Berlin. An Corona können auch vollständig Geimpfte erkranken – in den Kliniken betrifft das jeden zehnten Fall. Welche Gruppen gefährdet sind.

  • Trotz Corona-Impfung kommt es immer wieder zu Impfdurchbrüchen
  • Wie häufig ist das in Deutschland?
  • Oft erkranken infizierte Geimpfte nicht so schwer wie Ungeimpfte - dennoch gibt es zwei andere Probleme

Sechs von zehn Deutschen sind inzwischen vollständig gegen Corona geimpft. Sie können sich sicher fühlen. Sicherer jedenfalls als die 40 Prozent ohne vollen Impfschutz. Doch inzwischen fragen sich gerade auch die Geimpften: Wie sicher ist die Immunisierung angesichts der Delta-Variante, die die Inzidenz in einigen Regionen bereits wieder über die 100er-Marke treibt? Wie gefährlich sind Impfdurchbrüche? Und hilft jetzt eine dritte Dosis? Ein Blick auf die Zahlen hilft, jetzt nicht in Panik zu verfallen.

Impfdurchbrüche – wie oft kommen sie vor?

Geimpft und trotzdem erkrankt. Das ist die Schreckensvorstellung für alle, die sich nach der zweiten Impfung endlich sicher fühlen sollten. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seit Beginn der Impfungen insgesamt mehr als 11.000 sogenannte Impfdurchbrüche registriert – angesichts von fast 50 Millionen vollständig Geimpften eine recht kleine Zahl.

Dabei werden allerdings nur diejenigen Fälle gezählt, bei denen die Patientinnen und Patienten auch Krankheitssymptome hatten. Daneben gibt es zahlreiche Fälle von Geimpften, die sich zwar neu infizierten und deswegen positiv getestet wurden, aber keine Symptome hatten.

Die Mehrzahl der gemeldeten Impfdurchbrüche gab es demnach nach Impfungen mit dem Biontech-Vakzin, gefolgt von Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson. Die Häufung erklärt sich auch dadurch, dass Biontech das in Deutschland mit Abstand am häufigsten verabreichte Vakzin ist.

Ein weiterer Grund dürfte sein, dass Biontech in der ersten Phase der Impfkampagne vor allem an Risikopatienten und Hochbetagte verimpft wurde, deren Immunantwort oft nicht oder (nach über einem halben Jahr) nicht mehr optimal ist.

Wann wird eine dritte Impfung notwendig? Nach Meinung des Virologen Christian Drosten noch nicht im Herbst – außer für Risikopatienten.
Wann wird eine dritte Impfung notwendig? Nach Meinung des Virologen Christian Drosten noch nicht im Herbst – außer für Risikopatienten. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Wie viele schwere Verläufe gibt es trotz vollständiger Impfung?

Covid-19-Erkrankungen nach einem Impfdurchbruch können unterschiedlich schwer verlaufen. Manche haben nur leichte Symptome, andere bekommen ein paar Tage Fieber, in einigen Fällen aber kommt es auch zu schweren Symptomen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen.

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Die RKI-Zahlen zeigen: In der Altersgruppe von 12 bis 17 Jahren wurde bislang kein Fall gemeldet, bei dem eine Krankenhauseinweisung nötig war. In der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen waren es 145 Fälle, bei den über 60-Jährigen aber immerhin 748 Fälle.

Führende Intensivmediziner beobachten die Zahl schwerer Krankheitsverläufe bei bereits geimpften Menschen aktuell mit Sorge. Die meisten Covid-19-Kranken in Kliniken seien ungeimpfte Patienten, doch es gebe auch Fälle von Geimpften in stationärer Behandlung.

„Aktuell haben wir in Nordrhein-Westfalen 12 bis 13 Prozent der Covid-Patienten in den Kliniken mit Impfschutz. Diese Quote dürfte auch der bundesweiten Quote entsprechen“, sagte der Kölner Intensivmediziner Christian Karagiannidis unserer Redaktion.

Die Mehrzahl werde auf den Normalstationen behandelt, einzelne Fälle gebe es aber auch auf den Intensivstationen. Hier liege die Zahl derzeit im unteren einstelligen Bereich. Um die Entwicklung besser dokumentieren zu können, werde im Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) in Zukunft auch der Impfstatus der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen gemeldet.

