln
  • Wir zeigen, wo man jetzt einen Termin bekommen kann

Knapp sechs Monate nach dem Start der Impfkampagne in Deutschland endet an diesem Montag bundesweit die Priorisierung. Flächendeckend beginnen zudem die Betriebsärzte mit den Impfungen. Und: Eltern können für Kinder ab 12 Jahren Impftermine vereinbaren. Startet damit also endlich den Impfturbo? Wohl kaum. Bis alle, die wollen, einen Impftermin bekommen haben, wird es wohl Spätsommer werden.

Die Vergabe von Terminen hängt weiterhin von Impfstofflieferungen ab, denn die Vakzine sind in Deutschland noch zu knapp vorhanden, um alle impfwilligen Menschen damit versorgen zu können. Was bedeutet die Aufhebung der Impfreihenfolge also in der Praxis? Welche Rolle spielt sie für Haus- und Betriebsärztinnen und -ärzte? Und in welchen Bundesländern gibt es abweichende Regelungen? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Impfpriorisierung: Was ändert sich seit Montag genau?

Die Priorisierung für die Corona-Impfungen ist seit Montag, 7. Juni, aufgehoben. Nun können sich grundsätzlich alle hier lebenden Menschen ab zwölf Jahren impfen lassen - unabhängig von Berufsgruppe oder Vorerkrankung. Die Bundesländer können allerdings abweichende Vorgaben machen.

Darüber hinaus werden seitdem auch niedergelassene Privatärztinnen und -ärzte sowie Betriebsärztinnen und -ärzte in die Impfkampagne gegen Covid-19 einbezogen, wie es aus einer Allgemeinverfügung des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht.

Welche Bundesländer machen mit der Priorisierung weiter?

Nicht alle Bundesländer geben die Termine für Corona-Impfung komplett frei. Besonders in den Impfzentren wird oft noch am Vorrang für Risikogruppen festgehalten. Dies ist in den folgenden Bundesländern der Fall:

  • Bayern, Hamburg und Schleswig-Holstein halten in den Impfzentren vorerst an der Priorisierung nach Risikogruppen fest.
  • In Bremen arbeiten die Impfzentren die Vorranglisten zunächst weiter ab.
  • Im Saarland sollen Menschen der bisherigen Priorisierungsgruppen in den Impfzentren weiter den Vorrang bei Terminen bekommen.

In den anderen Bundesländern endet auch in den Impfzentren die bisherige Reihenfolge.

Warum bedeutet die Aufhebung nicht, dass alle schnell einen Impftermin bekommt?

Aktuell sind in Deutschland schlichtweg noch nicht genügend Mengen an Impfstoff vorhanden, um alle Menschen damit zu versorgen, die sich immunisieren lassen möchten. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) musste seine Prognose, wann Impfwillige ihre erste Dosis erhalten werden, gerade erst nach unten korrigieren: "80 Prozent der impfwilligen Erwachsenen werden bis Mitte Juli mindestens einmal geimpft sein." Vor einer Woche hatte Spahn noch von "an die 90 Prozent" gesprochen. In vielen Regionen gibt es aktuell kaum noch neue Termine für Erstimpfungen – weil der knappe Impfstoff für die anstehenden Zweitimpfungen gebraucht wird.

Laut Gesundheitsministerium stehen in der kommenden Woche rund 6,7 Millionen Impfdosen zur Verfügung. Betriebsärztinnen und -ärzte erhalten demnach insgesamt 702.000 Dosen des Vakzins von Biontech, die Praxen 2,6 Millionen Biontech-Dosen, 304.800 Astrazeneca-Dosen und 513.600 Dosen des Einmal-Impfstoffs von Johnson & Johnson. Die Impfzentren der Länder sollen mit 1,6 Millionen Biontech-Dosen, 480.000 Astrazeneca-Dosen und 540.000 Dosen Moderna beliefert werden.

Was bedeutet das für Arztpraxen?

