Berlin. Die Impfungen mit Astrazeneca gehen nach weiteren Fällen von Hirnvenenthrombosen eingeschränkt weiter. Das müssen Sie jetzt wissen.

  • Wochenlang sorgte Astrazeneca für Schlagzeilen in Deutschland - Grund sind nach der Impfung aufgetretene Fälle von Hirnvenenthrombosen
  • Das Vakzin soll deshalb in der Regel nur noch bei Personen ab 60 Jahren eingesetzt werden
  • Was ist eine Hirn- oder Sinusvenenthrombose eigentlich genau? Lesen Sie hier, was die Symptome und Anzeichen sind

In Deutschland wird weiterhin mit dem Corona-Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca geimpft - allerdings nur noch bei Personen über 60 Jahre. Der Grund: Ende März entwickelte eine 47-Jährige in Euskirchen nach der Impfung eine Thrombose in einer Hirnvene und starb an den Folgen. Eine 28-Jährige muss ebenfalls wegen einer Thrombose in einer Spezialklinik behandelt werden - zwei von inzwischen mehr als 30 Fällen in Deutschland.

Bund und Länder entschieden deshalb: Ab 31. März soll das Vakzin nur noch bei Personen ab 60 Jahren eingesetzt werden. Unter 60-Jährige sollen sich "nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung" allerdings weiterhin damit impfen lassen können.

Seit dem 6. Mai ist die Priorisierung für den Impfstoff aufgehoben – wer möchte, kann sich nun unabhängig von Alter oder Vorerkrankungen mit dem Vakzin beim Hausarzt impfen lassen.

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Auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das in Deutschland für die Kontrolle von Impfstoffen verantwortlich ist, waren die Impfungen in Deutschland Mitte März kurzzeitig gestoppt worden. Grund dafür waren mehrere Fälle von Hirnvenenthrombosen, die auch Sinusvenenthrombose genannt werden. Bei einem weiteren Fall waren Hirnblutungen bei Mangel an Blutplättchen aufgetreten. Der Fall ist laut PEI sehr vergleichbar. Lesen Sie hier: Wer den Astrazeneca-Impfstoff nicht bekommen sollte

Doch was ist eine Sinusvenenthrombose eigentlich? Wie häufig tritt sie auf ? Und wie gefährlich sind diese Blutgerinnsel? Ein Überblick.

Was ist eine Thrombose?

Der Überbegriff Thrombose bezeichnet den Vorgang, wenn Blut in einem Blutgefäß gerinnt und es dadurch verstopft. Dieses Blutgerinnsel wird auch als Blutpfropfen (Thrombus) bezeichnet.

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Was sind die Ursachen von Thrombosen

Grob zusammengefasst gibt es drei hauptsächliche Ursachen für Thrombosen. Sie können entstehen wenn die Blutgefäße beschädigt sind, sich die Strömungsgeschwindigkeit oder die Zusammensetzung des Blutes ändern. Die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes kann sich beispielsweise ändern, wenn Venen oder andere Blutgefäße verengt sind.

Was ist eine Sinusvenenthrombose?

Eine Sinusvenenthrombose ist eine spezielle Form einer Thrombose, bei der es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel kommt. Vom Hirn wird über große venöse Blutgefäße sauerstoffarmes Blut Richtung Herz transportiert. Bei einer Verstopfung durch ein Blutgerinnsel ist dieser Blutabfluss gestört. Es kommt zu einem Druckanstieg im Hirn.

Was sind Symptome und Anzeichen einer Sinusvenenthrombose?

Zentrales Symptom sind Kopfschmerzen.

Daneben können Erkrankte etwa

  • epileptische Anfälle,
  • Lähmungen oder
  • Sprachstörungen bekommen.

Das Paul-Ehrlich-Institut wies im Zusammenhang mit der Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen auf zunehmendes Unwohlsein nach der Impfung, starke und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen hin.

Die Erkrankung tritt selten auf. Schätzungen reichen von einem bis fünf Fälle auf 100.000 Personen pro Jahr. Die große Mehrheit der Betroffenen sind Frauen unter 50 Jahren. Lesen Sie auch: Corona-Impfstoff – Deutschland verzichtet auf 558.000 Dosen

Eine Ursache für eine Venenthrombose im Gehirn kann eine genetische Veranlagung zur Blutgerinnungsstörung sein. Mögliche weitere auslösende Faktoren sind hormonelle Veränderungen etwa durch die Pille oder durch eine Schwangerschaft, Infektionen im Kopfbereich, etwa im Ohr, aber auch anderer Art, Blut- und Krebserkrankungen sowie medikamentöse Behandlungen. Eine Sinusvenenthrombose ist durch die Verabreichung gerinnungshemmender Mittel behandelbar.