Zwölf bis 13 Prozent der Covid-Patienten in den Kliniken sind geimpft, sagt der Intensivmediziner Christian Karagiannidis.
Zwölf bis 13 Prozent der Covid-Patienten in den Kliniken sind geimpft, sagt der Intensivmediziner Christian Karagiannidis. © Kliniken Köln/ Felix Schmitt | Kliniken Köln/ Felix Schmitt

Wer ist besonders gefährdet?

Vor allem solche Menschen, bei denen die Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht so wirkt, wie sie wirken sollte – oder bei denen die Wirkung schon wieder schwächer wird.

Studien zeigten, dass sich Durchbruchinfektionen vermehrt bei Personen ereigneten, deren Corona-Impfung länger als sechs Monate zurückliege, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unserer Redaktion. Und zwar unabhängig vom verwendeten Impfstoff: „Wir werden also vermutlich bald mehr Fälle sehen, sobald die Impfung bei etlichen Geimpften in Deutschland mehr als ein halbes Jahr zurückliegt.“

Es sei zudem zu vermuten, dass Ältere mehr Pro­bleme bei einem Impfdurchbruch hätten als Jüngere. „Ich vermute auch, dass bei 70-Jährigen die Wahrscheinlichkeit eines Impfdurchbruchs größer ist als bei 40-Jährigen“, sagte Lauterbach. Dazu gebe es aber noch nicht genügend Daten.

In der Regel seien die Erkrankungen nach Impfdurchbrüchen nicht so gefährlich wie Erkrankungen bei Ungeimpften. Auch für die Risikogruppen, die wegen ihres Alters ohne Impfschutz mit einem schwereren Verlauf rechnen müssten, sei bei einem Impfdurchbruch die Wahrscheinlichkeit einer Krankenhausbehandlung geringer.

Es gebe aber zwei andere ernsthafte Probleme: „Laut einer neuen Studie kommt es bei 19 Prozent der Menschen mit Impfdurchbrüchen zu einem Long-Covid-Problem“, so Lauterbach. Zudem seien diejenigen, die sich trotz Impfung infizierten, genauso ansteckend wie Ungeimpfte, wenn auch nicht so lange.

Intensivmediziner wie Christian Karagiannidis beobachten, dass es sich bei den stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit Impfdurchbrüchen oft um Fälle mit einer eingeschränkten Immunantwort handele, zum Beispiel als Folge einer medikamentösen Dämpfung des Immunsystems. Wichtig sei es deshalb, dass jetzt insbesondere diesen Menschen eine dritte Impfdosis angeboten werde.

Helfen Booster-Impfungen?

Der Sommer geht, die vierte Welle kommt: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bewegt sich auf die 50er-Marke zu, in einigen Regionen liegen die Werte bereits deutlich über 100. Für gesunde Menschen mit optimalem Impfschutz ist die Gefahr einer Ansteckung und erst recht einer schweren Erkrankung auch bei hohen Inzidenzen niedrig. Aber: Für alle Ungeimpften und alle Geimpften mit schwacher Immunantwort wächst das Risiko von Woche zu Woche.

Die ersten Bundesländer haben bereits mit sogenannten Booster-Impfungen begonnen. Diese Auffrischungsimpfungen mit mRNA-Vakzinen (etwa Biontech) sollen zunächst vor allem Hochbetagten, Pflegebedürftigen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem angeboten werden.

Zudem sollen auch jene zum Zuge kommen, die mit dem Vektor-Impfstoff von Astrazeneca oder Johnson & Johnson geimpft worden sind.

Schöner Nebeneffekt: Laut Studien werde die Wirkung der Impfstoffe nach der dritten Impfung wesentlich verlängert, so Lauterbach. „Der Schutz wird nicht dauerhaft sein, aber doch deutlich länger als ein halbes Jahr.“ Wann die Auffrischung auch für alle anderen kommt, ist noch unklar: Im Herbst jedenfalls nicht, glaubt der Berliner Virologe Christian Drosten. Das sei für die meisten noch nicht notwendig.