Ärztinnen und Ärzte in Deutschland bereiten sich in Hinblick auf die aufgehobene Priorisierung auf eine große Nachfrage nach Corona-Impfungen vor. Er rechne mit einem "Ansturm auf die Praxen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag.

"Bitte haben Sie Geduld und bedrängen Sie nicht die Ärzte und Ärztinnen und deren Teams, die medizinischen Fachangestellten", appellierte Gassen an die Menschen. "Alle werden geimpft werden - und das so schnell wie möglich. Aber nicht alle auf einmal." Die Mengen an verfügbarem Impfstoff nähmen kontinuierlich zu. Trotzdem seien die Vakzine immer noch in zu knapper Zahl vorhanden.

Auch die deutschen Hausärzte dämpften die Erwartungen an das Ende der Priorisierung: "Für viele Kolleginnen und Kollegen wird der 7. Juni ein Tag wie so viele andere sein seit Beginn der Impfkampagne. Denn letztlich ist der Impfstoff noch immer zu knapp für die hohe Nachfrage und wird auch weiterhin zu unzuverlässig geliefert", sagte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Hausärzteverbands dieser Redaktion.

Sicherlich werde mit der Aufhebung der Priorisierung und der "vollmundigen Ankündigung" der Kinder- und Jugendimpfungen die Nachfrage noch zunehmen. Aber das ändere nichts an der Lage: "Wir impfen, so viel wir eben können." Aber es reicht eben noch nicht für alle. Weigeldt fordert deswegen mehr Zuverlässigkeit in der Impfpolitik: "Wenn ich mir etwas wünschen dürfte für den 7. Juni, dann, dass er einen Tag markieren sollte, ab dem sich die Ankündigungen vieler Politiker endlich mehr an der Umsetzbarkeit der Impfkampagne als an der Bundestagswahl orientieren."

Was bedeutet das für Betriebsärztinnen und -ärzte?

Am 7. Juni steigen auch die Betriebsärztinnen und -ärzte voll in die Corona-Impfkampagne ein. Der Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Wolfgang Panter, dämpfte vorab die Erwartungen und verwies ebenfalls auf Impfstoffmangel. "Für die kommende Woche konnte jeder Betriebsarzt 800 Dosen bestellen und er bekommt am Ende 102", sagte Panter den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Der Verband empfiehlt demnach, zuerst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem höheren Infektionsrisiko zu impfen. Dazu zählten beispielsweise Angestellte, die in Werkshallen eng zusammenarbeiten oder viel Kundenkontakt ausgesetzt sind. Beschäftigte im Homeoffice könnten hingegen nachrangig geimpft werden.

Was bedeutet die Aufhebung für Kinder?

Über 16-jährige Teenager werden in den Kinderarztpraxen bereits seit längerem geimpft, vor allem wenn sie unter Vorerkrankungen oder Behinderungen leiden. Doch selbst für diese Gruppe reicht der Impfstoff in den Kinderarztpraxen oft nicht aus. Wer gerade mal 12 Dosen pro Woche bekommt, muss als Kinderärztin bereits jetzt die über 16-Jährigen auf Termine Mitte August vertrösten.

Mit der Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer in der EU könnten sich nun auch Kinder ab 12 Jahren impfen lassen – zumindest theoretisch. Doch fehlt nicht nur Impfstoff, sondern bislang auch noch eine allgemeine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Sie soll dem Vernehmen nach Anfang der Woche kommen, aber wohl nur für körperlich vorbelastete Kinder.

Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht sprach daher nun für gezielte Impfungen für Kinder mit Vorerkrankungen aus: Wenn ein sicherer Impfstoff für diese Altersgruppe zugelassen und verfügbar sei, könne er einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. Denn auch bei Kindern und Jugendlichen könnten gesundheitliche Risiken oder Vorerkrankungen vorliegen. "Ärztinnen und Ärzte können hierbei am besten beurteilen und beraten, für wen eine Impfung am dringlichsten ist." Wichtig sei es, dass Eltern und ihre Kinder gemeinsam mit Ärzten eine verantwortungsbewusste und freiwillige Entscheidung treffen könnten.

(raer/jule/dpa/afp)