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Gibt es einen Zusammenhang zwischen Astrazeneca und den Sinusvenenthrombosen?

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hatte das Astrazeneca-Vakzin aufgrund der Thrombose-Fälle Mitte März noch einmal untersucht. Hinweise darauf, dass die Impfungen die Vorfälle verursacht hätten, hatte die EMA dabei nicht gefunden - ausgeschlossen sei dies aber auch nicht. EMA-Chefin Emer Cooke gab sich überzeugt, dass der Impfstoff folgende Voraussetzungen erfüllt: Er sei sicher. Er sei wirksam gegen Covid-19. Und deshalb überwögen die Vorteile bei Weitem die Risiken.

Hirnvenenthrombose.jpg
© dpa | dpa

Noch gibt es keine abschließende Gewissheit, ob der Astrazeneca-Wirkstoff wirklich die Fälle von Hirnvenenthrombose verursacht hat. Das PEI sah aber auch nach dem kurzfristigen Impfstopp Mitte März neben einem zeitlichen auch einen statistischen Zusammenhang. „Alle Fälle traten zwischen vier und 16 Tagen nach der Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Astrazeneca auf“, hieß es vom PEI. Die hinzugezogenen Experten hätten einstimmig ein Muster erkannt. Ein Zusammenhang der gemeldeten Erkrankungen mit der Astrazeneca-Impfung sei daher aus ihrer Sicht „nicht unplausibel“.

Wie die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) kommt auch in Deutschland die Stiko zu dem Schluss, dass der Corona-Impfstoff von Astrazeneca weiter eingesetzt werden kann. Die Empfehlung gilt aber jetzt uneingeschränkt nur noch für Menschen über 60.

Was könnte die Ursache für Thrombosen nach Astrazeneca-Impfung sein?

Ein Wissenschaftler der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) hält einen bestimmten Mechanismus im Körper für die Ursache der Hirnvenenthrombosen nach der Astrazeneca-Impfung. Dem Leiter der UMG-Abteilung Transfusionsmedizin, Andreas Greinacher, zufolge könnten in seltenen Einzelfällen über die Immunantwort des Körpers die Blutplättchen aktiviert werden, was wiederum zu den schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel führen könnte, hieß es von der UMG.

Über eine ähnliche Vermutung hatten zuvor bereits Forscher in Norwegen berichtet: Pal Andre Holme vom Universitätsklinikum Oslo hatte ebenfalls gesagt, er vermute, dass die Bildung der Gerinnsel über eine starke Immunantwort und dabei entstehende Antikörper, die an die Blutplättchen andocken und diese aktivieren, laufen könnte. Experten betonen, dass solche Ideen zum möglichen Ablauf bisher rein spekulativ sind.

Welche Thrombosen gibt es noch?

Am häufigsten tritt eine Thrombose im Bein auf. Sind dort nur oberflächliche Venen betroffen, kann die Thrombose auch komplett ohne Symptome verlaufen.

Sind tieferliegende Venen des Beines betroffenen kann sich das Blutgerinnsel lösen und in die Lunge wandern. Bei der dann folgenden Lungenembolie kann es im schlimmsten Fall zu einem lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf Stillstand kommen. Werden derartige Thrombosen rechtzeitig erkannt, können sie relativ simpel mit gerinnungshemmenden Medikamenten behandelt werden.

Schätzungen gehen davon aus, dass die tiefe Venenthrombose im Schnitt bei 100 bis 200 von 100.000 Personen im Jahr auftritt. Bei rund einem Drittel davon, führt sie zu einer mehr oder weniger schweren Lungenembolie.

Was ist eine arterielle Thrombose?

Ein Thrombose kann auch in den Schlagadern auftreten. Die sogenannte arterielle Thrombose ist dann häufig der Grund für Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Je nachdem ob der Thrombus ein Blutgefäß verstopft, dass für die Versorgung des Hirns oder des Herzens essentiell ist.

Laut einer Untersuchung aus dem vergangenen Jahr müssen sich jährlich 23 von 100.000 Deutschen im Krankenhaus wegen einer arteriellen Thrombose behandeln lassen.

Welche Therapie gibt es?

„Im Blutbild sollte überprüft werden, ob ein Mangel an Blutplättchen besteht, also eine Thrombozytopenie“, erklärt Prof. Johannes Oldenburg von der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung. Dann sollte ein Antikörper-Test durchgeführt werden, der die immunologische Ursache der Sinusvenenthrombose anzeigt. „In den allermeisten Fällen der Sinusthrombose wird dieser Test dann positiv sein.“ Durch die Gabe von speziellen Antikörpern, hochdosierten intravenösen Immunglobulinen, könne die Gerinnungsstörung unterbrochen und beendet werden. Wichtig sei auch eine bildgebende Diagnostik.

(jas/kai/te/raer/dpa/afp)